Redebeitrag von Gernot Lennert für den Ostermarsch Mainz-Wiesbaden am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 11 Uhr -

 

2017: Instabilität und gewachsene Kriegsgefahr

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Die Atomkriegsuhr, die die Gefahr eines Atomkriegs anzeigt, wurde 2015 auf drei Minuten vor zwölf gestellt, wie zuletzt 1984. Seit Januar 2017 steht sie auf zweieinhalb Minuten vor zwölf. In den letzten Tagen erlebten wir die illegale Bombardierung Syriens durch die USA, einen neuen Tiefpunkt im westlich-russischen Verhältnis und Kriegsdrohungen zwischen Nordkorea und den USA.

Die Gefahr eines weltweiten Kriegs wächst schon seit Jahren. Der Krieg in der Ostukraine wurde nicht ausgeweitet, doch die Konfrontation zwischen NATO und EU einerseits und Russland, mit Auf-rüstung und Säbelrasseln auf beiden Seiten, kann immer noch eskalieren. Dasselbe gilt für den fürch-terlichen Krieg, der in Syrien geführt wird, weil dort NATO-Staaten, Russland und der Iran aufeinan-dertreffen. In Ostasien steigt die Gefahr auch wegen des wachsenden aggressiven Nationalismus in China und Japan und wegen der Rivalität zwischen der VR China und den USA.

Der Brexit und die Wahl Trumps haben die Welt instabiler und damit gefährlicher gemacht. Die bei-den Zentralmächte des Westens sind unberechenbarer geworden. Trump bedroht innenpolitisch die Grundlagen der Demokratie und ist außenpolitisch wankelmütig, dabei militärisch aggressiv. Der Brexit wird so rücksichtlos betrieben, dass er angesichts der Stimmung in Schottland und Nordirland den Fortbestand des Vereinigten Königreichs gefährdet. Der Brexit hat Fremdenfeindlichkeit und Ras-sismus gesteigert und vergiftet die internationalen Beziehungen. Die befriedende Wirkung der EU lässt schon nach: Spanien vertritt seinen absurden nationalistischen Territorialanspruch auf Gibraltar ag-gressiver als zuvor.

Auch wenn die EU eine neoliberale Politik zugunsten von Reichen und Konzernen betreibt, nach au-ßen zunehmend militärisch auftritt und Demokratiedefizite aufweist, ist regionale Integration eine frie-denspolitische Errungenschaft. Ein Rückfall in ein Europa konkurrierender, autoritär regierter Nationalstaaten muss abgewehrt werden.

Trump fordert ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Die NATO-Staaten sollen mindestens 2% des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben: für Deutschland wäre es fast eine Verdoppelung. Die Militarisierung der EU wird nun noch energischer vorangetrieben. In der FAZ wurden schon deutsche Atomwaffen gefordert. Die Bundesregierung strebt nach militärischer Weltgeltung. Statt sich aus Krie-gen herauszuhalten, drängelt sie sich eifrig in sie hinein. Mali droht für die Bundeswehr das neue Af-ghanistan zu werden.

Bertha von Suttner, die vor 125 Jahren die Deutsche Friedensgesellschaft mitgegründet hat, sagte: "Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl weg-waschen zu wollen. Nur Blut soll immer wieder mit Blut abgewaschen werden."

Damals stürzten die Regierungen die Welt in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Sind sie heute klüger?

Niemand will einen atomaren Weltkrieg. Doch es wird gedroht, aufmarschiert, provoziert und bombardiert. Man hofft, dass andere sich das gefallen lassen, ohne dass es zur Eskalation führt. Das kann einige Male funktionieren. 1914 funktionierte es nicht.

Zentrale Forderung und Hoffnung des bürgerlichen Pazifismus vor dem Ersten Weltkrieg war Frieden durch Recht, durch internationale Gerichtsbarkeit und internationale Organisationen. Tatsächlich wur-den die Vereinten Nationen gegründet, deren Charta Angriffskrieg verbietet. Ich will das Völkerrecht keinesfalls idealisieren. Es ist wie jedes Recht Ausdruck der Machtverhältnisse. Es verbietet zum Bei-spiel Sklaverei und Zwangsarbeit, nimmt aber davon ausdrücklich die Zwangsrekrutierung für Militär aus. Es schafft Krieg nicht ab, hegt den Krieg aber ein.

In diesen Tagen ist der Rückschritt besonders deutlich: Die USA bombardieren rechtswidrig ein anderes Land, ohne angegriffen worden zu sein und ohne UN-Mandant ein anderes Land, und die deutsche Regierung applaudiert. Es gilt nicht mehr das Recht, sondern wieder das Recht des Stärkeren. Man spricht sogar von Rache. Das ist ein Rückfall in die Barbarei.

Stationen auf diesem verhängnisvollen Weg sind der von der NATO geführte illegale Kosovokrieg 1999, der auf Lügen basierende Angriffskrieg der USA gegen den Irak 2003, der vom Westen betrie-bene Regimesturz in Libyen 2011,die russische Annexion der Krim 2014 und der Drohnenkrieg der USA. Im Nahen Osten haben die westlichen völkerrechtswidrigen Aggressionen Irak, Libyen und Syrien zu Schlachtfeldern gemacht, auf denen sich auch Dschihadisten ausbreiten konnten.

Nötig ist eine grundsätzliche Abkehr von der Kriegspolitik:

  • Keine weitere Aufrüstung! Abrüstung und Deeskalation!
  • Schluss mit den ständigen Kriegen und Interventionen, deren Ergebnisse immer wieder als Rechtfertigung für neue Kriege dienen und Gegengewalt hervorrufen!
  • Rückkehr zum Völkerrecht!

Speziell für den Friedensnobelpreisträger EU:

  • Frieden nicht nur im Innern, auch nach außen. Keine Militarisierung der EU! Für eine Zivil-macht EU!
  • Schluss mit der neoliberalen EU-Politik, die die Kluft zwischen Arm und Reich auch weltweit verstärkt. Statt militärischer Flüchtlingsabwehr Entwicklungs- und Friedenspolitik, die Flucht-ursachen erst gar nicht entstehen lässt.

Wir dürfen es nicht bei Appellen an die Regierungen belassen. Wir brauchen starke Bewegungen für Frieden und Menschenrechte die sich Krieg, Militarismus, Nationalismus, Imperialismus, Faschismus, Islamismus und Diktatur widersetzen und zwar überall, in westlichen Ländern, in Russland, in der Tür-kei und anderswo.

Wir dürfen den Herrschenden keinen neuen Weltkrieg erlauben!

 

Dr. Gernot Lennert ist Landesgeschäftsführer DFG-VK Hessen.