Redebeitrag von Lisi Maier für den Ostermarsch Miesbach am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich freu mich heute hier zu sein – in der Heimat und zu sehen, wir sind viele, die die Angst um Frieden, um Demokratie und Freiheit umtreibt. Auch wenn wir manchmal im Alltag das Gefühl haben, dass wir nur wenige sind, dieser Ostermarsch kann uns stärken, weil alle die heute hier zusammengekommen sind, stehen für Demokratie, Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit – und für Frieden.

Bertolt Brecht schrieb einmal: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem Dritten.“

Diese Angst ist es, die uns in diesen Tagen umtreibt. Die Angst vor den Unberechenbaren, vor Trump, vor Putin, vor Erdogan und vor Assad. Wir alle stehen erschrocken von der aktuellen Situation. Während sich hier im Landkreis in den vergangenen Wochen der Frühling langsam blicken ließ spielte die Welt um uns herum verrückt:

  • wird in Syrien ein schrecklicher Chemiewaffenangriff auf unschuldige Zivilisten verübt
  • feuern die USA rund 60 Marschflugkörper auf einen Stützpunkt der syrischen Luftwaffe ab
  • blockiert Russland im UN-Sicherheitsrat eine Verurteilung des verheerenden Giftgasangriffs in Syrien
  • setzen die USA erstmals ihre größte nicht-atomare Bombe in Afghanistan ein. In einem Land in welches Deutschland weiterhin Geflüchtete abschiebt, in angeblich „sichere“ Regionen.
  • und seit Tagen wird befürchtet, dass heute in Nordkorea erneute Atomwaffentests stattfinden.
  • zugleich fanden in Schweden, Ägypten, Tschetschenien, Bangladesh und Russland Terrorangriffe statt.

Ich könnte die Liste leider noch um etliches verlängern, könnte Beispiele benennen aus Afrika, aus dem Nahen Osten, aus Osteuropa die aufgrund der langanhaltenden Konflikte schon aus unserem täglichen Radar entschwunden sind.

All diese Angriffe führen in der Gesamtschau dazu dass Millionen Menschen weltweit Opfer von Kriegen und Bürgerkriegen, von politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung sind und wenn sie überleben Schutz in anderen Regionen ihres Heimatlandes, in Nachbarländern oder in den Industrieländern suchen.

(I.)

Und: es sind auch Waffen aus Deutschland vor denen Menschen weltweit flüchten: Der stete Zustrom an Waffen und Kriegsmaterial trägt dazu bei, Konflikte aufrecht zu erhalten und zu verstärken.

Deutschland gehört zu den weltweit größten Rüstungsexporteuren. Die besonders problematische Rolle spielt dabei die unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen, wie Handfeuerwaffen und Sturmgewehren. Die Verbreitung dieser Waffen beginnt meist als legaler, von der Bundesregierung genehmigter Rüstungsexport. Der Verbleib von diesen Waffen wird allerdings kaum kontrolliert. Über vielfältige Wege gelangen diese nahezu ungehindert in Konfliktgebiete und führen dort zur Gewalteskalation.

Noch am Anfang dieser Legislaturperiode versprach die aktuelle Bundesregierung, die Rüstungsexporte drastisch senken zu wollen - in der Mitte dieser Legislaturperiode 2015 erreichten die Rüstungsexporte den Höchststand seit Gründung der BRD, durch verschärfte Ausfuhrgenehmigungen hat sich die Lage in 2016 endlich etwas gebessert.

Deshalb:

Lasst uns die Bundesregierung auffordern, international auf Abrüstungsabkommen zu dringen, eine restriktive Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen einzuhalten, sowie einen perspektivischen STOP von Waffenexporten vorzubereiten!

Deutsche Rüstungsgüter dürfen nicht dazu beitragen, dass Unrechtsregime und Terrororganisationen geschützt werden.

(II.)

Durch die in der deutschen Geschichte begründete Verantwortung und seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten hat Deutschland einen wichtigen Beitrag für eine aktive Friedenspolitik in Europa und darüber hinaus zu leisten.

Doch Verteidigungsausgaben sind kein Selbstzweck. Der Nato-Beschluss, die Verteidigungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsprodukts festzulegen, wie dies aufgrund von Forderungen der amerikanischen Regierung beschlossen wurde, ist unsinnig und gefährlich.

Dies führt unweigerlich in eine Aufrüstungsspirale und folgt verteidigungspolitischen Mustern von vorgestern. Es trägt nicht zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei und das Geld fehlt an anderen relevanten und wichtigen Stellen des Sozialstaates.

Und wie kann es sein frag ich euch, dass die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöht werden sollen, das Ziel für eine angemessene Entwicklungshilfe von den vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jedoch seit Jahren nicht eingehalten wird?

Deshalb:

Wir wehren uns dagegen, dass auf aktuelle politische Herausforderungen mit kriegerischen Mitteln reagiert wird. So kann die Dynamik von Gewalt, die ihrerseits Gewalt erzeugt, nicht durchbrochen werden.

Wir erwarten von der Politik, eine aktive Friedenspolitik zu betreiben, die sich in besonderem Maße durch zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung auszeichnet. Der Grundsatz muss lauten: Prävention vor Intervention!

(III.)

Und: Immer mehr Menschen fliehen auch vor Umweltzerstörung. Die Ausbeutung der Erde, der Klimawandel und eine ungerechte Handelspolitik rauben ohnehin schon armen Menschen ihre Lebensgrundlage.

Umweltpolitische Fragestellungen sind auch sozialpolitische Fragestellungen: die Ärmsten der Armen werden auch die Verliererinnen bei Umweltkatastrophen sein. Die kriegerischen Auseinandersetzungen um die Ressourcen dieser Erde werden zunehmen. Nachhaltiger Frieden kann nur durch die Herstellung von mehr Gerechtigkeit erreicht werden.

Deshalb

Erwarten wir von einer guten Friedenspolitik Regeln für einen fairen Welthandel und gerechte Handelsbeziehungen Wir erwarten eine aktive Umwelt- und Klimapolitik – sowohl bei innenpolitischen, wie außenpolitischen Maßnahmen und Entscheidungen.

Wir brauchen eine Ausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik nach friedensethischen Kriterien.

(IV.)

Die Würde geflüchteter Menschen zu schützen, ihnen Schutz zu gewähren und Perspektiven zu eröffnen ist eine Herausforderung und Verpflichtung für die gesamte Gesellschaft. Eine starke und solidarische Gesellschaft kann diese Aufgabe annehmen, ohne dass Schutz- und Hilfsbedürftige gegeneinander ausgespielt werden.

Deshalb lasst uns zu guter Letzt den Blick nochmal zu uns zurück nach Deutschland und Europa lenken:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist die unumstößliche Lehre aus Faschismus und Krieg, sie ist Verpflichtung und Auftrag aus dem Grundgesetzes und der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Wenn wir jedoch keine 1000 Kilometer nach Ungarn schaun, dann sehen wir Geflüchtete, die in Lagern zusammengepfercht werden, von Menschenwürde keine Spur. Wir sehen den Rechtsstaat in Polen brökeln, ebenso die soziale Sicherheit in Griechenland. Und durch den Brexit wird deutlich: auch die EU selbst brökelt.

Deshalb:

Wir brauchen ein Europa, in dem die Menschenrechte geachtet werden, in dem sich die Politik für eine verbesserte ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen einsetzt.

Wir brauchen ein Europa, das demokratisch verfasst ist, das sich gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit abgrenzt.

Europa ist ein Friedensprojekt, Europa zeichnet sich aus durch Solidarität, durch Freiheit und Demokratie, durch Einheit in Vielfalt.

Le Pen, Orban, Storch – dem nationalistischen, unsolidarischen und antidemokratischen Credo der Rechtspopulist_innen in ganz Europa muss gegen gehalten werden!

Weil wir die großen Herausforderungen nur gemeinsam lösen werden, braucht es eine bessere europäische Zusammenarbeit insbesondere in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitspolitik.

Wir fordern eine Politik in Deutschland, die der Ausbreitung des Hasses gegen Geflüchtete entgegenarbeitet, die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Wir müssen klare Kante gegen Rechts zeigen.

Wir müssen zuhören, immer wieder erklären und versuchen echte Probleme zu lösen und um der Demokratie Willen um jeden und jede einzelne Stimme gegen den rechten Rand kämpfen.

Wir müssen es als gesellschaftspolitische Kräfte gemeinsam schaffen – mit unserer Sprache, unserer Ansprache – auch diejenigen zu erreichen, die heute nicht hier bei uns stehen, damit sie sich zukünftig gemeinsam mit uns sich für eine gerechtere Welt einsetzen:

Für ein Land das Schutzsuchende vernünftig unterbringt und integriert – nicht um der Humanressource willen, sondern weil es ein jeder Mensch wert ist.

Für ein Land, dass jungen Menschen Luft zum Atmen, zum Denken und zum Engagement lässt. Das soziale Sicherheit statt soziale Spaltung bietet.

Für ein Land, dass seinen Reichtum teilt und sich solidarisch zeigt – gegenüber denen die zu uns kommen und in einer solidarischen europäischen Union.

Für ein Europa, in welchem rechte Parolen und rechte Gewalt keinen Platz mehr haben, dafür aber Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit.

Für eine Welt, in der Konflikte nicht über Kriege ausgetragen werden, sondern über Diplomatie.

Wir glauben daran diese Welt verändern zu können, wir wollen sie besser machen.

Wenn sich was ändern soll, dann müssen wir Zeichen setzen, bei Demonstrationen, Ökumenischen Friedensgebeten, bei der Arbeit in der Geflüchtetenhilfe, durch politisches Engagement und vielem mehr… ihr zeigt Gesicht für Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit!

Wir müssen Bündnisse schließen mit all jenen die guten Willens sind – für eine solidarische, offene und pluralistische Gesellschaft und eine friedvolle Welt. Genau eines dieser Bündnisse organisiert diesen Ostermarsch. Ich wünsche Euch, dass dieses Bündnis noch lange überdauert – im Eintreten für eine bessere, friedvollere Welt! Gerade für diese Hoffnung auf eine friedvolle Welt, steht auch diese Osterzeit! Deshalb lasst mich euch an dieser Stelle ein frohes Osterfest wünschen und euch danken, dass ihr in Miesbach Gesicht zeigt!

 

Lisi Maier ist Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).