Redebeitrag für den Ostermarsch in Freiburg am 19. April 2025

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freude,

ich spreche für die internationalen Ärzt*innen zur Verhütung eines Atomkriegs, IPPNW.

Diese Organisation gibt es seit Jahrzehnten. 1985 hat sie den Friedensnobelpreis bekommen. In der Zeit des kalten Krieges und der Drohung mit Atomwaffen war die Kernaussage immer „ Wir werden im Fall eines Atomkrieges nicht helfen können. Deshalb darf es nie zum Atomkrieg kommen“.

Und heute???

Zuerst kam vom Kanzler der Begriff ZEITENWENDE . Der klang ja noch nicht wirklich nach Krieg sondern nur nach sehr viel Geld. Dem sog. Sondervermögen -also Aufrüstung.

Dann kam vom Verteidigungsminister die Aufforderung Deutschland müsste wieder KRIEGSTÜCHTIG werden. Da bin ich schon aufgeschreckt.

Inzwischen ist der „OPERATIONSPLAN Deutschland“ seit Januar in Kraft

Was ist das??

Es ist ein in großen Teilen geheimes Papier von Bundeswehr und Verteidigungsministerium erarbeitet.

Der Operationsplan Deutschland regelt die zivile Unterstützung für das Militär im Kriegsfall.

Das Szenario ist entweder der Bündnisfall -also Krieg an der NATO-Ostgrenze

oder der Verteidigungsfall -also Krieg in Deutschland.

Für beides braucht die Bundeswehr nach eigener Aussage massive Unterstützung zum Beispiel bei Transport, Energie oder eben im Gesundheitswesen.

Die Bundeswehr rechnet im Kriegsfall mit bis zu 1000 verletzten Soldaten pro Tag.

Das ist unvorstellbar viel mehr als jede Naturkatastrophe oder Pandemie. Und ein Ende wäre nicht in Sicht wie wir nach 3 Jahren Krieg in der Ukraine erleben.

In Deutschland gibt es 5 Bundeswehrkrankenhäuser mit insgesamt 1800 Betten.

Die Kapazität wäre also nach 2 Tagen erschöpft.

Bei einem Krieg in Deutschland kämen noch viele verletzte Zivilisten dazu und die Zerstörung von Krankenhäusern und durch verletztes oder getötetes Personal würde alles noch schlimmer.

Unser ziviles Gesundheitswesen soll massiv für den Kriegsfall arbeiten .

Es gibt aber jetzt schon erhebliche Engpässe im Gesundheitswesen.

Es ist also klar, dass die Versorgung von Zivilisten massiv eingeschränkt werden muss.

Es ist auch klar, dass solche Anforderungen nicht mit freiwilligen Arbeitskräften zu bewältigen wären. Das heißt, dass es Dienstverpflichtungen geben würde.

Und die medizinische Ethik würde der Kriegslogik unterstellt:

Das bedeutet zugespitzt: die Hilfe bekommt nicht der am schwersten Verletzte, der sie am dringendsten braucht, sonder derjenige, der bald wieder kampffähig wird.

An solch einer Perversion der Medizin wollen wir uns nicht beteiligen und wir werden es nicht tun!(!)

Die „schleichende Militarisierung der Gesellschaft“

Dieser Begriff ging mir durch den Kopf also ich über diesen Text nachdachte:

und dann lese ich über

  • verstärkte Werbung der Bundeswehr bei Jugendlichen
  • über Zivilschutzübungen in Schulen
  • über Planungen der Bundeswehr mit Ärztekammern Fortbildung in Kriegsmedizin für zivile Ärztinen und Ärzte zu machen
  • In der Presse wird die Aufrüstung und Militarisierung zunehmend als alternativlos dargestellt.
  • Und für Rüstung und Kriegstüchtigkeit soll es unbegrenzete Kredite geben.

Das ist keine schleichende Militarisierung, das hat schon ganz schön Tempo. Und dem müssen wir uns entgegenstellen!!

Jede Vorbereitung von Krieg ob es nur in Gedanken, oder auf logistischen Gebiet oder in der Medizin ist, macht Krieg ein bisschen wahrscheinlicher weil er planbarer erscheint.

Dagegen müssen wir aufstehen:

Wir lassen uns nicht einplanen für Kriegsvorbereitung.

Jeder von uns kann in seinem Bereich protestieren:

Schülerinnen und Lehrer wenn es um Zivilschutzübungen in der Schule geht.

Ärztinnen und Krankenpfleger können militärmedizinische Fortbildung verweigern.

Wir alle können gegen Aufrüstung und Militarisierung angehen. Und wir tun es ja heute.

Und jeder Krieg in Europa droht zum Atomkrieg zu eskalieren.

Schon im konventionellen Krieg gibt es keine medizinische Hilfe wie wir sie wollen und gewöhnt sind. Daran kann auch kein Operationsplan Deutschland und keine Rüstungsmilliarden etwas ändern.

Noch viel mehr gilt für die Eskalation zur atomaren, biologischen und chemischen Kriegsführung:

Wir Ärztinnen und Ärzte, das gesamte Gesundheitswesen wird nicht helfen können. Es darf keinen Krieg geben.

Wir müssen friedensfähig werden -nicht kriegstüchtig!

Vielen Dank.

 

Dr. med. Helmut Mielitz ist Allgemeinmediziner und aktiv bei der IPPNW Regionalgruppe Freiburg.