Redebeitrag von Alexander Kleiß für die Ostermarschaktion in Stuttgart am 30. März 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Wir sind heute hier, um ein Zeichen zu setzen für eine friedliche und solidarische Welt ohne Krieg und Militär!

Doch Krieg ist keineswegs etwas, das sich nur weit entfernt von uns abspielt – in Syrien, Mali oder Afghanistan – und an viel zu vielen anderen Orten weit weg von hier. Nein, viele dieser Kriege wären gar nicht möglich ohne die deutschen Rüstungskonzerne und die militärische Infrastruktur hier in Deutschland! Hier auf den Fildern!

Wir stehen hier zwischen dem Stuttgarter Flughafen und den Messehallen. Und ich sage euch: Wir stehen hier genau richtig, denn hier beginnt Krieg! In den Messehallen soll im Mai die Rüstungsmesse ITEC stattfinden. Wir möchten die ITEC hier nicht! Und wir möchten nirgendwo eine Messe, die Werbung macht für die neusten Militär- und Überwachungstechnologien!

Doch es ist leider kein Wunder, dass die ITEC dieses Jahr hier stattfindet. Viele Rüstungskonzerne fühlen sich hier in der Gegend pudelwohl. Da ändert auch die Tatsache, dass wir hier in Baden-Württemberg seit fast sieben Jahren einen „grünen“ Ministerpräsidenten haben, nichts daran!

Da gibt es zum Beispiel die Firma Thales, die ihren Hauptsitz nur ein paar Kilometer weiter entlang der A81 hat. Thales ist neben der Luft- und Raumfahrt v.a. auf militärische Kommunikations- und Informationssysteme spezialisiert und ist nach Rheinmetall wichtigster Sponsor der diesjährigen ITEC.

In Sichtweite des Thales-Hauptsitzes in Ditzingen unterhält der Mega-Konzern ATOS im benachbarten Weilimdorf neuerdings ebenfalls eine Niederlassung. ATOS ist auf Großkunden, also staatliche Behörden und Unternehmen, ausgerichtet und seine Aufgabe besteht hier in der Systemintegration, also der Abstimmung der verschiedenen Komponenten von Kommunikations- und Informationsnetzwerken aufeinander.

ATOS profitiert nicht nur von den klassischen Kriegen, sondern ATOS profitiert außerdem vom tödlichen Grenzregime der EU. ATOS liefert die Technologie für die Grenzüberwachung, die das Recht auf Bewegungsfreiheit der Migrantinnen und Migranten einschränkt. Wir brauchen ATOS und diese Technologien nicht, sondern offene Grenzen und Menschlichkeit!

Auch Daimler baut leider nicht nur Mercedes-Benz-Autos, sondern baut auch für das Militär Unimogs, Sattelzugmaschinen für Panzertransporter und Militär-LKWs. Autokraten und militaristische Hardliner weltweit freuen sich über militärtechnische Spitzenqualität – made im Schwobaländle. So wurden zum Beispiel die türkischen Panzer mit Fahrzeugen von Daimler an die Front nach Afrin transportiert.

Daimler hat auch beträchtliche Anteile an MTU in Friedrichshafen, deren Motoren in zahlreichen Waffensystemen verbaut sind.

Wir wollen keine Rüstungsproduktion! Wir wollen nicht, dass in unserer Nachbarschaft Waffen produziert werden oder irgendetwas anderes, was in Kriegen dafür eingesetzt wird, um Menschen umzubringen. Wir wollen nicht, dass Dinge zerstörerischer Natur produziert werden, sondern Güter, die Menschen helfen.

Doch nicht nur die Messe und die Rüstungskonzerne in der Gegend, auch der Stuttgarter Flughafen leistet seinen Beitrag zum Morden in aller Welt. Dieser Flughafen hat eine lange militärische Geschichte, die sich bis in den Nationalsozialismus zurückverfolgen lässt. Bis heute wird ein beträchtlicher Teil des Flughafens militärisch genutzt. Auf der anderen Seite des Flughafens – dort drüben – befindet sich das US Army Field, das vom US Army Special Operations Command betrieben wird. Von dort aus werden Waffen nach Afrika, in den nahen Osten und nach Osteuropa transportiert. Der Flughafen wird auch genutzt, um die US-Special Forces schnell an ihre jeweiligen Einsatzorte zu bringen. Diese Spezialkräfte kämpfen an vorderster Front, teils hinter den gegnerischen Linien und sie bringen Menschen um, die sie des Terrors verdächtigen. Es gibt keine Unschuldsvermutung. Weit weg von den ach so zivilisierten, liberalen Demokratien praktizieren genau diese liberalen Demokratien die Todesstrafe. Ohne den militarisierten Stuttgarter Flughafen wäre das nicht so reibungslos möglich!

Doch das ist noch lange nicht alles! Gut 5 Kilometer nördlich von hier – hinter der Autobahn – befinden sich die Kelley Barracks. Dort ist seit 2007 das US-Oberkommando für Afrika, das AFRICOM untergebracht. Von dort aus werden nicht nur zahlreiche Operationen der US-Army in Libyen, West- und Zentralafrika, sondern auch tödliche Drohneneinsätze u.a. in Somalia koordiniert.

Ebenfalls nur wenige Kilometer von hier – bei Vaihingen – befindet sich das EUCOM. Das EUCOM ist das europäische Äquivalent zum AFRICOM. Es ist das Oberkommando der US-Streitkräfte für Europa und das russische Territorium.

Und ebenfalls nur 10 Kilometer von hier – in westlicher Richtung – erstrecken sich im Böblinger Wald großflächig die Baracken der US-Spezialkräfte, die wahlweise unter dem Kommando des EUCOM oder des AFRICOM eingesetzt werden können.

Doch nicht nur US-amerikanisches Militär ist in der Gegend präsent.

Im Waldgebiet zwischen Böblingen und Vaihingen, das fast nur durch die Autobahnen A8 und A81 durchschnitten wird, befinden sich weitere militärische Einrichtungen, darunter ein Schießstand der Bundeswehr und die Kampfmittelbeseitigungsanlage des Landes Baden-Württemberg.

Blickt man von dort aus noch einmal 20 Kilometer nach Westen, landet man in Calw. In Calw befindet sich die Graf-Zeppelin-Kaserne, in der die Eliteeinheit der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte – kurz: KSK –, stationiert ist. Das KSK kämpft häufig gemeinsam mit den US-amerikanischen Spezialkräften und agiert ähnlich. Wegen der strengen Geheimhaltung ist eine Kontrolle des KSK durch das Parlament oder die Öffentlichkeit so gut wie nicht möglich.

Das KSK wird nicht nur in Calw, sondern auch an vielen anderen Orten in Deutschland und im Ausland für den Krieg ausgebildet. So trainiert das KSK momentan gemeinsam mit den US-Spezialkräften Absprünge aus Flugzeugen und Hubschraubern auf einem Militärgelände bei Renningen – auch nicht einmal 30 km von hier.

Weil an Stelle dieses Militärgeländes nun ein Forschungscampus der Firma Bosch entstehen soll, möchte sich das KSK nun einen bisher zivil genutzten Segelflugplatz in Haiterbach bei Nagold unter den Nagel reißen, um dort weiterhin mit den US-Spezialkräften für den Krieg zu üben.

Doch die Bevölkerung in Haiterbach möchte dieses Militärgelände nicht. Bei einem Bürgerentscheid sprachen sich mehr als 60% gegen das KSK-Absprunggelände aus. Das Verteidigungsministerium möchte das Gelände trotzdem realisieren – notfalls gegen den Willen der Gemeinde. Wenn die Eigentümer*innen der dafür benötigten Flächen nicht freiwillig verkaufen, sollen sie enteignet werden! Das ist eine Unverschämtheit!

Doch der Flugplatz in Haiterbach ist nicht das einzige neue Militärgelände für die Spezialkräfte. In Hardheim, im Norden Baden-Württembergs wird momentan ein Special Operations Component Command der NATO aufgebaut. Dabei handelt es sich um ein militärisches Zentralkommando, von dem aus Spezialkräfte mehrerer NATO-Staaten im Einsatz befehligt werden sollen. Hierfür wurde eine bereits stillgelegte Kaserne reaktiviert! Die Aufrüstung der Spezialkräfte ist in vollem Gange!

Weg mit all diesen Militärbasen! Wir wollen keine neuen Militärbasen, sondern endlich eine zivile Nutzung all dieser Militärflächen!

War starts here!

Let's stop it here!

Dankeschön!

 

Alexander Kleiß ist aktive bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI).