Redebeitrag für den Ostermarsch Ingolstadt am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir stehen aktuell vor einer Weggabelung, sowohl im Ukraine-Krieg wie auch in der globalen Menschheitsentwicklung.

Zunächst zum Ukraine-Krieg: In der deutschen Politik, befeuert von medialem Trommelfeuer, werden Waffenlieferungen an die Ukraine als alternativlos dargestellt. Dieses wird uns verkauft als notwendige Solidarität mit der Ukraine gegen russische Kriegsverbrechen.

Richtig daran ist, dass – wie bei jedem Krieg – von beiden Seiten Kriegsverbrechen begangen werden. In einem Umfang der durch mediale Propaganda als Teil der Kriegsführung aktuell nicht durchschaubar ist. Was wir aber wissen sollten: Die geplante Belieferung der ukrainischen Armee mit Uranmunition aus Großbritannien wird schwerste Kriegsverbrechen hervorrufen. Schließlich hat deren Einsatz in vorausgegangenen Kriegen im Irak 1991 und 2003 sowie im Kosovo 1999 dort zu großflächiger Umweltverseuchung und gesundheitlichen Schäden mit Langzeitwirkung geführt. Kriegsverbrechen, die bis heute von der USA und den NATO-Staaten geleugnet werden.

Doch auch ohne einen Einsatz von Uranmunition sind die Umweltbelastungen durch diesen Krieg gigantisch. 20.000 Granaten kommen pro Tag von russischer Seite zum Einsatz, auf der Gegenseite sicherlich in ähnlicher Größenordnung. Auch große Teile der Bevölkerung, die nicht durch direkte Kriegseinwirkungen betroffen sind, werden deshalb gesundheitliche Langzeitbelastungen zu spüren bekommen.

Solidarität mit der Ukraine ist deshalb notwendig, muss aber heißen, dass sofortige Schritte zur Beendigung dieses Krieges auf diplomatischen Wege eingeleitet werden.

Tagtäglich wird in irgendwelchen Stellungnahmen der russische Angriffskrieg verurteilt. Gleichzeitig werden aber Kriegsverbrechen von NATO-Staaten wie 1999 auf dem Balkan oder 2003 im Irak auch nach mehr als 20 Jahren nicht als solche benannt und die Jahrestage weitestgehend übergangen, an denen diese illegalen Kriege begonnen wurden.
Die Doppelmoral mit sogenannten westlichen Werten hat derzeit Hochkonjunktur!

Wobei es sich bei den genannten Beispielen um Regionen handelt, die bis heute von zerstörten staatlichen Strukturen und weiteren Konflikten geprägt sind. Weitere Länder seien hier nur als Stichworte genannt: Libyen, Syrien, Israel und Palästina und der Jemen. Befeuert wurden und werden diese Konflikte durch militärische Interventionen und Waffenlieferungen. Insofern kann der Ukraine-Krieg nur mit einem Tunnelblick als Zeitenwende bezeichnet werden.

Eine tatsächliche Zeitenwende stellt jedoch ein ganz anderes Ereignis dar, das kürzlich für weltweite Aufmerksamkeit sorgte. Unter Vermittlung von China kam es zu einer diplomatischen Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Iran, den beiden Haupt-Kontrahenten in der Krisen- und Kriegsregion Mittelost. Direkt und indirekt sind diese beiden Länder vor allem an dem mörderischen Jemen-Krieg und der dortigen humanitären Katastrophe beteiligt.

China betreibt nicht nur in dieser Region eine glaubwürdige Diplomatie durch Distanz zu den jeweiligen Konfliktparteien. Hoffnungen auf weitere diplomatische Durchbrüche auch zur Beendigung des militärisch sinnlosen Stellungskrieges in der Ukraine sind deshalb berechtigt.

Leider werden diese positiven Entwicklungen in der deutschen Politik und den Leitmedien nicht gewürdigt. Schließlich wird ja fleißig an dem neuen Feindbild China gearbeitet, weil China von den USA als Hauptbedrohung ihrer globalen Hegemonie erkannt worden ist und die deutsche Politik sich dabei in Vasallentreue zeigt.

Diplomatie im Sinne einer globalen Zusammenarbeit ist aber nicht nur zur Beseitigung von zahlreichen regionalen Konfliktherden sowie der Vermeidung einer globalen und letztlich nuklearen Eskalation notwendig. Wer die parallel dazu anstehende Bedrohung durch die umfassende planetare Umweltkrise Ernst nehmen will, muss unsere eigene Spezies auch als globale Menschheitsfamilie begreifen.
Das heißt, ohne globale und allumfassende Kooperation und Völkerverständigung ist die Menschheit früher oder später durch einen Atomkrieg oder die Klimakatastrophe zum Untergang verdammt!

Was heißt all das aber für uns, die wir hier und heute für friedliche Konfliktlösungen und globale Kooperation demonstrieren?

In Deutschland sind wir als Friedensbewegung in den letzten Wochen und Monaten wieder deutlich stärker geworden, trotz Diffamierungen in bisher ungeahnter Weise. Dabei erfolgen Einschüchterungen mit Kampfbegriffen wie „rechtsoffen“ und „verschwörungstheoretisch“.

Doch zu fragen ist: Erfolgt die Diffamierungskampagne nicht gerade deshalb, weil die von der Politik beschworenen „westlichen Werte“, „Demokratien gegen Autokratien“ und „regelbasierte Ordnung“ nur inhaltslose Worthülsen darstellen? Ist das nur ein Symptom für fehlende Zukunftsperspektiven, wie es insbesondere von der jungen Generation zunehmend wahrgenommen wird?

Wenn aktuell in den Leitmedien durch Überschriften wie „Generation Ostermarsch“ darauf hingewiesen wird, dass vor allem die Älteren auf die Straße gehen, muss das nicht als Schwäche angesehen werden.
Es sind vor allem die älteren Ostermarschierer, die sich treu geblieben sind, während viele Politiker wie z.B. „Kanonen-Toni“ Hofreiter ihre früheren Überzeugungen entsorgt haben!

Wenn ich selbst hier für die „alte“ Friedensbewegung spreche, dann auch als Weckruf für diejenigen unter uns, die ihre eigene Vergangenheit in wesentlichen Teilen vergessen haben. Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es bei uns nicht nur eine massenhafte Friedensbewegung, sondern auch einen offenen Debattenraum. Kommunisten und Antikommunisten kamen zusammen und selbst einzelne Friedensbewegte aus der CSU. Diese politisch-gesellschaftliche Bandbreite galt früher auch für Organisationen mit geschichtlichen Wurzeln im Antimilitarismus.

Ein bekanntes Sprichwort lautet: „Menschen, die ihre Geschichte nicht kennen, sind dazu verdammt sie zu wiederholen.“ Wir müssen das auch auf Schlüsseljahre der deutschen Geschichte wie 1914 und 1933 beziehen. Das heißt: Historisches Bewusstsein ist ein Schlüsselelement unseres aufklärerischen Ansatzes.

Der Rückblick auf 1914 heißt: Noch unmittelbar vor Auslösung des ersten Weltkrieges durch Kriegserklärungen gab es Massendemonstrationen gegen die drohende Kriegsgefahr. Diese Stimmung konnte jedoch durch eine Politik des „Burgfriedens“ umgedreht werden in eine Hysterie von wahrgenommener Kriegsbegeisterung. Nebenbei: Damals ging es gegen das zaristische Russland – heute gegen den sogenannten „neuen Zaren“ im Kreml. Zu fragen ist: Was sagt uns das für die heutige Situation?

Der Rückblick auf 1933 heißt: Antifaschistisch kann sich nur nennen, wer ein Wissen über den 30. Januar 1933 hat. Welche gesellschaftlichen Kräfte und Hintermänner haben Hitler an die Macht gebracht – und warum mit damals bereits bekannten Kriegszielen? Bildungsstätten wie z.B. das Dokumentationszentrum in Nürnberg müssen dafür genutzt werden.

Im Bewusstsein dessen können wir sehr einfach sagen: Alle Menschen sind uns als Friedensbewegte willkommen, die ehrlichen Herzens existenzielle Befürchtungen haben. Militaristen mit einem ambivalenten Verhältnis zur deutschen Geschichte können bei Aktionen wie der heutigen zuhause bleiben. Wer die massive Aufrüstung der Bundeswehr zur Lasten der notwendigen sozial-ökologischen Wende fordert, ist mit einer Forderung nach „Frieden mit Russland“ unglaubwürdig.

Schließen möchte ich mit einer Aufforderung an uns alle: Lasst uns für die notwendige gesellschaftliche Breite friedenspolitischer Forderungen kämpfen, damit der Protest gegen die Kriegspolitik wirksam wird.
Es geht um unser aller Zukunftsperspektive. Nicht unsere sogenannten Volksvertreter, sondern wir sind das Volk!

Vielen Dank.

 

Karl-Heinz Peil ist aktiv beim Bundesausschuss Friedensratschlag.