Rede bei der Demo am 9.10.2021 gegen Steadfast Noon in Nörvenich

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Friedensfreundlnnen, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich heute zu Euch und lhnen sprechen darf. Mein Name ist Susanne Rössler und ich bin Pfarrerin.

Wir wollen unserem Protest gegen Atomkriegsmanöver und unserer Sehnsucht nach Frieden Ausdruck geben.

Letzte Woche war ich in meinem Geburtsort im Spreewald und sah zu meiner Freude am Pfarrhaus diese Fahne über der Eingangstür hängen.

Etwas verwittert, vielleicht schon 40 Jahre alt. 1980 wurde die Skulptur des russischen Bildhauers Jewgeni wiktorowırh Wutschetisch zum Symbol der christlichen Friedensbewegung in der DDR und bald darauf in Ost und West. Zu sehen ist ein Mann, der ein Schwert zu einem Pflug umschmiedet. Die Skulptur aus Bronze war 1959 ein Geschenk der Sowjetunion an die Uno. Seitdem steht sie im Garten des UNO-Hauptgebäudes in New York und erinnert an die Friedensziele der UN-Charta.

Die Älteren unter uns erinnern sich an die Stationierung von Mittelstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen in beiden deutschen Staaten Ende der 70er und das neu einsetzende Wettrüsten. Gerade die Jugendlichen hatten ein Gespür für die atomare Bedrohung und setzten sich für Abrüstung ein. Jugendliche aus der DDR trugen auf ihren Jacken diese Aufnäher. Für viele unter ihnen hatte das Engagement einen hohen Preis: Ausschluss von Berufsausbildung und Schule, Exmatrikulation an der Uni, Abnahme der Personalausweises.

Jugendliche in Westdeutschland zeigten ihren Protest mit Aktionen zivilen Ungehorsams und auf den großen Demos im Bonner Hofgarten.

Die Friedensbewegung war grenzüberschreitend geworden. 1983 waren 500.000 Menschen aus ganz West-Europa nach Bonn gekommen, um gegen Atomwaffen und für Abrüstung und Entspannung zu protestieren.

Und in Osteuropa ließ sich eine immer größer werdende Anzahl von Menschen nicht mehr einschüchtern. Die alljährlichen Friedensdekaden in den Kirchen wurden zu einer intensiven Beschäftigung mit diesem Thema genutzt und pazifistische Forderungen und Vorstellungen konkretisiert. Weltweit!

Nach den Verschiebungen im Machtgefüge 1989 gab es Übereinkünfte bei der atomaren Abrüstung. Sicher ein Erfolg! Um die Friedensbewegung wurde es stiller. Aber verschließen wir nicht die Augen davor, wie viele Kriege es an anderen Orten gab, Kriege um Macht und Einfluss und um Rohstoffe: Ich denke an die Kriege im Irak, im Kosovo und in Bosnien, in Syrien und in Afghanistan, in Mali und im Nahen Osten. Und am Ende stehen Tod und Krankheit, Armut und Hunger, unbewohnbare Städte und verwüstetes Land, Hass und Ohnmacht, Flucht und Vertreibung. Und die Forderung der Erhöhung der Rüstungsausgaben steht schon längst wieder im Raum.

lm Rückblick auf das 20. Jahrhundert mit seinen Kriegen haben die meisten Kirchen in D sich erneut mit dem Friedensthema beschäftigt.

2018 hat z. B. die Rheinische Kirche auf dem Hintergrund internationaler kirchlicher Debatten ein Friedenswort formuliert, das einen Paradigmenwechsel beschreibt. Sie will Kirche des gerechten Friedens werden. Man kann es auch so sagen: Wer den Frieden will, muss den Frieden – und nicht den Krieg - vorbereiten.

Das bedeutet, grundsätzlich zivilen gewaltfreien Konfliktlösungen Vorrang zu geben vor militärischen Ansätzen, sowie Methoden und Instrumente der gewaltfreien Konfliktbearbeitung zu stärken.

Das bedeutet, in einem kollektiven weltweiten Prozess Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen frei von Angst und Not leben können, dass Feindschaft, Diskriminierung und Unterdrückung überwunden werden.

Das bedeutet, eine gerechte nachhaltige Wirtschaft zu fördern, die die Integrität der Schöpfung bewahrt.

Und was mir besonders wichtig und anspruchsvoll erscheint: dass den Erfahrungen der am stärksten gefährdeten Menschen Vorrang eingeräumt wird.

Das ist ein echter Blickwechsel. Den Weg des Friedens zu gehen auf dem Hintergrund und mit dem Vorrang der Erfahrungen der Gefährdetsten.

Mit dem konsequenten Einsetzen für den Frieden verbinden wir als rheinische Kirche die Forderung nach dem Verbot von Rüstungsexporten. Wir fordern den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen. ln diesem Zusammenhang fordern wir auch den Abzug statt der Modernisierung der Atomwaffen in Büchel und der anderen Atomwaffen in Europa. Die Bereithaltung atomarer Waffen ist d.eı=n'na-eh kein legitimes Mittel mehr, um Freiheit und Frieden auf dieser Erde zu bewahren.

Heute protestieren wir hier in Nörvenich gegen ein Atomkriegsmanöver, über das weitgehende Geheimhaltung bewahrt wird. Wir wissen aber, dass jedes Jahr die NATO-Mitgliedstaaten der nuklearen Teilhabe mit Attrappen üben, wie atomare Vernichtungswaffen ins Ziel gebracht werden. Das was so technisch und harmlos klingt, bedeutet im Kriegs- und Spannungsfall die nukleare Zerstörung und langfristige Schädigung von Städten, Dörfern und Ländern, ihrer Infrastruktur und ihrer Bewohnerinnen.

Deshalb fordern wir die Absage dieses und aller weiteren Atomkriegsmanöver und die Beendigung der nuklearen Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland. Die Einübung in den Atomkrieg ist nicht hinnehmbar, ethisch nicht zu vertreten. Sie missachtet das Recht auf Leben.

Schwerter zu Pflugscharen bleibt ein gutes Motiv. Es stammt aus der Bibel. lm Buch des Propheten Micha wird uns verheißen: Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Was für eine wunderbare Aussicht. Treten wir gemeinsam über alle Verschiedenheit hinaus für das gemeinsame Ziel ein: Friede für alle Völker.

 

Susanne Rössler ist Ev. Pfarrerin in Düren.