Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2020 in Ulm

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 17 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass Sie zu dieser Gedenkfeier gekommen sind. Lassen Sie mich als Erster Bürgermeister unserer Stadt einige Worte des Gedenkens an Sie richten.

75 Jahre ist es her, seit am 6. August 1945 über Hiroshima und am 9. August 1945 über Nagasaki zwei Atombomben abgeworfen wurden und unvorstellbares Leid ausgelöst haben; In Hiroshima starben 70.000 bis 80.000 Menschen sofort, in Nagasaki etwa 22.000 Menschen. Insgesamt waren es inklusive Spätfolgen wohl Hunderttausende Tote und Verletzte.

Bis heute wird der Abwurf durch die USA als unnötig betrachtet, galt Japan zu diesem Zeitpunkt im zweiten Weltkrieg doch bereits als besiegt. Umso größer ist die Frage nach dem Warum, das schlicht nicht mit menschlichem Verstand zu erfassen ist.

In den letzten 75 Jahren hat sich die Welt in einer enormen Geschwindigkeit weiterentwickelt, umso wichtiger ist es, an diejenigen Menschen zu denken, die durch dieses furchtbare Ereignis ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden. Und wir denken an alle Angehörigen, die einen lieben Menschen dadurch verloren haben.

Die Stadt Ulm ist seit dem Jahr 2010 Mitglied beim Bündnis "Mayors for Peace", den Bürgermeistern für den Frieden. Weltweit engagieren sich 7.800 und deutschlandweit insgesamt 680 Bürgermeister für die Friedensarbeit, insbesondere die atomare Abrüstung. Gegründet wurde M4P im Jahr 1982 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters von Hiroshima, Takeshi Araki. Ihm war es seinerzeit ein Anliegen, dass die Ebenen, die am unmittelbarsten von Krieg und Zerstörung bedroht sind, nämlich die Städte, ein Zeichen setzen und sich positionieren.

Denn Macht über den Einsatz von Atomwaffen haben Regierungschefs und Staatsführer. Der unermessliche Schaden und das Leid, das durch deren Einsatz ausgelöst wird, entstehen bei uns in den Städten und Gemeinden, in unserem unmittelbaren Lebensumfeld. Daher ist wichtig, dass wir darauf aufmerksam machen und unsere Stimmen erheben für den Frieden!

Diesen Frieden zu bewahren ist oberstes Ziel unseres Zusammenlebens, sei es lokal, national oder global. Es ist schlicht eine Herzensangelegenheit. Doch das betrifft nicht nur die atomare Abrüstung, sondern unser friedliches und solidarisches Zusammenleben insgesamt, das Miteinander in Ulm als weltoffener und internationaler Stadt.

Das konnten wir auch vor wenigen Wochen am Schwörmontag wieder sehen, als Herr Oberbürgermeister Czisch in der Schwörrede Zeugnis ablegte, "Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein". Das bedeutet auch, sich jederzeit und bedingungslos für den Frieden unter den Menschen einzusetzen.

Trotz der gefühlt langen Zeitspanne von 75 Jahren ist atomare Bedrohung weltweit präsent, werden Atombomben weiterhin als Druckmittel eingesetzt. Zwar wurde die Anzahl der Atomsprengköpfe weltweit seit den 1980er Jahren von ca. 70.000 auf heute etwa 13.400 Sprengköpfe reduziert, das sind aber immer noch schlicht zu viele!

Auch hier in Gegend (Kettertshausen bei Neu-Ulm) waren in den 80er Jahren Atomraketen stationiert, das ist also keine abstrakte Gefahr, sondern eine ganz reale.

Viele Abrüstungsverträge sind derzeit in Gefahr oder wurden bereits gekündigt; dies ist ein alarmierendes Zeichen und wir müssen dafür kämpfen, nicht in eine Rüstungsspirale zu gelangen, wie es vor Jahrzehnten schon einmal der Fall war

Ein Zeichen für den Frieden wurde im Jahr 2017 gesetzt, als die ICAN-Bewegung (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) den Friedensnobelpreis bekam. Dieses Symbol ist wichtig, um aufmerksam zu machen, um zum Nachdenken anzuregen, um zu zeigen: wir engagieren uns, für eine bessere Welt für uns und unsere Nachkommen!

Mit Gedenkveranstaltungen wie heute senden wir einen Appell an die politisch Verantwortlichen in Deutschland, Europa und in die ganze Welt: Nur durch nukleare Abrüstung können wir den Frieden in der Welt langfristig sichern! Und wir hoffen und wünschen uns, dass dieses so wichtige Engagement von unseren Kindern, Enkeln und allen weiteren nachfolgenden Generationen fortgeführt wird.

Herzlichen Dank an alle für Teilnahme an der Gedenkfeier und insbesondere für das besondere Engagement in dieser Sache. Wir alle haben es in der Hand, dass die Ereignisse in Hiroshima vor 75 Jahren nie in Vergessenheit geraten.

 

Martin Bendel ist erster Bürgermeister der Stadt Ulm und Mitglied bei Mayoers for Peace.