Redebeitrag von Ernst-Ludwig Iskenius (IPPNW) für den Ostermarsch Rostock am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

Liebe Friedensfreunde,

Ich komme gerade aus Büchel und vom dortigen Widerstand. Herzliche Grüße an Euch als Osterspaziergänger.

Herzlich seid Ihr eingeladen, an der dortigen zwanzigwöchigen Aktionspräsenz teilzunehmen und mit Euren eigenen bunten Aktionen am Widerstand zu beteiligen. Vielfältige und phantasievolle Aktionen Eures gewaltfreien Widerstandes, von Mahnwachen über Bereicherung der Friedenswiese bis hin zum Zivilen Ungehorsam, sind dort hoch willkommen. Büchel ist in den letzten Jahren zum symbolischen Ort für die Atomwaffengefahr in Deutschland, aber auch für den Widerstand gegen diese Gefahr der Massentötung geworden. Gerne könnt Ihr mich nach Details fragen. Flyer habe ich mitgebracht.

In diesem Jahr muss der Druck auf die Bundesregierung besonders stark erhöht werden. Wir stehen vor einer neuen qualitativen Atomwaffenaufrüstung, und Deutschland mischt aktiv mit. Als Stichworte möchte ich nur nennen:

  • Völkerrechtswidrige atomare Teilhabe, statt Abzug aller Atomwaffen, wie 2010 vom Parlament beschlossen
  • Zulassung einer immensen und Billionen Dollar teuren atomaren Aufrüstung mit Atomwaffen von ganz neuen Eigenschaften, an denen auch deutsche Banken und Firmen verdienen statt reale Abrüstungsinitiativen zu starten. Atomwaffen sollen für Militärs handbarer gemacht werden, um sie eher einzusetzen. Die kritischen Atomwissenschaftler haben erst im Januar diesen Jahres ihre berühmte Weltuntergangsuhr auf 2, 5 Minuten vor 12.00 Uhr vorgestellt, so nah an einem Atomwaffeneinsatz waren wir seit den 50iger Jahren nicht mehr.
  • Festhalten an der gefährlichen atomaren Abschreckungsideologie und sogar über eine eigene Europäische Atommacht offen nachzudenken anstatt sich der überwiegenden Mehrheit aller Staaten anzuschließen und sich für ein Atomwaffenverbot einzusetzen

Das ist das, was zur Zeit unter Realpolitik in Berlin läuft. Sie ist Ausdruck der Krankheit „Friedlosigkeit“, die einmal mein berühmter IPPNW-Kollege und Psychoanalytiker Prof. Dr. med. Richter ausformuliert hat.

Dem setzen wir den heilsamen und die Gesundheit fördernden Widerstand von unten entgegen.

  • Es war die weltweit agierende Zivilgesellschaft, die den hoffnungsvollen Prozess der in diesem März begonnenen, längst überfälligen Verhandlungen zur Ächtung und Verbot aller Atomwaffen in Gang gesetzt hat.
  • Es war der Druck von vielen, vielen Menschen, die 132 Staaten und Regierungen überzeugt haben, international bindende Verhandlungen zur Ächtung einer Massenvernichtungswaffe aufzunehmen, um im kommenden Herbst der UNO-Generalversammlung diesen zur Empfehlung einer Ratifizierung an alle 192 Regierungen der Welt vorzulegen. Dieser neue Weg birgt nach dem jahrelangen Stillstand um die Erfüllung im Atomwaffenweiterverbreitungsvertrag die Chance, endlich zu einer atomwaffenfreien Welt zu gelangen.
  • Es war die Bewegung der Internationalen Bürgermeister für den Frieden, die bis heute an ihrer Vision, bis 2020 eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen, festhalten. Warum ist unser Bürgermeister in Rostock dieser Vereinigung noch nicht beigetreten? Erinnern wir ihn an seine Verantwortung für die Bürger dieser Stadt in diesem Jahr daran!!!

Die deutsche Regierung hat sich im Verein mit den anderen Atomwaffenstaaten ins Abseits gesetzt und verweigert bis heute ihre Beteiligung an diesen hoffnungsvollen Prozess. Es ist aber unsere Chance, uns endlich von der Geisel der atomaren Großmachtsucht zu befreien. Wir müssen nur gemeinsam aktiv werden und den Druck so erhöhen, dass die politischen Entscheidungsträger in der neu gewählten Regierung im Herbst nichts anderes mehr können als sich konstruktiv an diesen Verhandlungen zu beteiligen. Nur so wird unsere weltweite Verantwortung, von der unsere politischen Eliten immer in ihren Sonntagsreden schwärmen, in konstruktiver Weise sichtbar.

Widerstand kann großen Spaß machen, überwindet Angst und Sorgen und gibt Zuversicht zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft für die nächste Generation. Er schafft Raum für Hoffnung, die häufig uns angesichts der immensen Probleme, die wir international zu bewältigen haben, abhanden zu kommen scheint.

Wir sind die Alternative, haben wir das Selbstbewusstsein und den Mut, dieses auch in die Gesellschaft hineinzutragen. Das ist Ostern, egal ob in christlicher, spiritueller, säkularer oder jahreszeitlicher Perspektive. Es heißt Aufbruch, folgen wir ihm. Im Herbst ziehen wir dann Bilanz und fahren die Ernte unserer Anstrengungen ein!(!)

Vielen Dank.

 

Ernst-Ludwig Iskenius ist Arzt und aktiv bei der IPPNW. Er lebt in Rostock.