Redebeitrag für den Ostermarsch Sachsen-Anhalt in Haldensleben am 10. April 2023

 

- Sperrfrist: 10. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Während der Zeit des Nationalsozialismus hat der evangelische Pfarrer Dietrich Bonhoeffer gesagt:

Unser Christsein wird heute nur in Zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.

Das sagte er in Anbetracht einer gescheiterten Kirche und ihrer kraftlos gewordenen Worte.

Die Kirche, z der ich gehöre ist zwar heute in anderer Verfassung und doch scheinen ihre Worte nicht besonders kraftvoll. Dennoch, einige – vielleicht Ihr erwartet noch etwas.

Nun zum Friedensgebet haben wir uns ein Jahr lang jeden Freitag hier in der Stadtkirche versammelt. Wir haben Kerzen entzündet, manchmal gesungen, manchmal geschwiegen, wir haben gebetet. Die Glocken läuten noch immer freitags 18 Uhr zum Gebet und zum Innehalten auch wenn wir uns dafür zurzeit nicht in der Kirche versammeln.

Wir haben eben gespürt, die Kräfte sind begrenzt und wir halten das nicht ewig durch. Es wird wieder Zeiten dieses Gebets geben.

Tun des Gerechten – ist das andere. Was könnte das sein, das frage ich mich fast täglich.

Und das nicht erst seit Kriegsbeginn in der Ukraine. Da aber in besonderer Weise. Zumindest weiß ich erst einmal, was ich nicht möchte:

Mich an Kriegsrhetorik gewöhnen oder gar in sie einstimmen und Hassgefühle in mir aufkommen lassen.

Und ich bin erschüttert, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Sendung ausgestrahlt wird mit dem Titel „Können wir Krieg“. Abgesehen von der Grammatik ist für mich ein solcher Gedankengang unerträglich, weil der Eindruck entstehen kann, als wäre Krieg zu können eine erstrebenswerte Fähigkeit. Und bei mancher Kriegsrhetorik auch auf Seiten der Angegriffenen frage ich mich, wessen Geistes Kinder sie sind.

Natürlich möchte ich offensichtlich Verantwortliche der russischen Regierung in die Schranken weisen und überhaupt jene, die Kriege entfachen. Ich möchte das es aufhört und frage mich, ob wir Menschen des 21. Jahrhunderts uns immer noch mehr von Gefühlen des Hasses, des Neids, der Menschenverachtung bestimmen lassen, als von unserem Verstand. Haben wir uns abgesehen von der technischen Entwicklung ethisch nicht weiterentwickelt, als die Menschen vor zweieinhalb tausend Jahren?

David und Goliath – jene biblische Erzählung zu erinnern liegt nahe bei dieser Frage, und der uns alle bewegenden, wie denn den Übermächten Einhalt geboten werden kann. Zur Erinnerung an jene biblische Episode: Feindliche Truppen sind in das Gebiet der Israeliten eingefallen. Mit diesem Kriegszug folgt wie immer Plünderung und Mord. Ein riesiger Kämpfer dieser feindlichen Truppen ist jener Goliath. Ihm die Stirn bieten scheint aussichtslos und doch meldet sich der Hirtenjunge David. Der König Israels, Namens Saul will diesen David für den bevorstehenden Zweikampf ausrüsten, legt ihm Rüstung an mit Helm und Schwert. Aber David konnte sich in dieser Rüstung kaum bewegen, legt alles wieder ab und tritt dem Goliath mit seiner Steinschleuder entgegen. Der Stein trifft Goliath und er fällt zu Boden.

In dieser Erzählung wird deutlich, dass Aufrüstung hier eher lähmt und unbeweglich macht und ich denke sie ist letztlich auch für die Austragung der Konflikte unserer Zeit keine wirkliche Option für eine Lösung.

Zumindest habe ich das Gefühl heute mit den Worten auch anderer sagen zu müssen: Das Recht zur Selbstverteidigung darf kein Freibrief zur maßlosen Aufrüstung sein.

Ich möchte mich nicht daran beteiligen und ich werden keinen Krieg mehr lernen wollen. Das heißt nicht, dass ich keinen Respekt vor jenen habe, die in unserer Armee dienen, oder die Entscheidungen für sie treffen. Im Gegenteil. Ich hoffe, dass sie sich vom Geist des Humanismus leiten lassen. Ich kann nur für mich sprechen und versuchen den Spuren des Jesus aus Nazareth zu folgen. Und so kommt bei der Frage nach dem Tun des Gerechten die Frage auf: was hätte er wohl getan?

Ich finde das eine gute Leitfrage nicht nur bei Ostermärchen oder im Sonntagsgottesdienst. Es ist eine Frage die sich jede und jeder stellen kann. Was hätte Jesus getan?

Euch allen gutes Weiterkommen auf dem Weg der Gerechtigkeit heute am Ostermontag und überhaupt.

Vielen Dank.

 

Matthias Simon ist Pfarrer der St. Marien Gemeinde in Haldensleben.

 

Anmerkung:

  • Ansprache zum Ostermarsch in Haldensleben unter Verwendung von Gedanken der Theologin Klara Butting in Junge.Kirche 04/22