Frieden statt „Zeitenwende“

Seit mehr als einem Jahr herrscht nun Krieg in der Ukraine. Den Angriff Russlands auf das Land hat Bundeskanzler Scholz als Anlass genommen, eine „Zeitenwende“ auszurufen. Tatsächlich hat aber gar keine Wende stattgefunden, sondern nur eine Verstärkung einer schon vorher bestehenden Politik der Aufrüstung und Konfrontation. Allerdings hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine der Ampelkoalition die Möglichkeit gegeben, Bedenken gegen einen gigantischen Militäretat der 100 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, beiseitezuschieben.

Dass es schon vor dem russischen Überfall völkerrechtswidrige Kriege auch des Westens gab – Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien – wird dabei von Regierung, CDU/CSU und weiten Teilen der Medien ebenso unter den Teppich gekehrt, wie die Vorgeschichte des Krieges seit 2014. Die Grenzen der viel beschworenen „westlichen Werte“ zeigt das Schweigen von Bundesrepublik und EU nach dem Angriff Aserbaidschans auf Armenien oder dem Krieg der Türkei gegen die Kurden im Norden Syriens (Rojava).

Versagt hat die militärische Machtpolitik

Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Den größten Teil der Verantwortung für den Krieg in der Ukraine trägt Russland durch den völkerrechtswidrigen Angriff am 24.2.2022. Mit verantwortlich ist aber auch die Ukraine selbst durch die Nichtbefolgung des Minsk-II-Abkommens, sowie Frankreich und Deutschland als Vertragspartner, die hier bewusst keinen Druck auf die Ukraine ausgeübt haben. Die Erweiterung der NATO nach Osten und die enorme Aufrüstung des westlichen Militärbündnisses haben Russland nicht vom Angriff auf die Ukraine abgehalten, sondern waren sogar mit ein Auslöser für den Krieg. Angesichts des Leids und der Zerstörung in der Ukraine müssten nun alle politischen Anstrengungen und auch öffentlichen Debatten das Ziel verfolgen, den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Das ist aber nicht der Fall: Es werden immer mehr und immer zerstörerische Waffen in den Krieg gepumpt und die Bedingungen für Verhandlungen werden in nicht zu erfüllende Höhen geschraubt – von allen Seiten. Nachdenkliche oder mahnende Stimmen, auch aus der Friedensbewegung, werden moralisierend verurteilt, Pazifist* innen beschimpft.

Heribert Prantl, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, schreibt dazu in einem Kommentar für den NDR: „Es ist fatal und unendlich töricht, dass hierzulande schon die Wörter "Waffenstillstand", "Friedensappell" und "Frieden" als anrüchig gelten, wenn sie im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine gebraucht werden. Es ist fatal, wenn das Werben für eine diplomatische Offensive fast schon als Beihilfe zum Verbrechen bewertet wird.“

Verhandeln statt kämpfen

Waffen zu liefern, anstatt Wege zu einem Verhandlungsfrieden zu suchen, ist falsch. Sie verlängern den Krieg, mehr Menschen werden getötet oder verletzt, die Zerstörung von Wirtschaft und Infrastruktur in der Ukraine geht weiter. Echte Solidarität ist die Rettung von Menschenleben und die Aufnahme von Geflüchteten. Zudem müssen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland und der Ukraine problemlos einreisen können und Asyl in der EU erhalten. Die AFI begrüßt die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der EU. Die rassistische Ausgrenzung von Flüchtenden mit anderer Nationalität an den EU-Grenzen muss gestoppt werden.

Nur Diplomatie, Dialog und Kooperation können den Krieg in der Ukraine durch gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen allen Beteiligten – auch der NATO gegenüber Russland – beenden. Dabei müssen die Interessen aller Menschen auf dem Gebiet der Ukraine berücksichtigt werden, auch denen im Osten des Landes und auf der Krim. Statt mit Hunderten Milliarden Euro für das Militär die Konfrontation mit Russland und auch China zu verstärken, sollte das Geld in weltweite Investitionsprogramme für Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung investiert werden. Die Klimakatastrophe kann nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Länder abgewendet werden – ohne China und Russland geht es nicht. Gleichzeitig müssen Verhandlungen über Rüstungskontrollen, Abrüstung und die Abschaffung von Atomwaffen wieder aufgenommen werden. Die Gefahr eines Atomkrieges durch eine Eskalation des Krieges in der Ukraine ist heute so groß wie niemals seit der Kuba-Krise 1962.

Rüstungsexporte beenden!

Im vergangenen Jahr hat die Regierung aus SPD, Grünen und FDP Rüstungsexporte für mehr als acht Milliarden Euro genehmigt, die zweithöchste Summe in der Geschichte der Bundesrepublik. Etwa ein Viertel davon waren
Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Rest ging in andere Länder, darunter Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Für Jürgen Grässlin, Sprecher der Aktion Aufschrei und Bundessprecher
der DFG-VK zeigt sich hier die Heuchelei der Bundesregierung: „Während sie von mehr Restriktionen, Menschenrechten und Kontrolle spricht, genehmigt sie zugleich Kriegswaffentransfers an menschenrechtsverletzende und
kriegführende Regierungen.“ Die AFI ist Teil der Aktion Aufschrei und unterstützt deren Forderung nach einem Verbot aller Rüstungsexporte.

 

Kontakt: Augsburger Friedensinitiative (AFI), Klaus Länger, eMail: info [at] augsburger-friedensinitiative [dot] de, http://www.augsburger-friedensinitiative.de