Redebeitrag für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung in Gronau am 6. August 2017 von Dr. med. Angelika Claußen (Europavorsitzende der IPPNW)

 

- Es gilt das gesprochen Wort -

- Sperrfrist: 6.8.2017, Redebeginn, ca 13 Uhr -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Heute vor 72 Jahren: Hiroshima und Nagasaki 6. und am 9. August 1945. Wir gedenken heute der 92.000 Menschen die innerhalb weniger Stunden durch die Atombombenabwürfe verstarben. Erst kam der Feuerball, dann die Druckwelle, die Feuersbrünste, die durch Hiroshima und Nagasaki jagten und schließlich die hohe radioaktive Strahlung. Die beiden Städte wurden vollkommen vom nuklearen Inferno ausgelöscht. In den darauf folgenden Wochen verstarben durch die Atombombenabwürfe weitere 100.000 Menschen, weil es keine medizinische Infrastruktur gab, ihre Verletzungen, Verbrennungen, die schweren Strahlenschäden zu behandeln.

Wir gedenken heute ebenso der Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Opfer, die durch die 2000 Atombombentests der Atomwaffenstaaten USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China schwer geschädigt wurden oder dauerhaft an Krebs- und anderen strahlenbedingten Krankheiten leiden.

( - Schweigeminute - )

Das Vermächtnis der Atombombenopfer oder Hibakusha (japanisch) an uns heißt: Wir wollen eine Welt frei von atomarer Bedrohung.

Jetzt, nach 72 Jahren, ist Historisches geschehen: 122 Staaten haben auf der UN-Konferenz in New York am 07.Juli 2017 einen zur völkerrechtlichen Ächtung von Atomwaffen. Sobald der Vertrag von mindestens 50 Staaten ratifiziert ist, werden Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Weitergabe, Erwerb, Besitz, Testung und der Einsatz von Atomwaffen gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Vertrag wird ab dem 20. September 2017 bei der UN-Generalversammlung feierlich zur Unterschrift freigegeben.

Was bedeutet eine solche völkerrechtliche, vertraglich bindende Ächtung von Atomwaffen für Deutschland und für den Standort Gronau mit seiner Urananreicherungsanlage?

Den Menschen der Zivilgesellschaft ist seit langem klar: Atomares Säbelrasseln bedroht uns Menschen, alle Menschen und unsere Umwelt weltweit. Die Drohung mit Atomwaffen kann weder Frieden noch Stabilität und Sicherheit in unserer instabilen Welt schaffen. Die Militärdoktrin der gegenseitigen nuklearen Abschreckung ist Langem obsolet.

US-General Lee Butler, der zuständige amerikanische Oberbefehlshaber für Atomwaffen, nannte nach seiner Pensionierung „Glück und Gottes Hilfe“ als Grund dafür, dass trotz Atomwaffenbedrohung nichts Schlimmeres passiert sei. Heute streitet er für den Atomwaffenverbotsvertrag.

Schon jetzt verstößt die Lagerung 20 US-Atomwaffen in Büchel gegen die Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags. Ebenso die Tatsache, dass Bundeswehrsoldaten den Abwurf von Atomwaffen über feindlichen Städten trainieren.

Wenn der politische Wille da ist, kann die Bundesregierung den Parlaments-beschluss aus dem Jahr 2010 wieder aufgreifen, indem der Abzug der 20 US Atomwaffen aus Büchel beschlossen wurde, und umsetzen. Dafür setzen wir uns ein, indem wir jetzt zu den Bundestagskandidaten gehen und dafür werben!

Das gilt ebenso für beide Kanzlerkandidaten: Frau Merkel und Herr Schulz, wir fordern Sie auf, endlich den Abzug der US – Atomwaffen aus Büchel in der gewählten neuen Regierung umzusetzen

Wenn der politische Wille da ist, können Atomwaffen innerhalb kurzer Zeit abgeschafft werden. Nach dem der Vertrag in Kraft getreten sein wird, können natürlich auch die Atomwaffenstaaten dem Vertrag beitreten und ihre Bereitschaft bekunden einen zügigen Schritt-für Schritt Abrüstungsprozess zu beginnen. Die Regierungen der Atomwaffenstaaten versuchen uns Menschen weiszumachen, dass eine solche Zukunftsperspektive völlig undenkbar sei und sie unter keinen Umständen abrüsten können. Aber sie irren sich: die Zukunft ist offen!

Zivilgesellschaftliche Initiativen weltweit halten den Druck auf die Atomwaffenstaaten weiter aufrecht: für die Ächtung und die Abschaffung von Atomwaffen.

Und was bedeutet der Vertrag für die UAA Gronau? Schon jetzt ist offen geworden, dass die UAA Gronau Aufträge des amerikanischen Energieversorgers TVA entgegengenommen, dessen Atomkraftwerke auch der Tritiumproduktion für das US-Atombombenprogramm dienen. Das würde gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium behauptet, es habe keine Kenntnis über derartige Aufträge. Das erscheint uns unglaubwürdig.

Das Bundesumweltministerium hatte einen Auftrag gegeben, mögliche Wege einer Schließung der Atomanlagen in Gronau und der Brennelementefabrik Lingen auf Rechtssicherheit zu prüfen. Angesichts der politischen Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik, dem Erstarken einer FDP mit aggressivem neoliberalem Programm und einem Minister Pinkwart in der Landesregierung, der diese Politik sogleich mit einem Antrittsbesuch bei der Urenco in Szene setzte, braucht es eine starke Antiatombewegung und eine starke Friedensbewegung. Daran müssen wir arbeiten.

Den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen wäre ein notwendiger und glaubwürdiger Handlungsschritt seitens der Bundesregierung, dass sie es mit ihrem Willen zu atomarer und konventioneller Abrüstung ernst meint. Gleichzeitig würde sie damit eine deutliche Botschaft an die Urenco GmbH geben, dass die Regierung die Urenco hinsichtlich möglicher waffentechnischer Deals kontrolliert und dass es für Willfährigkeit im Sinne der sogenannten „marktkonformen Demokratie“ klare Grenzen gibt.

Wir fordern die jetzige und die zukünftige Bundesregierung auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten und den Atomausstieg aus der zivilen wie der militärischen Nutzung der Atomenergie endlich komplett zu vollziehen.

Vielen Dank!