Redebeitrag von Arno Gottschalk für den Ostermarsch Bremen am 31. März 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensbewegte!

In den zurückliegenden Tagen haben nicht wenige wieder gefragt:

Ist es noch zeitgemäss, an Ostern für Frieden und Abrüstung zu demonstrieren?

Müssen wir uns wirklich ernsthaft Sorgen machen um den Frieden in Europa?

Und: Ist es insbesondere auch unsere eigene Regierung, die wir mahnen müssen, mehr für eine Politik der Vernunft, der Entspannung und der Abrüstung zu tun?

Wir stehen hier, weil wir alle drei Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten! Und dafür haben wir auch handfeste Gründe.

Wir erleben gerade eine Eskalation der Spannungen mit Russland, die uns den Kopf schütteln lässt, die aber große Sorgen bereitet.

Der britische Außenminister Boris Johnson sieht die konzertierte Ausweisung von Diplomaten bereits als einen „Wendepunkt“ in den Beziehungen zu Russland.

Ein Wendepunkt - aber wohin?

Kommentatoren in den Leitmedien sprechen vom Weg in eine neue Eiszeit. Aber das scheint mir der falsche Begriff zu sein. Eis friert ein. Tatsächlich haben wir es aber mit einer Entwicklung zu tun, die brandgefährlich ist und die explosiv werden kann!

Statt den Konflikt mit Russland weiter anzuheizen, brauchen wir jetzt das Gegenteil.

Wir brauchen Vernunft - statt Paranoia!

Wir brauchen Deeskalation - statt weiterer Eskalation!

Und wir brauchen friedliche Lösungen für Konflikte - statt eines neuen Rüstungswettlaufs und einer neuerlichen Politik des Säbelrasselns!

Deutschland ist das einflussreichste Land in der Europäischen Union. Und es hat eine besondere, traurige und beschämende Geschichte mit Russland. Es hat deshalb auch eine besondere Pflicht, seinen Einfluss für ein friedliches Miteinander einzusetzen.

Von unserem Land muss deshalb eine neue Politik der Entspannung ausgehen!

Das betrifft den aktuellen Konflikt, in dem Vernunft und Mäßigung gefordert sind. Es betrifft aber noch mehr die weitere Zukunft des Friedens in Europa.

Was bedeutet eine neue Politik der Entspannung konkret?

  • Erstens: Ein klares Nein zu der NATO-Forderung, die Militäretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes hochzufahren. Militär und Rüstung dürfen keinen Vorrang vor zivilen Ausgaben und Aufgaben erhalten.
  • Zweitens: Die verstärkte europäische Zusammenarbeit bei Militär und Rüstung (PESCO) darf nicht zu einem Deckmantel werden – weder für die von den USA geforderte Stärkung des europäischen NATO-Pfeilers, noch für eigene militärische Großmachtambitionen der Europäischen Union.

Die Souveränität der Europäischen Union muss die Souveränität einer Friedensmacht sein, die nicht auf militärische, sondern auf zivile Konfliktlösungen setzt!

  • Und drittens: Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland müssen beendet werden. Diese Sanktionen sind nicht nur wirkungslos. Sie sind ökonomisch und politisch kontraproduktiv. Denn sie fördern auf russischer Seite nur jene Kräfte, die nicht an die friedliche Kooperation mit Westeuropa glauben.

Das alles sind nicht nur meine eigenen, persönlichen  Positionen. Es sind die beschlossenen Positionen der Bremer SPD!

 

Liebe Friedensbewegte,

lassen Sie mich zum Abschluss den Blick noch weiter schweifen. Wir erleben derzeit den Versuch, von China bis Westeuropa eine neue Seidenstraße zu schaffen. Das ist ein kühnes und gigantisches Vorhaben – ein Projekt für eine intensivere Zusammenarbeit über einen ganzen Doppelkontinent hinweg – von Xian über Moskau bis Duisburg und Rotterdam. Dieses visionäre Projekt kann nicht in einem Klima militärischer Spannungen und wirtschaftlicher Boykotte gedeihen. Es braucht Frieden und Vertrauen – und genau das muss die Vision für das 21. Jahrhundert sein.

Lasst uns deshalb alles daran setzen, dass auch von West nach Ost die Hand gereicht wird: für Frieden, Entspannung und die gemeinsame Lösung unserer globalen Probleme!

Willy Brandt hat einmal gesagt: Frieden ist noch nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen frohe, friedliche und engagierte Ostertage!

 

Arno Gottschalk ist Abgeordeneter der Bremischen Bürgerschaft (MdBB) für die Fraktion der SPD.