US-Soldat mit Soldaten der Afghanischen nationalen Armee.
US-Soldat mit Soldaten der Afghanischen nationalen Armee.
Foto: Mathieu Gilbert, CC BY-NC-ND 2.0

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Der Krieg in Afghanistan zeichnet sich durch eine enorme Vielzahl von bewaffneten Akteuren aus. Hier sind Artikel zu den vielleicht wichtigsten, mit Ausnahme der neuen afghanischen Regierung, deren Arbeit im Kapitel zur Situation im Land angesprochen wird, und der Rolle Deutschlands, für die es eigene Kapitel gibt.

Folgende Akteure werden hier angesprochen:

 

NATO

Die NATO wurde von den USA einen Tag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angerufen und beschloss, den Bündnisfall auszurufen. Er wurde bis heute nicht aufgehoben und es gibt keine klaren Regelungen dazu, wie das geschehen könnte.

Der Bündnisfall ist im Nordatlantikvertrag vom 4.4. 1949 wie folgt definiert:

„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.
Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat [der Vereinten Nationen] Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten.“

Der militärische Angriff 2001 wurde in erster Linie von den USA und Großbritannien mit Unterstützung der sog Nordallianz auf dem Boden durchgeführt. Mit der Etablierung der ISAF nach der Petersberg Konferenz Ende 2001 waren dann in bis 2009 anwachsender Zahl Truppen von zeitweilig bis zu 50 Ländern beteiligt. 2002 begann die ISAF mit 18 Ländern und weniger als 5.000 Soldat*innen; Deutschland war nach den USA einer der wichtigsten Entsendestaaten. Wie in der Zeitschiene beschrieben, übernahm die ab 2003 von der NATO geführte ISAF immer mehr Zuständigkeiten, bis sie ab Oktober 2006 in ganz Afghanistan präsent war. 2012 waren 50 Nationen unter Führung der NATO an der ISAF beteiligt.

Ab ca. 2008 begann man, verstärkt afghanisches Militär und Polizei auszubilden, mit der Idee, die Sicherheitsverantwortung an diese einheimischen Kräfte übertragen zu können. Gleichzeitig wuchs aber der Einfluss der bewaffneten Rebellengruppen und die Sicherheitslage im Lande verschlechterte sich.

Die größten Truppenkontingente stellten zum Zeitpunkt ihres größten Umfanges von rund 130.000 Soldat*innen in den Jahren 2011 und 2012 die USA (weit vor allen anderen) mit 90.000 Soldat*innen – 2009 hatten sie 33.000 zusätzliche Truppen ins Land gebracht, die sie bis 2014 wieder abzogen -, Großbritannien mit 9.500 und Deutschland  mit 4.715, gefolgt von Frankreich mit 3.491, Italien mit 3.956, Polen mit 2.422, Rumänien mit 1,876, der Türkei mit 1.846, Australien mit 1.500 und Spanien mit 1,502 zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2012. In den letzten Monaten des Jahres 2014 waren es dann nicht mehr als 30.000 Soldat*innen insgesamt.

Am 1. Januar 2015 wurde die ISAF durch die ebenfalls von der NATO geführte Mission Resolute Support abgelöst. Sie sollte die weitere Ausbildung und das Training der afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen. Anders als ISAF; die nach Kapitel VII der UN-Charta entsandt worden war, kam die Resolute Support Mission auf Einladung der afghanischen Regierung (die man mit recht viel diplomatischem Druck zu dieser Einladung bewegt hatte). 2015 waren 42 Staaten beteiligt; die Truppenstärke lag bei 13.199. Diese Zahlen veränderten sich in den Folgejahren nicht wesentlich, auch wenn drei oder vier Staaten ihre Beteiligung einstellten und die Truppenstärke bis 2020 auf knapp 17.000 stieg. Im Februar 2021, nach dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban, waren es noch 36 Staaten mit knapp 9.600 Soldat*innen gefallen.

Doch auch wenn die NATO formal der Hauptträger der militärischen Operationen war, waren es tatsächlich immer die USA, die über Krieg und Frieden entschieden. Sie entschieden über das Ende von ISAF 2014 ebenso wie der letztliche Abzug aus Afghanistan von ihnen mit den Taliban ausgehandelt wurde. Die Verbündeten wurden lediglich informiert, aber entschieden nicht mit.

 

Vereinten Nationen

Eine Liste der UN-Sicherheitsratsresolutionen zu Afghanistan findet sich hier.

Über diese Resolutionen hinaus war die UN aber mit verschiedenen Organisationen und Missionen in Afghanistan vertreten bzw. ist es auch heute noch, nach der erneuten Machtübernahme durch die Taliban. Die vielleicht wichtigsten sind die folgenden:

Die UN unterhält seit 2002 eine „Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan“ (United Nations Assistance Mission in Afghanistan-UNAMA). Sie basiert auf dem Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 28. März 2002 (S/RES/1401). Ihre Berichte seit 2007 finden sich
HIER

Der UN-Generalsekretär berichtet dem UN-Sicherheitsrat im Schnitt einmal im Jahr über den Schutz von Zivilbevölkerung. In den Berichten spielte Afghanistan seit 2002 eine Rolle.

Der wachsende Anbau von Opium und der Drogenhandel spielt eine wichtige Rolle in den Berichten des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime – UNODC)

Das Büro des Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees - UNHCR) hat ebenfalls Afghanistan als einen seiner Schwerpunkte.
Die Berichte des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights - OHCHR) finden sich hier.

 

USA

Die USA wurden 2001 von Präsident Bush regiert; der 2021 verstorbene Colin Powell war der Außenminister. Die Bekämpfung von Terrorismus vor allem von Seiten Al Kaidas stand schon vor dem 11. September auf der Agenda, spätestens seit den Anschlägen auf das World Trade Center 1993 und die Anschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998, zu denen sich Al Kaida bekannte. Schon Ende 2000 verlangte Washington von den Taliban die Auslieferung Bin Ladens.

Es spricht viel dafür, dass auch über einen möglichen Angriff auf Afghanistan schon Monate vor dem 11. September geredet wurde.

Die Begründung für den Angriff war der „Krieg gegen den Terror“, den Präsident Bush ausrief und insbesondere die Festsetzung oder Tötung von Bin Laden. Auch wenn in der öffentlichen Rhetorik Ziele wie Demokratisierung, Frauenrechte usw. ebenso auftauchten wie z.B. in Deutschland, scheint in den USA diese ursprüngliche Zielsetzung doch mehr verankert geblieben zu sein als auf der anderen Seite des Atlantik, wo man viel lieber von „humanitären“ Zielen sprach.

Eine Beschreibung der Erwägungen innerhalb der US-Regierung und ihrer strategischen Ausrichtung 2001 findet sich hier.

Nach der Wahl von Obama zum US-Präsidenten 2009 gab es eine Veränderung in der US-Strategie. Wie in seiner Rede Ende 2009 erläutert, ging es zwar weiter um die Bekämpfung von Terrorismus – jetzt auch im benachbarten Pakistan - , und die US-Regierung entsandte 2010 30.000 zusätzliche Soldat*innen, um Afghanistan zu „befrieden“. Die erläuternde Rede von Obama zur Strategieveränderung kann hier nachgelesen werden.

Unter Obama begann das CIA-Programm zum Einsatz von Drohnen für gezielte Tötungen jenseits des Schlachtfelds,  Doch man begann auch, darüber nachzudenken, wie man sich irgendwann wieder zurückziehen könnte. Zu diesem Ziel wurden deutlich mehr Ressourcen in die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte gesteckt (s. oben). Allerdings sollten mehrere Militärbasen in dem Land bestehen bleiben, mit deren Bau 2010 begonnen wurde.

Mit der Kontrolle der Ausgaben für den Wiederaufbau beauftragte die US-Regierung 2008 einen Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR). Die Berichte finden sich hier.

2010 gab es mit den Veröffentlichungen in Wikileaks auch die erste Welle von Enthüllungen über den Krieg der USA in Afghanistan, als Bradley Manning über 92.000 Dokumente publik machte und sie*er dafür später zu langjähriger Haft verurteilt wurde.

In den Folgejahren häuften sich die Berichte über Geldverschwendung, Involvierung in Korruption und Drogenhandel und die steigende Zahl an ermordeten Zivilist*innen.

Als 2015 die ISAF durch die Nachfolgemission „Resolute Support" ersetzt wurde, behielten die USA ca. 9000 Truppen im Land.

Am 29.2.2020 schlossen nach längeren Verhandlungen die USA und die Taliban ein Abkommen über den völligen Truppenabzug der USA, ohne Beteiligung der afghanischen Regierung.
Das Abkommen sah den Abzug aller NATO-Truppen aus Afghanistan im Gegenzug zu einer Zusage der Taliban vor, Al Kaida daran zu hindern, in den von den Taliban kontrollierten Gebieten zu operieren Außerdem sollten Gespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung fortgeführt werden. Die Vereinigten Staaten stimmten einer anfänglichen Reduzierung ihrer Truppenstärke von 13.000 auf 8.600 innerhalb von 135 Tagen (d. h. bis Juli 2020) zu, gefolgt von einem vollständigen Abzug innerhalb von 14 Monaten (d. h. bis zum 1. Mai 2021), wenn die Taliban ihre Verpflichtungen einhalten. Die USA verpflichteten sich außerdem, innerhalb von 135 Tagen fünf Militärstützpunkte zu schließen, und bekundeten ihre Absicht, die Wirtschaftssanktionen gegen die Taliban bis zum 27. August 2020 zu beenden. Das Abkommen wurde dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt, der es billigte.

Die neue US-Regierung unter Biden erklärte, dass sie den 31. Mai als Termin nicht halten könne, die Truppen aber bis Ende August 2021 das Land verlassen würden.

Die militärischen Ausgaben der USA für den Krieg in Afghanistan beliefen sich nach offiziellen Zahlen aus dem US-Verteidigungsministerium auf  837 Milliarden USD.

SIPRI hat 2021 die Militärausgaben für Afghanistan näher untersucht.

Für Nothilfe und Wiederaufbau haben die USA zwischen 2002 und 2021 145-146 Milliarden USD ausgegeben. Das Geld floss in die Afghanischen Sicherheitskräfte, die Förderung von „good governance“; Entwicklungshilfe und den Kampf gegen Drogen und Korruption. Nach einer anderen Quelle waren es lediglich 130 Milliarden.

Für Schlagzeilen sorgte 2019 die Publikation von nicht öffentlichen Dokumenten der US-Regierung durch die Washington Post, die sog. „Afghanistan-Papers“, die 2021 von Craig Whitlock dann auch nochmal in Buchform veröffentlicht wurden.

In den Papieren wurde deutlich, wie die US-Administration bewusst die Öffentlichkeit über die Probleme des Krieges in die Irre führte und geschönte Erfolgsbilanzen veröffentlichte. So wurde verheimlicht, welches Ausmaß das Tolerieren und die Zusammenarbeit mit Milizen und deren Menschenrechtsverbrechen hatte. Die Papiere enthalten Neues gegenüber dem, was Kritiker*innen auch zuvor schon immer wieder gesagt hatten, aber durch das Medium der Washington Post gewann diese Information an neuer Legitimität.

Ein deutscher Artikel zu den Afghanistan Papiers von Dominik Wetzel findet sich in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift der Informationsstelle Militarisierung.

 

Europäische Union

Die europäische Union ist als Akteur in dem Krieg hinter der NATO, was die öffentliche Wahrnehmung anging, zurückgetreten. Doch war sie einer der wichtigsten Geldgeber für die Wiederaufbau- und Stabilisierungsmaßnahmen. Sie zahlte die ersten Jahre rund 200 Millionen Euro jährlich und unterhielt ein Büro mit einem Speziellen Repräsentanten in Kabul. Zwischen 2002 und 2015 gab die EU insgesamt 3,3 Milliarden Euro für Afghanistan aus.

Sie leistete außerdem seit 2007 einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung von afghanischer Polizei als Teil der Strategie, die Sicherheitsverantwortung mehr in afghanische Hände zu legen. Die EUPOL Afghanistan konnte bis zu 400 internationale Mitarbeiter*innen umfassen, aber tatsächlich im Land waren wohl meist nur maximal 200. Ende 2016 wurde sie beendet. Anspruch auf Evakuierung nach der erneuten Machtübernahme der Taliban hatten die Mitarbeiter von EUPOL übrigens nicht: Die EU sei kein Staat und könne keine Visa ausstellen.

 

“Westliche” NATO-Staaten und weitere Verbündete

In Afghanistan waren mehr als 50 Staaten mit Truppen beteiligt (s. den Abschnitt zu NATO oben). Neben NATO-Mitgliedern gehörten auch Japan, das sich 2010 zurückzog, Australien und eine Reihe weiterer Länder mit dazu.

Eine besonders wichtige Rolle in dem Krieg spielte Großbritannien, das die USA in dem Angriff auf Afghanistan im Herbst 2001 militärisch unterstützte und einer der wichtigsten Truppensteller in OEF und ISAF war.

Die Rolle der Bundeswehr wird auf der Seite über Deutschland behandelt.

 

Söldnerfirmen

2010 wurde berichtet, dass zwei Drittel des militärischen US-Personals privaten Firmen angehörte; dieser Quelle hier zufolge 130.000 – 160.000 Mann.

 

Taliban

Der Gründungszeitpunkt der Taliban wird mit 1994 angegeben. Sie sind stark in der paschtunischen Bevölkerung nicht nur Afghanistans, sondern auch Pakistans verwurzelt; ihr sunnitischer Islam ist stark von dem traditionellen Recht der Paschtunen, dem Paschtunwali, geprägt, dem u.a. die weitgehende Rechtlosigkeit der Frauen entspringt. Die Taliban rekrutierten sich aus ehemaligen Mudjaheddin, die gegen die sowjetische Besatzung gekämpft und ihre Basis in Pakistan hatten. 1994 wurden die Taliban auch international bekannt, als sie Kandahar einnahmen.

Sie regierten Afghanistan zwischen 1996 und 2001 und jetzt wieder seit September 2021. In der Zwischenzeit lieferten sie sich einen Guerillakrieg mit den Besatzungstruppen der NATO, der Nordallianz und bald dem neuen afghanischen Militär. Viele Terroranschläge gingen auf ihr Konto. Während dieser Zeit bekamen sie auch Unterstützung durch islamistische Kämpfer aus anderen Ländern.

Eine Zusammenfassung gibt der gute Überblick in Wikipedia.

Geführt wurden sie bis 2013 von Mullah Mohammed Omar. Omars Nachfolger Akhtar Mansur wurde 2016 bei einem Drohnenangriff getötet. Seitdem ist Hibatullah Achundsada der Anführer und seit September Staatsoberhaupt Afghanistans.

 

Nordallianz, lokale „War Lords“ und Milizen

Die USA suchten sich für ihren Angriff Alliierte im Land, die, so war anscheinend die ursprüngliche Idee, den Großteil des Bodenkrieges erledigen sollten. Die sog. „Nordallianz“ war ein loses Bündnis von Gruppen, die die Gegnerschaft zu den Taliban einte. Zu ihnen gehörte der ehemalige König Afghanistans, der sich im Exil befindende Mohammed Zahir Schah, paschtunische Gruppen, die sich nicht den Taliban angeschlossen hatten und Milizen, z.B. unter Abdul Rashid Dostum, die sich in der Zeit des Bürgerkriegs zwischen dem Ende der sowjetischen Besatzung und der Machtergreifung der Taliban zahlreicher schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten.

Nach der Besatzung Afghanistans reichte in den ersten Jahren die Kontrolle der neu eingesetzten Regierung in Kabul unter Karzai nicht sehr weit. Große Teile Afghanistans wurden von lokalen Machthabern, oftmals in der Literatur als „War Lords“ bezeichnet, kontrolliert. (Später übernahmen dann die Taliban in mehr und mehr Regionen wieder die Macht.)

2007 war zudem von mehr als 2.000 illegalen bewaffneten Gruppen in Nordafghanistan die Rede.

Neben dem Aufbau einer neuen regulären Armee und einer lokalen Polizeitruppe (s. unten), der ihnen aber zu schleppend voranging, unterstützten die Alliierten ab 2010 aber auch zahlreiche Milizen, bildeten und rüsteten sie aus. Jonna Schürkes schrieb 2010:

„Mitte Juli 2010 brachte der neue ISAF-Kommandeur General Petraeus den afghanischen Präsidenten Karzai dazu, dem Aufbau von „Dorfstreitkräften“(Village Defence Forces) zuzustimmen. Dabei handelt es sich um lokale Milizen, die von der Regierung in Kabul bezahlt, ausgerüstet und bewaffnet werden und dann in ihrem Dorf für Sicherheit sorgen sollen. Die Aufstellung dieser Dorfstreitkräfte sei notwendig, da der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte nicht schnell genug vorangehe und die internationalen Truppen alleine nicht in der Lage seien, die Aufständischen zu vertreiben.“

Über die Verbrechen einiger dieser Milizen berichtete Emran Feroz.

 

Al Kaida

Al Kaida ist in den späten 1980er Jahren in den pakistanischen Ausbildungslagern für die Mudschaheddin entstanden. Der Eigenname der Gruppe ist Tansim al-Qaeda al-Dschehad: "Organisation Basis des Heiligen Krieges". Zusammengehalten wurde das Netzwerk, das schnell Ableger in vielen Ländern fand, durch seinen Anführer Osama bin Laden und heute durch dessen Nachfolger, den Ägypter Aiman az Zawahiri. Keiner der Attentäter des 11. September stammte aus Afghanistan; allerdings operierte zu dem Zeitpunkt bin Laden in Afghanistan. (Irgendwann ging er nach Pakistan, wo er dann von den USA 2011 getötet wurde.)

Eine gute Zusammenfassung des Verhältnisses zwischen al Kaida und den Taliban ist diese hier von Thomas Ruttig.

 

Islamischer Staat

Der Islamische Staat entstand im Irak vermutlich im Jahr 2000 und wurde bekannt, als er 2014 auf einen Schlag große Teile des Nordiraks und Syriens einnahm. Wie Al Kaida hat er seine Wurzeln in der Bewegung der islamistischen Kämpfer der 1990er Jahre und hatte bis Ende 2001 eine Basis in Afghanistan. Der Gründer des IS, Abu Musab az-Zarqawi, floh 2001 aus Afghanistan; später wurde seine Gruppe verstärkt durch entlassene Offiziere der irakischen Armee nach der Invasion der USA und ihrer Verbündeten 2003 und dann durch eine Vielzahl ausländischer Kämpfer aus vielen Ländern der Welt.

In Afghanistan tauchte eine Terrorgruppe unter dem Namen des IS im Jahr 2015 auf, ein Jahr nach den großen Erfolgen des IS in Syrien und Irak. 2019 erstarkte die Gruppe und umfasste vermutlich um die 5000 Kämpfer. Als „IS-Khorasan“ bekannt, bekämpft sie die Taliban, denen sie zu viele Kompromisse vorwirft, und ist auch Al Kaida feindlich gesonnen.

Nach der erneuten Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat der IS mehrfach mit spektakulären Terroranschlägen auf sich aufmerksam gemacht.

 

Pakistan

Afghanistan und Britisch Indien (später Pakistan) werden durch eine in der Kolonialzeit 1893 von dem Vereinigten Königreich gezogene Grenze, die sog. Durand-Linie, getrennt. Sie teilte das Siedlungsgebiet der Paschtunen und Afghanistan hat mehrfach versucht, die Grenzziehung in Frage zu stellen, aber bislang ohne Erfolg. Die Grenze trennt weiter Familien und Familienverbände.

Auf staatlicher Ebene war das Verhältnis zwischen beiden Ländern immer schwierig und schwankte zwischen offener Konfrontation und Zusammenarbeit, auch davon abhängig, wer jeweils in Afghanistan regierte. In der Zeit der sowjetischen Besatzung wurden die Mudschaheddin in Pakistan ausgebildet, die paschtunischen Allianzen stellen eine Herausforderung für die Regierungen beider Länder dar und das Grenzgebiet wurde zum Rückzugraum für die Taliban nach 2001 wie auch für Al Kaida und andere von den westlichen Invasoren verfolgten Gruppen. Es entstand ein pakistanischer Zweig der Taliban (S. Schetter 2017:147). Bis 2018 gab es auf pakistanischer Seite im Nordwesten ein halbautonomes Gebiet, das Federally Administered Tribal Agencies Gebiet (FATA).  Von pakistanischer Seite werden vorgebliche Islamisten immer wieder beschossen, auch über die Grenze hinweg, und die USA setzten vielfach Drohnen ein.

In der Zeit der Besatzung spielte Pakistan ein doppeltes, schwer zu durchschauendes Spiel. Auf der einen Seite unterstützte es die USA und deren Verbündeten, auf der anderen Seite erlaubte es den Taliban und anderen Jihadisten – bekanntlich auch Al Kaida Führer Osama bin Laden – sich in Pakistan aufzuhalten. Teilweise mag dies mit der oben erwähnten Durand-Linie erklärt werden. Pakistan fürchtet einen paschtunischen Nationalismus, der seine Grenzen infrage stellen könnte. Mit islamistischen Bewegungen kann es sich eher arrangieren, solange diese nicht gegen die pakistanische Regierung operieren.

 

Indien

Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan besonders wegen der Provinz Kaschmir haben beide Atommächte mehr als einmal an den Rand eines Krieges geführt. Sie haben auch Auswirkungen auf das Verhältnis zu Afghanistan: Indien war ein Verbündeter der Nordallianz und dann der von den Besatzern eingesetzten afghanischen Regierung.

 

China

China hat sich stets zurückgehalten, was die Entwicklungen in Afghanistan anging, und ergriff nicht offen Partei. Während es sicherlich die Präsenz der US-Truppen in unmittelbarer Nähe seiner Grenze als Bedrohung ansah, hat es dennoch sowohl mit der Regierung von vor August 2021 wie jetzt mit den Taliban Geschäfte gemacht. Dabei ging es vor allem um die Sicherung von Lizenzen für den Abbau von Rohstoffen, wenngleich die Sicherheitslage China davon abhielt, viel in das Land zu investieren.

Nach der erneuten Machtübernahme der Taliban haben viele Medien China als den großen Gewinner ausgemacht, der das Vakuum, das die USA hinterlassen, füllen wolle. Die FAZ-Korrespondentin in China, Friederike Böge, widersprach dieser Wahrnehmung auf der Villigster Afghanistantagung am 4.12.2021. Ihr zufolge ist China derzeit auf den Konflikt im südchinesischen Meer und Taiwan fokussiert; Afghanistan sei da zweitrangig. Außerdem habe China all die Jahre eher über seinen engen Verbündeten Pakistan als direkt in der Region agiert, was man nicht aufgeben werde.

 

Russland

Auch Russland war kein besonders wichtiger Akteur, was den Krieg von 2001-2021 in Afghanistan anging. Wie China scheint Russland in erster Linie an Stabilität in der Region, an ökonomischen Chancen und an der Eindämmung des Drogenhandels sowie des islamischen Dschihadismus gelegen zu sein. Die Regierung unter Karzai unterstütze es mit Wirtschaftshilfe und Ausbildungsangeboten für Sicherheitskräfte. Es hat aber auch gegenüber der neuen Talibanregierung Gesprächsangebote gegeben.

 

Zentralasiatische Staaten (Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan) und Südkaukasus

Die USA haben zeitweilig Basen in allen zentralasiatischen Staaten für ihren Krieg in Afghanistan genutzt. Gleichzeitig sind die Länder auch mit Russland eng verbunden und unterhalten teilweise auch gute Beziehungen mit China.

Im Sommer 2021 wurde gemeldet, dass die USA über eine Basis in einem der Länder verhandelten.

 

Iran

Das Verhältnis zwischen dem Iran und den Taliban hat sich in der Zeit des Krieges drastisch verändert. Vor 2001 waren die beiden Regimes verfeindet und es gab zahlreiche Übergriffe auf die schiitische Minderheit in Afghanistan. Doch seit 2015 scheint der Iran begonnen zu haben, die Taliban zu unterstützen und begrüßte auch ausdrücklich deren Machtergreifung 2021. Grund für den Sinneswandel waren wohl zum einen geostrategische Erwägungen angesichts der wachsenden Spannungen mit den USA und zum anderen der gemeinsame Kampf gegen den sog. Islamischen Staat.

 

Arabische Staaten und Türkei

Die Freigabe von CIA-Akten im Sommer 2021 hat den Verdacht der engen Verbindungen zwischen Al Kaida und saudi-arabischen Akteuren bestärkt, lieferten aber keine Beweise für eine direkte Involvierung der saudischen Regierung.

Katar war der Gastgeber der Gespräche zwischen den USA und den Taliban.

Die Türkei, das einzige islamische NATO-Mitglied, hätte wohl gerne eine größere Rolle in Afghanistan gespielt. Militärisch war sie nicht an ISAF beteiligt, aber leistete viel zivile Hilfe (und wurde deshalb nie von den Taliban angegriffen). Doch ihre Hoffnung, als Mittler politisch größeres Gewicht in der NATO und gegenüber den westlichen Staaten zu gewinnen, erfüllte sich nicht.

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