Redebeitrag von Gertrud Roth für den Ostermarsch Gronau am 30. März 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

als ich kürzlich gefragt wurde, ob ich auch in diesem Jahr für die kfd (Kath. Frauengemeinschaft Deutschland) beim Auftakt der Ostermärsche in Gronau ein paar Sätze spreche, habe ich gern zugesagt. Aber es ist gar nicht so leicht, zur immer noch gleichen Atomproblematik immer wieder neue Gedanken zu entwickeln.

Ich möchte beginnen mit ein paar Auszügen aus dem Buch „Nächste Ausfahrt Zukunft“ von Ranga Yogeshwar.  Er schreibt:

Die Träume unserer Väter:

Unsere Väter hatten große Träume. Ihre Welt brachte viele Wunder hervor:

Technikwunder, medizinische Wunder. Der Mensch transplantierte erstmals ein Herz, erfand neue Kunststoffe, setzte seinen Fuß auf den Mond, nahm die Musik im Transistorradio mit in den Urlaub und konnte sogar künstliche Lebensmittel herstellen.  (S. 114)

Das friedliche Atom sollte den wachsenden Energiehunger der Gesellschaft stillen – für immer. (S. 114)

Diese Unbekümmertheit gegenüber der einstigen Zukunftstechnologie ging verloren, und aus Zuversicht wurde nachhaltiger Zweifel. Aus Mut wurde Angst, und das einst strahlende Atom wurde zur gefühlten Bedrohung. Aus dem Traum wurde ein Albtraum mit Protesten, Demonstrationen und Blockaden. Die Entsorgung und Endlagerung des Brennstoffs, die Unsichtbarkeit der Strahlung, die Gefahr nuklearer Bomben, die Angst vor dem GAU: Das Atom spaltete die Generationen, und an die Stelle des Fortschrittsglaubens traten Sorgen und Ängste.

Und dann kamen Tschernobyl und später die Katastrophe von Fukushima. Aus einstigen Helden wurden Aussätzige, das Märchen der sicheren Unerschöpflichkeit endete in der makabren Realität von Sperrzonen, verlassenen Dörfern und strahlenden Sarkophagen. (S. 116)

Die säkulare Gesellschaft kann die Probleme nicht auf einen göttlichen Plan schieben, sondern muss sich selbst daranmachen, Lösungen zu finden.

Ja, die Herausforderungen, vor denen wir stehen,  sind gewaltig, doch wir sollten dabei eines bedenken: Die Menschheit ist erwachsen geworden! (S. 119)

Soweit Ranga Yogeshwar

Wir verdanken der Forschung, neuen Entwicklungen und Erfindungen viele Dinge, die unser Leben leichter und angenehmer machen.

Oft stellt sich erst später heraus, dass vieles davon auch großen Schaden anrichtet, der nicht oder kaum wieder rückgängig gemacht werden kann.

Luft- und Wasserverschmutzung, Lebensmittelvernichtung, Plastikmüll in der Natur und Mikroplastik in allen Gewässern, Verlust der Artenvielfalt, Gentechnik, Klimawandel und natürlich die Gefahren durch die  Atomenergie und die weltweit ungelöste Lagerung von Atommüll.

Das sind nur ein paar Beispiele; es gibt noch vieles mehr.

Dazu gehört auch die Urananreicherung hier in Gronau: es ist kein Ausstieg, solange von hier weltweit immer weiter Atomkraftwerke beliefert werden – noch dazu möglicherweise mit atomwaffenfähigem Tritium.

Dazu gehören auch die geplanten Transporte der Castoren aus Jülich und der hochradioaktiven Brennelemente aus dem Forschungsreaktor in Garching nach Ahaus. Wenn wir wissen, dass jedes dieser Brennelemente genug Material für eine Atombombe enthält, ist das sehr beunruhigend und vor allem unverantwortlich.

Wir Menschen sind die einzige Spezies, die den eigenen Lebensraum zerstören können – und das auch ziemlich erfolgreich tun.

Es ist nicht zu fassen, dass es trotz aller bekannten Gefahren kein Umdenken und entsprechendes Handeln gibt, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen.

Es darf kein „Weiter so“ geben.  

Wir können nicht so tun, als wenn wir schon alles in den Griff bekommen würden.

Wir hinterlassen unseren Kindern, Enkelkindern und noch vielen weiteren Generationen ein furchtbares Erbe.

Die schrecklichen Auswirkungen der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima zeigen deutlich die grausame und tödliche Realität für Menschen und Umwelt und das für viele zukünftige Generationen.

Wir leben nicht lange genug, um die Folgen unseres Handelns selbst zu spüren.

Das gilt für jeden einzelnen, aber vor allem auch für die Politik, für die  Entscheidungsträger und diejenigen, die immer noch an der Atomenergie festhalten oder sie sogar neu anstreben  – weil sie viel daran verdienen oder aus welchen Gründen auch immer.

Wir alle tragen die Verantwortung für heute, morgen und übermorgen.

Und niemand darf sich davor drücken.

 

Gertrud Roth ist aktiv bei der Kath. Frauengemeinschaft Deutschland (KFD) in Ahaus.