Redebeitrag für den Ostermarsch Ellwangen am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir von der Ellwanger Ortsgruppe von Amnesty international nehmen schon seit vielen Jahren aktiv am Ellwanger Ostermarsch teil, weil wir als Mitglieder der weltweit größten internationalen Menschenrechtsorganisation fest davon überzeugt sind, dass in jedem Krieg die elementaren Menschenrechte massiv verletzt werden, allen voran das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Vor genau 10 Jahren habe ich als Gruppensprecher von ai Ellwangen das letzte Mal hier auf dem Ostermarsch eine Ansprache gehalten, und ich möchte mich ganz herzlich beim „Aktionsbündnis Mahnwache Ellwangen“ bedanken, dass ich nach einigen Diskussionen im Vorfeld nun hier stehen darf, um für ai das Wort zu ergreifen.

Der Ostermarsch in Ellwangen steht vor dem Hintergrund der aktuellen kriegerischen Konflikte, vor allem aber vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine unter dem Motto: “Kriege beenden! Den Frieden gewinnen!“

Amnesty International setzt sich seit 1961 als politisch neutrale und von Regierungen unabhängige, weltweite Vereinigung von engagierten Einzelpersonen für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Diese Menschenrechte wurden vor 75 Jahren von den Vereinten Nationen in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ verabschiedet als humanitäre Antwort auf die beispiellosen Gräuel des Nazi-Terrors und des 2. Weltkriegs. Die Menschenrechte gelten bedingungslos und universell für alle Menschen überall auf der Welt, so auch beispielsweise in der Ukraine, im Iran, in Afghanistan, im Jemen, in Syrien, in Myanmar oder in Äthiopien, aber auch in China, Russland und in den USA.

Wir als Amnesty haben uns zur Aufgabe gemacht, auf die Verwirklichung der Menschenrechte hinzuarbeiten und dabei die Regierungen und die Weltöffentlichkeit auf die zahllosen Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, auf Folter, Todesstrafe, Verschwindenlassen, extralegale Hinrichtungen, auf die Einschränkungen des Rechts auf Meinungsfreiheit, auf die Verweigerung des Rechts auf Asyl. Immer mehr geht es auch um die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, sowie um Klimagerechtigkeit.

Ein zentraler Ansatz der Arbeit von ai war und ist dabei, die Regierungen der Welt ganz konkret dazu aufzufordern, ganz konkrete Menschenrechtsverletzungen an ganz konkreten einzelnen Menschen zu unterlassen und die konkreten Verantwortlichen für diese Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen!

Daher – meine lieben Friedensfreundinnen und Friedensfreunde – müssen wir zum Angriffskrieg Russlands, den Wladimir Putin am 24. Februar 2022 gegen die souveräne Ukraine in Gang setzte, klar und unmissverständlich Stellung beziehen, daher müssen wir alle fordern: Stoppt das Töten! Stoppt den Angriffskrieg!

Die russischen Streitkräfte haben auf Befehl Putins den souveränen Nachbarstaat Ukraine überfallen mit dem erklärten Ziel, das gesamte ukrainische Staatsgebiet zu annektieren und eine unabhängige und selbständige Ukraine auszulöschen!

Bewusst zerstört das russische Militär zivile Infrastruktur, Krankenhäuser, Schulen, Kraftwerke, es werden Wohngebiete bombardiert und gezielt Zivilpersonen auf offener Straße erschossen. Familien werden auseinandergerissen, wahllos Menschen durch Streumunition getötet, Kinder traumatisiert. Amnesty liegen Beweise vor für außergerichtliche Tötungen und Folter durch russische Streitkräfte.

Amnesty International untersucht und dokumentiert alle Menschenrechtsverletzungen im Rahmen dieses Krieges, auch diejenigen, die den ukrainischen Streitkräften bei der Behandlung russischer Kriegsgefangener vorgeworfen werden.

Millionen Menschen sind auf der Flucht, auch hierher, nach Ellwangen.

Begleitet wird die völkerrechtswidrige Aggression gegen die Ukraine von der brutalen Unterdrückung all jener, die sich in Russland gegen den Krieg positionieren: mehr als 19 000 Menschen wurden im Zusammenhang mit Protesten gegen den Krieg in Russland bislang festgenommen!

Zivilgesellschaftliche und oppositionelle Organisationen wie „Memorial“ und Amnesty wurden aufgelöst und faktisch verboten.

Deshalb war es aus unserer Sicht ein richtiges und wichtiges Signal, dass im Namen von 123 Staaten der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle ausgestellt hat für Wladimir Putin und für Marija Alexejewna Lwona-Belowa wegen des Kriegsverbrechens der Verschleppung von Kindern aus besetzten Gebieten der Ukraine.

Diejenigen, die für Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, müssen festgenommen und vor Gericht gestellt werden, egal wie mächtig sie sind. Und dies, liebe Ostermarschierer, gilt nicht nur für Herrn Putin und Frau Lwona-Belowa, sondern auch für alle anderen menschenrechtsverletzenden Befehls- und Machthaber, für alle Folterknechte, Henker und ihre Auftraggeber im Hintergrund, überall auf der Welt!

Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg – zum Frieden gehört Gerechtigkeit!

Zu Gerechtigkeit gehört Aufarbeitung von Unrecht und Übernahme von Schuld und Verantwortung! Ohne Gerechtigkeit, Ausgleich und Wiedergutmachung gibt es keine Versöhnung! Und ohne Versöhnung wird es keinen dauerhaften Frieden geben!

Was wir dazu beitragen können zu Gerechtigkeit und Frieden, ist Solidarität.

Daher begrüßen wir von Amnesty den Zusatz beim Aufruf zum Ellwanger Ostermarsch: „Solidarisch mit dem ukrainischen Volk“. Dem möchte ich noch hinzufügen: „Solidarisch mit den Frauen in Afghanistan und im Iran, solidarisch mit den hungernden Kindern im Jemen, mit den Opfern der innerstaatlichen Kriege in Äthiopien, Syrien, Myanmar und in vielen weiteren Staaten, solidarisch mit den Millionen Flüchtlingen weltweit, die vor diesen gewaltsamen Konflikten und Kriegsgeschehen fliehen, vor Armut, Hunger und Not, die oft noch durch die Klimakrise verschärft werden. Diese Menschen suchen Sicherheit und Schutz, auch bei uns, z. B. in der LEA in Ellwangen!

Zum Schluss meiner Ansprache möchte ich noch ein über 30 Jahre altes Gedicht vortragen, in dem unser Ulmer Bezirkssprecher von ai, Urs M. Fiechtner, auf zeitlose Weise deutlich macht, was geschehen muss, damit wirklich FRIEDEN herrscht:
 

Nichts ist hier in Ordnung

Nichts

Ist hier in Ordnung.

Solange die Entführten nicht

Eines Morgens an die Tür klopfen

Und sagen ich bin gesund und am Leben

Solange die Ermordeten nicht

Ein anständiges Grab finden und

Ihre Mörder einen gerechten Prozess

Solange die Komplizen nicht

Auf immer vertrieben werden von

Einer Faust aus unendlichen Schreien

Solange die Gefolterten nicht

Ihre Narben sehen und sagen können

Dass es sich niemals wiederholen wird

Nie wieder, und

Es sagen können in allen Sprachen

Auf jedem Territorium

Für alle Zeit

Solange die Kinder nicht

Gewissheit haben

Dass ihre Eltern weder Täter sind

Noch Opfer

Weder schweigsame Ignoranten

Noch Opfer

 

Solange wird es keinen Frieden geben

Und nichts darf verziehen werden

Und nichts vergessen.

Nichts wird in Ordnung sein

 

Bis wir die Narben sehen

Und sagen können

Dass es sich niemals wiederholen wird.

Vielen Dank!

 

Wolfgang Lohner ist aktiv bei der amnesty-Gruppe in Ellwangen.