Redebeitrag von Anja Weber für den Ostermarsch Ruhr in Dortmund am 2. April 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
viele von Euch und Ihnen sind nun drei Tage gelaufen. Sie haben drei Tage lang dem Frieden eine Stimme gegeben und ihm lautstark Gehör verschafft. Danke an alle, die mitgelaufen sind. Danke an die Menschen, die auch in diesem Jahr wieder zu den Kundgebungen gekommen sind und deutlich gemacht haben: Wir wollen die Welt sicherer machen. Wir wollen nicht Krieg sähen, sondern Antworten finden, die Frieden schaffen:

Wir wenden uns entschieden gegen eine Aufstockung der Militärhaushalte.

Wir machen uns für eine restriktive Rüstungsexportpolitik stark. Deutschland liefert derzeit so viele Waffen in Krisengebiete wie noch nie. Dieser Wahnsinn muss endlich aufhören!

Wir wollen, dass auch Deutschland den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnet, wie es bereits 130 Staaten getan haben. Heute existieren auf der Welt noch etwa 15.000 Nuklearwaffen, das sind 15.000 zu viel.

Wir sind dagegen, dass der Friedensnobelpreisträger Europäische Union ein Militärpakt wird. Wir wollen, dass Europa ein Vorreiter wird für friedliche Konfliktlösung.

Und wir möchten verhindern, dass die Kriegsführung durch Kampfdrohnen technisch verfeinert wird. Wir wollen, dass Techniken und Fähigkeiten zur Friedensfindung entwickelt und ausgebaut werden!

Es ist 35 Jahre her, dass ich auf meiner ersten Ostermarschkundgebung gesprochen habe. Damals, 1983, stand ich als Studentin auf dem Marktplatz in Marburg, von wo aus der Ostermarsch nach Frankfurt startete.

Ein paar Monate später begann die zweitägige Bundestagsdebatte, an deren Ende – gegen massiven Protest der Friedensbewegung – die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland beschlossen wurde. Vier Jahre lang verging kaum ein Tag, an dem wir nicht demonstriert haben. Auch wenn das konkrete Ziel nicht erreicht wurde, wir haben es geschafft, die Republik zu verändern!

Die große Friedensbewegung der 80er Jahre hat in mir die tiefe Überzeugung verankert, dass es möglich ist, Mehrheiten für eine andere Politik zu gewinnen. Gemeinsam mit vielen andern haben wir damals deutlich gemacht, dass eine Fortsetzung des Wettrüstens und des Kalten Krieges nicht akzeptabel ist. 100.000e von Menschen wurden motiviert dafür einzutreten, dass ein „weiter so“ keine Lösung ist.

Ich wünsche mir, dass wir die Kraft und Stärke der 80er Jahre zurückgewinnen und wir nicht nur bei den Ostermärschen lautstark deutlich machen: Wir wollen eine friedliche Welt! Wir dürfen die Lösung von Konflikten nicht im Militärischen suchen!

In den USA erleben wir in diesen Tagen, wie hunderttausende junge Menschen gegen Waffengewalt auf die Straße gehen. Ihnen geht es weniger um ein internationales Wettrüsten, sondern um schärfere Waffengesetze in den USA. Der letzte Amoklauf in Parkland, Florida, hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht und ungeahnte Kräfte mobilisiert. Auch wenn der Anlass ein anderer ist, die Grundhaltung dieser jungen Amerikanerinnen und Amerikaner ist dieselbe wie unsere: Die richtige Antwort auf Waffengewalt ist nicht mehr, sondern weniger Waffen! Ich wünsche mir, dass diese jungen Menschen mit ihrem Protest Erfolg haben und sich viele weitere anschließen. Denn nur gemeinsam wird es gelingen, der Waffenlobby die Stirn zu bieten und die Regierung Trump zum Handeln zu zwingen. Und ich wünsche mir, dass etwas von dieser Energie von den USA zu uns rüber schwappt und sich auch hier eine breitere Masse unserem Friedensprojekt anschließt.

Denn die Welt wird nicht nur zunehmend von Kriegen und Krisen erschüttert, sie rücken auch immer näher an uns heran. Der Nahe Osten, Syrien, Irak und Jemen, wo seit Jahren täglich Menschen sterben, liegt nur wenige Flugstunden von uns entfernt. Wir können und wir dürfen nicht so tun, als ginge uns das nichts an. Wer so tut, als wäre es damit getan, die Grenzen zu schließen und Europa immer weiter abzuschotten ist nicht nur herzlos, sondern auch sehr naiv.

Aber nicht nur die vielen Krisenherde auf der Welt machen mir Sorgen, sondern auch die scharfe Rhetorik vieler Politiker. Für Erdogan oder Trump geht es nicht um das Einende, nicht darum zu versöhnen, sondern darum, einseitig Interessen durchzusetzen. Freund- und Feindbilder werden entworfen und Zwietracht in der eigenen Bevölkerung und mit anderen Nationen gesät. Und auch bei uns sind Hass und Hetze keine Randphänomene mehr, rechtspopulistische Kräfte versuchen, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Diesen Bewegungen müssen wir uns klar entgegenstellen. Der niederländische Philosoph Spinoza formulierte einst folgenden Gedanken:

„Friede ist nicht Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen, Gerechtigkeit.“

Wer Frieden will, muss Verbindendes herausstellen anstatt ab- und auszugrenzen. Wer Frieden will, muss auf friedliche Konfliktlösung setzen, statt aufzurüsten. Das gilt sowohl für Worte als auch für Taten.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
der DGB in NRW vereint mit seinen 8 Mitgliedsgewerkschaften rund 1,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in NRW. Unsere Bezirkskonferenz hat sich im Dezember einstimmig und klar positioniert:

„Deutschland braucht mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung. Dazu gehören vor allem ein fairer Welthandel, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.

Das 2 Prozent-Ziel der Nato-Mitgliedsstaaten lehnen wir entschieden ab, es würde fast eine Verdoppelung des Militäretats bedeuten!“

Auch wenn viele sagen, der Drops sei mit dem Koalitionsvertrag gelutscht: Wir werden dranbleiben! Wir werden nochmal die Initiative ergreifen und die Bundestagsabgeordneten aus NRW auffordern, sich für eine stärkere und bessere Kontrolle von Waffenexporten einzusetzen und für verstärkte zivile Strategien zur Friedenssicherung. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Haushaltsmittel, die wir dringend zum Ausbau von Kitas und Schulen, für Lehrerinnen und Lehrer, für Sozialarbeiter und für die Schaffung eines Sozialen Arbeitsmarktes benötigen, in die Rüstung investiert werden!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben das große Glück, dass wir hier in der Mitte Europas seit 70 Jahren in Frieden leben. Aber Frieden ist nicht selbstverständlich, er muss immer wieder neu erarbeitet werden. Und dabei ist jede und jeder von uns gefordert. Wir erleben derzeit, dass in vielen Ländern die Europäische Union infrage gestellt und die nationalen Interessen nach vorne geschoben werden. Hier müssen wir sehr wachsam sein. Es stimmt: Die Europäische Union ist nicht fehlerlos. Sie muss demokratischer und sozialer werden. Aber abgeschafft werden darf sie auf keinen Fall. Sie sichert uns seit dem zweiten Weltkrieg Frieden und Freiheit in Europa und in Deutschland eine Menge Wohlstand. Dieses einzigartige Projekt dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Für ein besseres und gerechteres Zusammenleben brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa.

Demokratie ist kein Zuschauersport, bei dem man auf der Tribüne sitzt, Foul ruft, vom Platz „du Tölpel“ schreit und rausgeht, wenn man keine Lust mehr hat. Demokratie braucht das aktive Einmischen und Eintreten für Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit (ich sage es auch, hier, d.h. auch das Eintreten in die Gewerkschaft). Demokratie braucht eine Konfliktkultur, in der wir Unterschiede mit Wertschätzung und Respekt aushalten und austragen. Das muss auch das Ziel einer europäischen Friedenspolitik sein.

Jehuda Amichai, ein in Würzburg geborener israelischer Dichter, bringt in einem kurzen Gedicht auf den Punkt, worum es –nicht nur, aber auch - geht:

Der Ort, an dem wir Recht haben

 

An dem Ort, an dem wir recht haben,

werden niemals Blumen wachsen

im Frühjahr.

 

Der Ort, an dem wir Recht haben,

ist zertrampelt und hart

wie ein Hof.

 

Zweifel und Liebe aber

lockern die Welt auf

wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.

 

Und ein Flüstern wird hörbar

an dem Ort, wo das Haus stand,

das zerstört wurde.

 

Also: Lasst uns zweifeln und um Positionen streiten. Aber immer mit Respekt und immer friedlich. Lasst uns zivile Konfliktlösungen stärken. Denn nur wer Frieden säht, kann auch Frieden ernten. Ich wünsche euch noch einen schönen Ostermontag.

Glück auf!

 

Anja Weber ist Vorsitzende des DGB NRW.