Erstellt: 02.04.1999 nächster Artikel siehe auch: Termine: Aktionen gegen den Krieg Frieden durch Bomben? Warum der Pazifismus nicht tot ist AGDF zum Kosovo- Konflikt Memorandum der IALANA | zu: Kosov@: Erklärungen gegen den Krieg Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag zum NATO-Krieg in Jugoslawien Stoppt den Krieg - Beendet das Morden! Bundesausschuß Friedensratschlag, Kassel Der "Bundesausschuss Friedensratschlag", der die jährlich stattfindenden Strategiediskussionen der deutschen Friedensbewegung veranstaltet (jeweils am ersten Dezemberwochenende in Kassel), erklärt in seiner jüngsten Stellungnahme zu den NATO-Luftangriffen auf Jugoslawien: 1. Auch wenn die Hauptverantwortung für das Geschehen in der serbischen Provinz Kosovo der repressiven und nationalistischen jugoslawischen Zentralgewalt anzulasten ist, gibt es für die seit einer Woche andauernden NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien keinerlei Rechtfertigung. Weder konnte das offizielle politische Ziel, eine "humanitäre Katastrophe zu verhindern", erreicht werden, noch sind greifbare militärische Erfolge nachzuweisen, noch - und das ist das Entscheidende - sind irgendwelche Konturen einer nachhaltigen Lösung der Konfliktursachen zu erkennen. 2. Im Gegenteil: Die NATO-Angriffe haben geradezu wie ein Signal gewirkt, die militärischen Kräfte der jugoslawischen Armee im Kosovo zu konzentrieren und gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit mit rücksichtsloser Härte einzusetzen. Gleichzeitig verstärken die militärischen Verbände der Separatistenorganisation UCK sozusagen unter dem "Feuerschutz" der NATO-Bomber ihre Angriffe auf ihre serbisch-jugoslawischen Widersacher. Die Spirale der Gewalt dreht sich seither mit zunehmender Geschwindigkeit und stellt alles in den Schatten, was in den vergangenen 12 Monaten geschehen war. 3. Es ist weithin unbestritten, dass es sich bei den NATO-Angriffen um einen völkerrechtswidrigen Akt handelt, der weder von der Charta der Vereinten Nationen, noch vom Washingtoner Vertrag der NATO, noch vom Grundgesetzt der Bundesrepublik Deutschland gedeckt ist. Deshalb wollen wir die völkerrechtlichen Argumente hier nicht weiter ausführen, sondern nur eine grundsätzliche Überlegung zu bedenken geben: Können fundamentale Menschenrechte (so etwa das Recht des Menschen auf Leben) mit völkerrechtswidrigen Mitteln überhaupt herbeigebombt werden? Kann das Morden durch neuerliches Morden beendet werden? 4. Die Antwort der Friedensbewegung lautet seit geraumer Zeit: Es gibt zu inneren und internationalen Konflikten jeglicher Art keine andere Alternative als die der zivilen, nicht-militärischen Prävention bzw. - falls es hierfür bereits zu spät ist - der zivilen Konfliktbearbeitung. Dies gilt selbstverständlich nicht nur im Kosovo, sondern in vielen anderen Teilen der Welt (von der Türkei bis Indonesien, von Nordirland bis Angola). Die Instrumente und Institutionen hierfür sind vorhanden und bekannt (z.B. UNO, OSZE), sie müssen nur eingesetzt werden. Wenn die NATO-Staaten ähnliche Anstrengungen auf die Stärkung ziviler Institutionen und Instrumente verwenden würden, wie sie sie hinsichtlich der Aufrechterhaltung ihrer militärischen Strukturen verwenden, wäre schon viel gewonnen. 5. Die eindeutige Absage der deutschen und US-amerikanischen Regierung an die jüngsten Vermittlungsergebnisse des russischen Premierministers Primakow lässt die Befürchtung zu, dass es der NATO in Jugoslawien keineswegs nur um die dort drangsalierten Kosovo-Albaner geht. Zumindest der US-Administration scheint es auch um die Statuierung eines Exempels zu gehen, eines Exempels mit zwei Komponenten: Einmal muss sich auch die europäische Politik in letzter Konsequenz an die politischen und militärischen Vorgaben der USA halten, und zum anderen wird faktisch vorweggenommen, was der NATO-Gipfel Ende April bei der Verabschiedung der neuen NATO-Strategie verkünden wird: Künftig wird sich die NATO bei ihren Militäreinsätzen weder vom UN-Sicherheitsrat leiten noch vom geltenden Völkerrecht behindern lassen. Die NATO wird selbst entscheiden, wo, wann und unter welchen Umständen sie die Waffen "sprechen" lassen will. Wenn dieses Beispiel Schule macht, haben die Vereinten Nationen ausgedient und wird das internationale Völkerrecht durch das - mit High-Tech-Waffen ausgestattete - "Faustrecht" ersetzt. Wenn das die Perspektiven für die Zukunft sein sollen, dann graut uns vor den nächsten 50 Jahren NATO! 6. Möglich ist aber auch, dass die Allianz, die 1949 als reines Verteidigungsbündnis gegründet wurde, Risse bekommt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist der Kampfeinsatz der Bundeswehr gegen Jugoslawien längst nicht so mehrheitsfähig, wie es nach den einschlägigen Bundestagsentscheidungen schien. In der Bevölkerung, in den Regierungsparteien und im Parlament nehmen die Stimmen zu, die ein sofortiges Ende der Luftangriffe und eine Rückkehr zur Politik befürworten. Es ist eine Illusion zu glauben, politische Lösungen könnten im Angesicht des Krieges gefunden werden. Daher appellieren wir an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, in einer baldigen Sondersitzung die Beendigung der völkerrechtswidrigen Kampfeinsätze zu beschließen. 7. Die Friedensaktivitäten in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern werden in den nächsten Tagen zunehmen, sie stoßen allerorts auf wachsendes öffentliches Interesse und auf eine wachsende Zustimmung in Teilen der Bevölkerung. Die bevorstehenden Ostermärsche, die in vielen Städten und Regionen (teilweise auch länderübergreifend) stattfinden, werden den zunehmenden Willen zum Ausdruck bringen, den Krieg in Jugoslawien und das Morden im Kosovo zu stoppen. Es gibt keine Alternative zum Frieden. | |
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Für den Bundesausschuss Friedensratschlag (Dr. Peter Strutynski, Kassel) Bei Rücksprachen: Tel. (dienstl.): 0561/8042314, FAX 0561/8043738; Tel. (privat): 0561/311693 E-Mail: strutype@hrz.uni-kassel.de | |
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