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Redebeitrag von Katrin Groth für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 5. August 2017 in Wedel
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Frau Jasker,
liebe Kinder und Jugendliche,
vor 72 Jahren passierte das Unfassbare. Vor 72 Jahren wurden auf zwei Städte Atombomben abgeworfen. Bei diesen Explosionen und an den Spätfolgen starben mehrere 100.000 Menschen.
Das ist lange her.
Wer hat denn zu diesem Zeitpunkt schon gelebt? Wer hat vor 72 Jahren schon gelebt? Einmal die Hände hoch ...
Na, machen Sie mal mit!!
Und als Gegenkontrolle, wer ist erst danach geboren? Auch einmal die Hände hoch ...
Nun, .... da gibt es eine sichtbare Mehrheit.
72 Jahre ist es her und doch sind wir heute in dieser Runde zusammen, weil wir erinnern wollen. Wir wollen uns selbst erinnern, wir wollen der vielen Opfer von damals gedenken und Ihnen Ehre erweisen, weil uns ihr Schicksal noch heute berührt.
Aber wir wollen auch andere erinnern. Wir wollen Menschen, die vielleicht nur zufällig hier vorbeigehen erinnern, wir wollen Menschen, die von dieser Gedenkfeier lesen oder erzählt bekommen, erinnern. Wir wollen Stein des Anstoßes sein und wir wollen Wellen schlagen.
Nachher werden wir die zahlreich gebastelten Lotusblüten ins Wasser setzen, auch da werden wir ganz leichte Wellen schlagen. Natürlich möglichst so, dass die Blüten unversehrt weiter schwimmen können.
Auch 72 Jahre nach den verheerenden Ereignissen in Hiroshima und Nagasaki ist es uns hier persönlich wichtig weiter zu erinnern. Und wir sind damit nicht allein. Wir verbinden die Ehrerbietung der zu beklagenden Opfer aus den Atombombenangriffen der Vergangenheit mit der Mahnung vor aktuellen Gefahren. Wir ermahnen die Entscheidungstragenden in Politik und Wirtschaft der Gegenwart, aber auch uns und unsere Mitmenschen. Und wir ermahnen auch die Menschen der Zukunft, unsere Kinder und Jugendliche.
Als ich selbst Jugendliche war, vor gut 30 Jahren, dachte ich, dass Gedenken an Kriegsopfer, der Vergangenheit angehört oder zumindest nur andere Erdteile betrifft, denn Europa hatte doch wohl aus den beiden Weltkriegen gelernt, so dachte ich. Die Angst vorm kalten Krieg und vor der atomaren Bedrohung waren damals für mich jedoch real. In meiner Schulzeit, die ich in Süddeutschland verlebte, machten wir nicht nur Feuerschutzübungen für den Fall, dass ein Feuer in der Schule ausbrach. Sondern wir übten auch für den atomaren Ernstfall. Die gezeigten Schutzmöglichkeiten empfanden wir als kläglich, aber wir hatten halt geübt.
Frieden und Freiheit wurden immer selbstverständlicher.
An gute Zeiten kann man sich gewöhnen. So von der Ferne betrachtet wurde die Wasseroberfläche im übertragenen Sinn mit den Jahren recht ruhig.
Dass Freiheit und Frieden keinesfalls selbstverständlich sind und sie auch wieder verloren gehen können, zeigen uns jüngste Entwicklungen in benachbarten Ländern und eigentlich befreundeten Staaten. Wenn wir Frieden und Freiheit erhalten wollen, müssen wir für sie kämpfen.
Müssen wir für sie einstehen, müssen wir Stein des Anstoßes sein und Wellen schlagen.
Vorbilder von Friedensaktivisten können da Mut machen und als gutes Beispiel vorangehen. Drei möchte ich hier erwähnen. Einmal .loan Baez, noch heute eine begnadete Sängerin und glühende Kämpferin für Gerechtigkeit. Ihr Lied „We shall overcome, we shall live in peace“, auf Deutsch „Wir werden es überwinden, wir werden in Frieden leben” werden wir nachher mit Herrn Wilke singen Ein weiteres Vorbild aus jüngster Zeit ist Malala, die junge Frau aus Pakistan, die sich für Schulbildung für Mädchen in Ihrer Heimat einsetzt und die schon im Alter von nur 17 Jahren den Friedensnobelpreis erhielt. Und Abraham Nathan, ein israelischer Pilot. Der als ehemaliger Kriegsteilnehmer, zahlreiche Hilfsinitiativen und spektakuläre Aktionen für Frieden und Gerechtigkeit initiierte. Er starb 2008 in Tel Aviv im Alter von 81 Jahren.
Seine Kernthese war „Es ist jederzeit möglich, sich zu ändern, und es ist auch ganz normalen Menschen aus dem Volk möglich, „Wunder" zu vollbringen, da ein Mensch allein eben nicht machtlos ist, sondern immens viel bewegen kann."
In Wedel erleben wir dies, hier erleben wir Menschen, die viel in Bewegung bringen. In Vereinen, Initiativen und Institutionen setzen sich viele Wedelerinnen und Wedeler für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Naturschutz ein.
Ich greife konkret eine Initiative, den sogenannten „Engel der Kulturen” heraus. Er wird vor allem in deutschen Städten, aber auch außerhalb Deutschlands, als Intarsie in den Boden eingelassen. Hier in Wedel ist der „Engel der Kulturen" seit 2014 auf dem Rathausmarkt zu finden, mitten in der Stadt, für alle Wedeler. Die Figur des Engels entsteht mit den Symbolen von drei Weltreligionen bzw. Weltkulturen, die entlang eines Ringes angeordnet sind.
Für den Islam findet man dort den Halbmond, für das Judentum den Davidstern und für das Christentum das Kreuz. Die beiden Künstler, die den „Engel der Kulturen" ins Leben riefen, erklären es so:
Wir leben in einer Welt.
Wir lassen einander zu und geben uns gegenseitig Raum zur Entfaltung. Mitmenschlichkeit und Achtung vor der Schöpfung prägen die von allen gebildete Mitte.
Wir sind einander verbunden und werden nur gemeinsam und friedlich die Zukunft gestalten können.
Ich stehe als Privatperson, als Wedeler Bürgerin Katrin Groth, vor Ihnen, aber auch als Vertreterin der Kirche, konkret für die ev.-luth. Kirchengemeinde Wedel/Holm und freue mich ebenfalls in dieser Funktion hier dabei sein zu dürfen und mitgestalten zu dürfen.
Herzlichen Dank für die Einladung nochmal an dieser Stelle.
Zu Beginn meiner Ansprache habe das Bild der Welle erwähnt, das möchte ich nochmal aufgreifen. In einem unserer Kirchenlieder habe ich einen, wie ich finde, passenden Liedvers dazu gefunden:
Ins Wasser fällt ein Stein,
ganz heimlich still und leise,
und ist er noch so klein,
er zieht doch weite Kreise.
Wo Gottes große Liebe
in einen Menschen fällt
da wirkt Sie fort
in Tat und Wort
hinaus in unsere Welt.
Ich kann mir vorstellen, dass mancher in dieser Runde mit „Gottes großer Liebe" nicht viel anzufangen weiß. Häufig wird in der Kirche über Gott und Gottes Wirken mit sehr menschlichen Vokabeln und Beschreibungen gesprochen.
Z.B.: Gott als der Vater und Jesus Christus als der Bruder.
Nicht jeder findet sich darin wieder und nicht jeder hat das Gefühl mit dieser Art Gottesbild in Kontakt kommen zu können bzw. zu wollen. Einem Benediktinermönch und ausgebildeten Zenmeister fiel vor 30-40 Jahre auf, dass Menschen, die mit einer vermeintlichen Glaubenskrise zu ihm in die seelsorgerliche Beratung kamen, häufig Schwierigkeiten mit dem weitverbreiteten Gottesbild „Gott als der Vater und Jesus Christus als der Bruder" hatten. Der Mönch heißt Willigis Jäger und er entwickelte im Laufe der Zeit unterschiedliche Gottesbilder, die vielen Menschen einen anderen, neuen Zugang zum Glauben geebnet hat.
Eins seiner Gottesbilder möchte ich hier gern vorstellen.
Keine Sorge es ist ganz kurz gesagt:
Gott ist der Ozean,
Jesus Christus ist das Wasser
und wir sind die Wellen.
Weil es so kurz ist, traue ich mich, es nochmal zu wiederholen:
Gott ist der Ozean,
Jesus Christus ist das Wasser
und wir sind die Wellen.
Wenn Sie jetzt fragen: Ja, und wo ist jetzt „Gottes große Liebe" bei dem allen, Frau Groth?? Dann antworte ich Ihnen, das ist eine sehr gute Frage. Kommen Sie doch nach der Lichterprozession bei mir vorbei, vielleicht können wir gemeinsam dieses Bild noch weiterentwickeln?
Jetzt haben Sie mir lange beim Sprechen zugehört, für Ihre Geduld danke ich Ihnen ganz herzlich, und nun möchte ich Sie zum Abschluss noch zum Mitmachen animieren. Mal schauen, ob mir das gelingt.
Erinnern Sie sich an „pulse of europe", ins Deutsche übersetzt „Puls Europas". Nachdem Brexit und dem ebenfalls weithin überraschenden Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl, wurde in Frankfurt am Main, die private Initiative „pulse of europe“ gegründet. 2017 war/ist ein entscheidendes Wahljahr für Europa mit den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Wöchentlich trafen sich zunehmend mehr Menschen erst in vielen deutschen Städten, später auch europaweit, um ein Zeichen für Europa zu setzen und nicht nur verängstigt abzuwarten was noch alles geschehen wird. Jeden Sonntag um 14 Uhr versammelten sich im Laufe der Zeit Hunderte oder sogar Tausende von Menschen für eine Stunde. In Hamburg hat man sich auf dem Rathausmarkt ab dem 12. Februar bis zur Frankreich-Wahl wöchentlich getroffen.
Nach dem offiziellen Beginn folgten etwa 8-10 kurze Redebeiträge aus der Bevölkerung, Stammtischparolen oder Wahlkampfversuche waren verboten.
Dann wurde die Europahymne „Ode an die Freude", auch bekannt unter „Freude schöner Götterfunken" gesungen und danach kam zum Abschluss die „La 0la"-Welle. Und das würde ich jetzt gern mit Ihnen gemeinsam machen. Erst singen wir „Freude schöner Götterfunken", dann machen wir die La Ola-Welle. Wie wir das genau machen, werden wir gleich nochmal bei Lichte betrachten.
Ich möchte Sie nun bitten mit Herrn Wilke und mir zusammen die 3 Verse vom Liedblatt zu singen.
Und jetzt machen wir die „La 0la". Wir verteilen uns in einer Runde und dann dreimal rund rum.
JUHUUU!!!
Katrin Groth ist Gemeindepfarrerin der Ev.-luth. Kirchengemeinde Wedel/Holm.