Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2022 in Mainz

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Hallo,

mein Name ist Harald Gewehr und ich spreche heute für die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (kurz DFG-VK) Gruppe Mainz Wiesbaden. Ich bin mir sicher, dass ich gleich einige Zuhörer:innen verwundern werde. Denn ich blicke zurück ins Neunzehnte Jahrhundert.

Die Deutsche Friedensgesellschaft ist die älteste Organisation der Deutschen Friedensbewegung.

Wir stehen in der Tradition von vielen großartigen Menschen, die ihre Energie und ihr Engagement in die Friedensbewegung eingebracht haben, und wir sind stolz auf diese Menschen.

Dazu gehört natürlich auch die Österreicherin Bertha von Suttner, die die Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft 1892 unterstützt hat und der Friedensbewegung den wunderbaren und immer noch sehr lesenswerten Roman „Die Waffen nieder!“ geschenkt hat.

Bertha von Suttner ist auch die Frau, die 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis bekam.

Alfred Nobel - der Stifter des Friedensnobelpreises - hat das Dynamit erfunden. Mit dieser Erfindung hat er Nitroglycerin beherrschbar gemacht und konnte mit der Herstellung von Dynamit schnell ein Vermögen aufbauen.

Bertha von Suttner und Alfred Nobel kannten sich. Bertha von Suttner hat 1876 für 8 Tage als Sekretärin bei Alfred Nobel gearbeitet. Sie sind im Anschluss immer im Kontakt geblieben. Auch wenn sich die beiden nur dreimal persönlich begegnet sind: Sehr wahrscheinlich würde es Friedensnobelpreise ohne die jahrzehntelange Freundschaft dieser beiden Menschen gar nicht geben.

Sie haben sehr intensiv über Krieg und Frieden diskutiert, aber ihre Ansichten gingen auseinander. Nobel bewunderte von Suttners Engagement und hat die Friedensbewegung schon zu Lebzeiten finanziell unterstützt. Suttner wie Nobel verachteten den Krieg. Allerdings träumte Nobel von einer Waffe, die so gewaltig ist, dass niemand sie einsetzen würde. Bertha von Suttner setzte auf Frieden durch Abrüstung und das Überzeugen der Menschen für den Friedensgedanken.

Ich glaube, dass Nobel zumindest anfangs die Entwicklung von Atomwaffen begrüßt hätte, denn offensichtlich sind dies diese Superwaffen, von denen er geträumt hatte. Allerdings wären seine Träume schnell geplatzt.

Wir sehen selber heute, dass seine Träume von Frieden durch grausame Waffen falsch waren. Wir müssen nur zurückschauen und sehen ja, dass Atomwaffen bereits eingesetzt wurden. Und auch im Kalten Krieg wollte dieses „Frieden schaffen mit unmenschlichen Waffen“ nicht so recht gelingen. In der Kubakrise 1962 ist die Menschheit nur knapp an einem Atomkrieg vorbeigeschlittert. Millionen wären gestorben. Der Atomkrieg hätte atomare Wüsten hinterlassen.

Auch wissen wir heute, dass 1983 der Russe Stanislaw Petrow einen Atomkrieg verhindert hat. Viele Indizien sprachen für einen Atomraketenangriff der USA auf die Sowjetunion. Er hatte nur ein paar Minuten Zeit. Dann hat er seinen Vorgesetzen einen Fehlalarm gemeldet. Dabei hat er offensichtlich gegen seine Vorschriften gehandelt. Andernfalls hätte dieses Vorkommnis einen Atomkrieg mit 750 Millionen Toten auslösen können. Petrow wurde damals im Anschluss getadelt, weil er sein Dienstbuch nicht ordnungsgemäß geführt hatte.

Dann wissen wir, dass die Atomwaffenarsenale Stellvertreterkriege nicht verhindert haben und vielleicht sogar ermöglicht haben. Die Frage der Kriegsführenden war oft, was sie sich erlauben können, ohne dass es zu einem Atomkrieg kommt.

Heute ist die Welt komplizierter geworden. Etliche Länder besitzen Atomwaffen. Es gibt keine festen Blöcke mehr. Wir haben keinerlei Garantie, dass nicht aus Zufall oder mit Absicht ein Atomkrieg vom Zaun gebrochen wird. Es scheint auch so zu sein, dass der Besitz von Atomwaffen einem Land einen gewissen Schutz davor bietet, überfallen zu werden. Die Ukraine hat 1994 ihre Atomwaffen abgegeben und wurde jetzt von Russland überfallen. Hätte das Russland gewagt, wenn die Ukraine Atomwaffen gehabt hätte?

Auf der anderen Seite schützen Atomwaffenschirme auch Aggressoren. Wie auch immer dieser furchtbare Krieg in der Ukraine verläuft: Russlands Atomwaffen schützen Russlands brutalen Krieg gegen die Ukraine. Leider muss man heute als Friedensbewegter immer ausdrücklich betonen: Russland ist der Aggressor. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Angriffskrieg.

Die Versuche, Hyperschallwaffen zu entwickeln, und die Behauptung, es gäbe sie bereits, machen die Welt ebenfalls zu einem gefährlichen Ort für Menschen. Hyperschallwaffen sollen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit auf niedrigen Flugbahnen zu jeder Zeit lenkbar bleiben und somit fast unzerstörbar sein. Auch in Europa ist die Stationierung solcher Waffen geplant – und die Kommandoeinheit für diese Waffen ist in Mainz-Kastel geplant. Wollen wir das wirklich? Ich sage nein.

Atomwaffen müssen abgeschafft werden. Im Spiel mit dem Feuer wird das Feuer irgendwann ausbrechen. Solange es Atomwaffen auf der Welt gibt, werden diese auch irgendwann eingesetzt werden. Wir können von Glück sprechen, dass wir bislang so glimpflich davongekommen sind.

Deutschland und auch alle Atommächte müssen den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, ratifizieren und umsetzen.

Vielen Dank!

 

Harald Gewehr ist aktive bei der DFG-VK Gruppe Mainz-Wiesbaden.