Redebeitrag von Propst Thomas Drope für den Ostermarsch Wedel am 15. April 2017

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 15.04., Redebeginn: ca. 12 Uhr –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Friede sei mit euch!“

welcher Gruß könnte besser zu einem Ostermarsch gesagt sein als dieser! Darum geht es uns ja: Frieden soll sein. Hier in Wedel wie überall auf der Welt.

Denn Krieg ist nie die Lösung!

Wir wissen es aus der Geschichte unseres Landes, das die ganze Welt zweimal in den Krieg gerissen hat.

Wir bekommen es heute in erschütternden Berichten aus Syrien zu sehen und zu hören:

Krieg ist wirklich nie die Lösung!

Nicht der Krieg des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung und nicht das Bomben der Koalitionen gegen Assad oder gegen die Rebellen oder gegen den IS.

Alle Angriffe am Boden und aus der Luft treffen weniger gewalttätige Kämpfer und Soldaten als vielmehr gänzlich Schutzlose: Kinder, Frauen, Kranke, Alte, die Zivilbevölkerung.

Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura schätzte vor einem Jahr, dass seit Beginn des Krieges in Syrien 400.000 Menschen allein dort getötet worden seien. Rund 11, 6 Millionen Syrerinnen und Syrer sind auf der Flucht:

7,6 Millionen im eigenen Land, 4 Millionen außerhalb ihres Landes (1).

Am Elend dieses Krieges ändern auch die US-Raketen auf einen Militärflugstützpunkt nichts, selbst wenn der Anlass (Chemiewaffeneinsatz) ein noch so abscheulicher ist in der Reihe der Verbrechen des Assad-Regimes.

Die Gefahr ist vielmehr, dass dieser Raketenangriff aus der vergangenen Woche eine weitere Drehung in der nach oben offenen Gewaltspirale bedeutet.

Irak, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Jemen: Es ist ein Irrtum zu meinen: Bomben, Raketen, Drohnen aus der Luft könnten Krieg und Leid der Zivilbevölkerung beenden, ein Feind besiegt und der Frieden hergestellt werden. Die vielen militärischen Aktionen in Afghanistan haben das Land nicht befriedet, noch die Taliban vertreiben und den internationalen Terrorismus beenden können. Aber viele Menschen, vor allem aus der Zivilbevölkerung sind umgebracht, verletzt und entwurzelt worden.

„Insgesamt sind in dem von George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausgerufenen globalen Krieg gegen den Terrorismus nach einem Bericht des „Bundeswehr-Journals“ aus dem Jahr 2015 mehr als eine Million Menschen ums Leben gekommen,“ schreibt der Journalist Stephan Richter vom shz-Verlag (2).

Wenn jetzt der US-Außenminister auf dem G7-Treffen in der letzten Woche betont, dass die USA ihre Rolle als Weltordnungsmacht wieder wahrnehmen wollten, ist das ein Grund zum Fürchten und nicht zur Hoffnung auf Frieden.

Wie glaubwürdig sind Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft, wenn nun auch der nächste US-Präsident ohne Legitimation der Vereinten Nationen und der Verfassungsorgane seines eigenen Staates Raketen als spontanes Mittel der Rache einsetzen kann?

Selbst wer innerlich vor Wut nach Rache schreit, weil er auf Bildern die vergifteten toten Kinder aus Syrien gesehen hat, muss sich im Namen der Zivilisation, in der wir leben wollen, doch an die vernünftigen, selbstgesetzten Regeln halten wollen, die die internationalen Verfahren zur Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorsehen. Gerade dann, wenn ein Regime diese Regeln offensichtlich mit Füßen tritt. Dann muss es mit allen Mitteln wirtschaftlich isoliert und in diplomatischen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges gedrängt werden. Dann darf es keine weitere Waffenunterstützung bekommen. Dann darf es keine Möglichkeit für seine Machthaber geben, ihre Bankkonten im Ausland zu füllen. Es gibt genug zivile Möglichkeiten, ein Land vom Krieg gegen die eigene Bevölkerung abzubringen, die auch in Syrien längst nicht alle ausgeschöpft worden sind.

Wo aber kommen wir hin, wenn ein Mensch mit der Macht dazu wie der amerikanische Präsident meint, ganz allein das Recht zur Bombardierung bestimmen zu können!? Selbst wenn ihm eine Mehrheit von Menschen auf der Welt zustimmen sollte, ist es dennoch falsch und bessert nichts. Es weckt in ihm nur die Gier nach mehr von dieser zweifelhaften Zustimmung. Und so sendet er schon die Kriegsschiffe seines Landes in Richtung Korea aus, um gegenüber Nordkorea Macht zu demonstrieren.

Was, wenn Nordkorea sich davon zu einer eigenen Machtdemonstration hinreißen lässt? Vor einigen Jahren für die meisten nur schwer vorstellbar, rückt damit ein Einsatz von Atomraketen wieder in den Bereich des Möglichen. Es wären schreckliche Folgen für die Welt, denn kein Krieg lässt sich auf einen bestimmten Raum begrenzen, schon gar nicht einer mit Atomwaffen.

Vor fünfhundert Jahren schon hat dies der Humanist Erasmus von Rotterdam im ersten europäischen Friedensappell so gesehen:

Der Krieg wird aus dem Krieg erzeugt, aus einem Scheinkrieg entsteht ein offener, aus einem winzigen der gewaltigste [...] Wo denn ist das Reich des Teufels, wenn es nicht im Krieg ist?... Es ist jetzt schon soweit gekommen, dass man den Krieg allgemein für eine annehmbare Sache hält und sich wundert, dass es Menschen gibt, denen er nicht gefällt [...] Wie viel gerechtfertigter wäre es dagegen, sich darüber zu wundern, welch’ böser Genius, welche Pest, welche Tollheit, welche Furie diese bis dahin bestialische Sache zuerst in den Sinn des Menschen gebracht haben mag, dass jenes sanfte Lebewesen, das die Natur für Frieden und Wohlwollen erschuf, mit so wilder Raserei, so wahnsinnigem Tumult zur gegenseitigen Vernichtung eilte. (3)

Nein, Krieg ist nie die Lösung.

Dies ist auch die Überzeugung der Ostermarschbewegung seit ihrem Beginn 1960. Sie sucht den Frieden. Proklamiert die Sehnsucht nach einer Welt ohne Waffen und Krieg.

„Friede sei mit euch. Shalom aleichem. Salam aleikum.“ Dieser biblische Wunsch verbindet bis heute die drei großen Religionen aus dem vorderen Orient: Juden, Christen und Muslime.

Die heiligen Schriften dieser drei Religionen tragen die Sehnsucht der Menschen nach Frieden für alle weiter.

Gerade auch weil ihre unterschiedlichen Verfasser zu allen Zeiten Mord und Krieg erlebt haben, ist ihre Sehnsucht nach umfassenden Frieden so stark.

Nach einem Frieden, der nicht nur die Abwesenheit von Krieg bedeutet. Nach einem Frieden, zu dem Gerechtigkeit gehört und Recht, das für alle gilt und jedem Menschen ein Leben in Würde ermöglicht.

Nur da, wo Friede und Gerechtigkeit sich küssen, können Menschen frei und ohne Angst leben.

Die Alten wussten aber auch: Menschen können sich gerade im Glauben an einen Gott, an eine höhere Sache, verrennen und verirren. Sie meinen dann, im Namen des Gottes ihrer Religion Krieg gegen andere Menschen führen zu müssen - bis zu ihrer Vernichtung.

Viele Jahrhunderte haben so auch die christlichen Kirchen, nachdem sie Staatsreligion geworden waren, den Krieg als berechtigte Möglichkeit staatlichen Handelns legitimiert. Sie beriefen sich dafür auf die augustinische Lehre vom „gerechten Krieg.“

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich durch die ökumenische Bewegung und den ökumenischen Rat der Kirchen eine Haltung zur Ächtung des Krieges unter dem Wort „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“ entwickelt.

In der Folge dieser Entwicklung ist das „Leitbild des gerechten Friedens“ entstanden. Es ist hergeleitet von der biblischen Bedeutung des Shalom: Heil-, Gesund- und Ganz-Sein, auf das jeder Mensch einen Anspruch hat und das eng verknüpft ist mit Gerechtigkeit und gelingendem Leben in Gemeinschaft.

Geleitet von dieser Vorstellung eines gerechten Friedens für die Welt haben sich 2016 Repräsentantinnen und Repräsentanten vieler Religionen, nicht nur christlicher, in Assisi zu einem Friedenskongress getroffen. Sie haben einen Friedensappell verabschiedet, aus dem ich hier zitieren will:

„Der Friede ist der Name Gottes. Wer den Namen Gottes anruft, um den Terrorismus, die Gewalt und den Krieg zu rechtfertigen, beschreitet nicht den Weg des Herrn: Der Krieg im Namen der Religion wird zu einem Krieg gegen die Religion selbst. Mit fester Überzeugung bekräftigen wir daher, dass die Gewalt und der Terrorismus dem wahren religiösen Empfinden widerstreiten.

Wir haben uns im Gebet an Gott gewandt, dass er der Welt den Frieden gebe. Wir erkennen die Notwendigkeit, beständig für den Frieden zu beten; denn das Gebet schützt die Welt und macht sie hell.

Wir haben auf die Stimme der Armen, der Kinder und der jungen Generationen gehört, auf die der Frauen und so vieler Brüder und Schwestern, die unter dem Krieg leiden. Mit ihnen rufen wir aus voller Kraft: Nein zum Krieg! Der schmerzvolle Schrei so vieler Unschuldiger bleibe nicht ungehört! Wir flehen zu den Verantwortlichen der Nationen, dass sie die Beweggründe für die Kriege entschärfen: die Gier nach Macht und nach Geld, die Begierde derer, die mit Waffen handeln, die Eigeninteressen, die Vergeltungssucht für Vergangenes. Möge der konkrete Einsatz, die zugrunde liegenden Ursachen der Konflikte zu beseitigen, erhöht werden: die Situationen der Armut, der Ungerechtigkeit und der Ungleichheit, die Ausbeutung und die Geringschätzung des menschlichen Lebens.

Möge endlich eine neue Zeit anbrechen, in der die globalisierte Welt eine Familie von Völkern wird. Möge sich die Verantwortung konkretisieren, einen wahren Frieden aufzubauen, der auf die echten Bedürfnisse der Menschen und Völker achtet, der den Konflikten mit der Zusammenarbeit zuvorkommt, der den Hass besiegt und die Schranken mit der Begegnung und dem Dialog überwindet. Nichts ist verloren, wenn man wirklich den Dialog praktiziert. Nichts ist unmöglich, wenn wir uns im Gebet an Gott wenden. Alle können „Handwerker“ des Friedens sein. (4)

Krieg ist nie die Lösung. Friede sei mit euch!

 

Thomas Drope ist Propst des Ev. Kirchenkreis Hamburg West/Südholstein.

 

Redebeitrag als pdf: https://www.kirche-hamburg.de/fileadmin/nachrichten/2017/04April/Ostermarsch_2017_Drope.pdf

Anmerkungen:

  1. Quelle: Auf dem Weg – Gerechtigkeit und Frieden, Materialheft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zum Sonntag Judika, 2. April 2017, Seite 6.
  2. Richter, Stephan, Die Waffenarsenale werden wieder aufgefüllt, Schleswig-Holstein Journal des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages, 18. Februar 2017, Seite 3.
  3. Erasmus von Rotterdam, Süß scheint der Krieg den Unerfahrenen, Quelle: Wikipedia-Artikel: Die Klage des Friedens.
  4. http://de.radiovaticana.va/news/2016/09/20/weltgebetstreffen_in_assisi_abschließender_friedensappell_/1259373