Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2024 in Krefeld

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima war eine Zäsur in der Geschichte. Es war der erste Einsatz von atomaren Massenvernichtungswaffen. Die Folgen dieses Atombombenabwurfes sind noch heute zu spüren. Da das Schicksal der Opfer besonders grausam ausgefallen war, ist die weltweite Furcht vor einem (weiteren) Einsatz sehr hoch. Sie ist auch Grundlage für das Wettrüsten, das zu ca. 14.000 real existierenden Atomsprengköpfen weltweit geführt hat. Die Furcht resultiert (auch) aus der besonderen Grausamkeit dieser Waffe. Welche Fassetten hat nun diese Grausamkeit?

Zuerst ist der Aspekt der Massenvernichtung zu benennen. Augenzeugen berichten, dass sie von diesem Aspekt „überrascht“ waren.

Was hatte „überrascht„?

Die Opfer, die von ihren Erfahrungen berichteten, hatten miterlebt, wie sie in ihrem Haus „verschüttet“ wurden. Sie dachten, das Haus wäre das „Ziel“ einer Bombe geworden.

Jedoch, als sie es geschafft hatten, sich aus den Trümmern des Hauses auszugraben, stellten sie fest:

Dass alle Häuser in der Umgebung – wahllos – dem Erdboden gleich gemacht wurden. Diese Wahllosigkeit und „Umfassendheit“ der Zerstörung hatte „überrascht“. Dass alle Häuser der Umgebung dem Erdboden gleich gemacht wurden, lag an dem Aspekt der Druckwelle der Bombe.

Die Druckwelle war so stark, dass davon berichtet wurde, dass vielen Opfern die Augen aus dem Schädel gepresst wurden. Einige Opfer trugen ihre Augen so in den Händen mit sich herum, ohne noch wirklich Orientierung zu haben.

Nachdem alle Häuser zerstört waren, fingen diese nun an zu brennen. Ganz Hiroshima stand in Flammen. Dies Feuer ist ein weiterer Aspekt der Grausamkeit der Bombe. Nicht nur, dass die Hitze die Häuser ansteckte, sie sorgte auch dafür, dass den überlebenden Opfern nicht nur die Kleider am Leib hingen, auch die Haut der Opfer hing ihnen vom Leib. So starben nicht nur die Verschütteten und Opfer der brennenden Häuser, sondern auch diejenigen, deren Haut so verbrannt war, dass sie sich vom Körper gelöst hatte und nicht mehr funktionierte. Die starken Verbrennungen führten dazu, dass auch nach dem Angriff die Überlebenden kaum Überlebenschancen hatten, wenn ihre Haut großflächig verbrannt war. Der andere Aspekt der Hitze war, dass der Körper viel Wasser brauchte, um weiter leben zu können. Überall wurde um Wasser gebeten. Jedoch war das Wasser spätestens nach dem schwarzen Regen radioaktiv verseucht und die Radioaktivität zerstörte das Knochenmark oder erzeugte Strahlungskrankheiten und Krebs.

Auch an den Langzeitfolgen dieser Krankheiten sind viele Opfer, auch Jahre nach dem Angriff, gestorben. Der eigentliche Angriff löschte im ersten Moment ca. 70.000 Leben aus. Zuerst kam der Blitz. Wer direkt hineinsah, erblindete. Auch geringerer Sichtkontakt mit dem Blitz konnte Teile der Netzhaut verbrennen. Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass hier ein offenes Auge allein durch das normale Licht immerzu zu Schmerzen beim Sehen führte und auch normales Licht in das Auge sticht und dort, wo keine Netzhaut mehr ist, beim Sehen Schmerzen erzeugt. Die Opfer sind entstellt, verdampft, verstrahlt, verschüttet, verbrannt, erkrankt und erniedrigt, aber die meisten sind gestorben. Heute gelten Atomwaffen als geächtet. Dies hat der Großteil der UNO über den Atomwaffenverbotsvertrag so beschlossen. Jedoch beharren die Atommächte auf ihr Recht, einen sogenannten „Frieden durch Abschreckung“, als solchen, aufrechtzuerhalten. Nach dem Ersteinsatz von Atomwaffen und ihrer Ächtung zeigt sich, dass die 100-Tausenden an Toten nicht mit einer verstehbaren „Moral“ zu rechtfertigen sind. Ich verstehe ein moralisches Konzept, das auf Waffen aufbaut, nicht. In das Dilemma des Wettrüstens und des Besitzes geächteter Waffen haben sich die, die nicht die „ethische Vertretbarkeit“ dieser Waffen für sich verbuchen können, selbst gebracht.

Der Einsatz von Atombomben ist nicht nur geächtet, sondern auch unmoralisch. Wenn der Nutzen einer Waffe ist, „Kollateralschäden“ zu erzeugen und die Opferzahlen in die Höhe zu treiben, wie beim Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki, ist dies – aus meiner Sicht – mit keiner „Ethik“, mit keiner „Moral“ noch vertretbar – es geht hier nur noch um militärisches Kalkül von Machthabern ohne jedes „ethische Konzept“. Der Einsatz von Atomwaffen ist aus meiner Sicht per se unverhältnismäßig. Ob damit Kriege beendet wurden oder nicht. Es bleibt dabei: Der Einsatz in Hiroshima war nicht „ethisch“ zu rechtfertigen und war unverhältnismäßig in Bezug auf die vielen Opfer. Diesen Opfern gilt - heute - nach 79 Jahren unser Gedenken und unser Mitgefühl.

 

Liebe Friedensfreund*innen,

Aus meiner Sicht verhält es sich so, dass, solange der Mensch an sich nicht Ziel moralischer Überlegungen sein kann, moralischer Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Im Fall des Atomwaffenabwurfes in Hiroshima ist - aus meiner Sicht - durchaus sehr zweifelhaft, ob denn hier der Mensch an sich an erster Stelle moralischer Überlegungen stand, wenn diese hier überhaupt eine Rolle gespielt haben sollten.

In Bezug auf das Mensch Sein stellte der Atombombenabwurf auf Hiroshima - aus meiner Sicht - eine besondere Grausamkeit dar.

Warum sind dann Atomwaffen nicht - per se - verboten?

Es gibt - auf internationaler Ebene - ein Verbot von Atomwaffen durch den Atomwaffenverbotsvertrag. Deutschland ist dem Abkommen (jedoch) (noch) nicht beigetreten, auch wenn es (Das Verbot von Atomwaffen)- rein auf Grund der Mehrheitsverhältnisse auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft - (wohl) für alle Staaten gilt oder zu gelten hat.

Dagegen steht - dem entgegen - im Raum, dass es Aussagen gibt, die die Fragen der Moral - bei militärischen Fragen - anzweifeln. ‚Erst kommen sogenannte "Sicherheitsfragen", dann kommt die Moral:!!' Jedoch, wenn Sicherheitsfragen konsequentialistisch aus einem Wunsch heraus, eine bestimmte Konsequenz aus einer Handlung abzulehnen, gedacht werden - konkret: Einem Atomtod entgehen zu wollen und danach zu handeln, dann kann daraus geschlossen werden: Es handle sich um eine Form konsequentialistisch gedachter Moral, den Atomtod für sich abzulehnen und dies als höheres Gut zu empfinden.

Ist jedoch eine Konsequentialistische Ethik - den Atomtod abwenden zu wollen - für den Aspekt des Mensch seins an sich und dem Bestreben nachSicherheit in dieser Frage die zuverlässigste Form von Moral?

Im Detail wird die Existenz von Atomwaffen zum Anlass genommen in gegenseitigen Kategorien von "Abschreckung" - der Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen - zu denken.

Kann in der Konsequenz gesagt werden, dass der Abwurf der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki, Aufgrund der erfüllten Prämisse amerikanische Gis vor dem Tod im Krieg zu schützen, moralisch war?

Es gilt als unmoralisch einen Menschen zu opfern, um seine Organe zu nehmen und sie anderen Menschen, die sie benötigen, einzupflanzen, um deren Leben zu retten und das andere Leben dafür zu opfern.

Ich sehe es so, dass das Leben von - zuerst - ca. 70.000 Menschen, die sofort gestorben sind, für das Leben von GIs geopfert wurde, die dann nicht im Krieg gestorben sind, nachdem der Krieg, nach dem Abwurf der 2. Atombombe, zur bedingungslosen Kapitulation Japans führte.

Kann vom Konsequentialismus aus gesagt werden, dass (hier) die Grausamkeit – des Abwurfes von Atombomben - in der Konsequenz - amerikanische Soldat*innen zu schützen - moralisch war?

Aus meiner Sicht sollte ein Menschenopferals unmoralisch gelten und moralischen Grundsätzen - und ihren Zielen - widersprechen. So wird denn bestritten, dass es sich im Krieg auch um moralische Fragen handelt, da vielen dieses Argument, dieses Opfer wäre nicht moralisch vertretbar, einleuchtet. Jedoch hat auch Abschreckung Ziele und ist von menschlichem Handeln bestimmt. In der Vertragsethik, die z. B. den Staat über den Gesellschaftsvertrag seiner Bürger*innen miteinander "gesellschaftlich" vor "Ermordung im Schlaf" absichert, ist eine besonders grausame Gewalttat über ein Vertrauen in Abkommen und Verträge dann nicht zulässig, - also die besonders grausame Gewalttat ist dann nicht zulässig - wenn diese Abkommen keine "Sonderrechte" einräumen.

Wichtig ist hier, dass der Staat dem Recht gegenüber, wie der z. B. Bindung an den Atomwaffenverbotsvertrag, rechenschaftspflichtig bleibt. Er - der Staat - soll ein Rechtsstaat bleiben und die Politik soll bei den Bürger*innen so viel Vertrauen aufbauen, dass sie glauben, dass der Staat hier im "Guten" handelt und darüber bereit ist Rechenschaft abzulegen.

Wenn es im Konsequentialismus auf "Vertrauen" ankommt, kann - gerade - dann, wenn es um die Einhaltung von "Versprechen" -sich an Regeln zu halten- geht, nicht (wirklich) gesagt werden: Es gäbe keinen Vorstellbaren Fall, für ein "höheres Ziel", nicht doch die Regel zu brechen. Was für die Möglichkeit sich als Rechtsstaat zu zeigen falal wäre, wenn dieser Eindruck - das "Versprechen" der Rechtsstaatlichkeit - würde gebrochen werden - entstünde. Im Konsequenzialismus scheint dies aber eher möglich, als in der Vertagsethik.

Diese Form von "Sicherheit" ist jedoch - so - aus Sicht der variablen "Ziele" gesehen - eine sehr "brüchige" (und unzuverlässige). Wenn darauf die "Abschreckung" aufbauen sollte, gilt gleiches für sie, dass "Abschreckung"”, wenn sie "höheren Zielen" geopfert werden sollte, so nicht "Bestand" haben kann. So ist das Festschreiben von Verträgen (und das Einhalten dieser Verträge durch Rechenschafts-pflicht - den Bürger*innen gegenüber.) - aus meiner Sicht ein viel weniger "vages" "Versprechen", als das des Konsequentialismus.

Dieser kann immer seine "höheren Ziele" anpassen, - bei Verträgen - wie beim Atomwaffenverbots-vertrag - ist dies (so) nicht ohne Weiters möglich. Die - aus meiner Sicht - größtmögliche Sicherheit würde sich ergeben, wenn Werte, wie "Du sollst nicht töten" und "Du sollst nicht lügen" - per se - eingehalten werden würden. Beide (hier geforderten) Grundsätze lassen sich problemlos von einer kantischen Pflichtethik ableiten, die auf einem Verallgemeinerungsgrundsatz des Handelns *1 und auf einer Formel zum Selbstzweck des Menschen *2 aufbaut. Für den Krieg ist diese Form der Moral dagegen unbrauchbar - denn, meiner Meinung nach ist die Ausbildung zum Töten und die Desinformation im Kriegsgeschehen der Erste Schritt, dieser Praxis auch im Krieg zu folgen. Dass aber der Krieg keine Moral für sich beanspruchen würde kann ich dagegen nicht sagen. Der Unterschied zu der Moral, die im Krieg von vielen als nicht existent angesehen wird ist wohl aus meiner Sicht, dass sich - zu oft - "eine falsche Form von. Moral” - mit falschen "Zielvorgaben", wie hier dargestellt, zeigt, das will ich hier jedenfalls so benennen - als ."eine falsche Form von. Moral”. Jedoch hat sich daraus die Diskussion um Moralität im Krieg für mich nicht "erledigt" und kann - meiner Meinung nach -
nicht einem eher militärischem Kalkül geopfert werden - dessen - ich nenne es - falsche Form von Moralität - sich - meiner Meinung nach - sehr deutlich im Einsatz der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki gezeigt hat.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Stefan Sweekhorst ist aktiv bei der DFG-VK Krefeld.

Anmerkungen:

  • 1 (dass die Maxime des Handelns allgemeines Gesetz werden kann)
  • 2 [Handle so, dass der Mensch nicht allein ein Mittel, sondern immer auch gleichzeitig einen Selbstzweck darstellt.)