Redebeitrag für den dezentralen Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in München

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Europa wird wieder von den Schrecken des Krieges heimgesucht. Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands in der Ukraine bestürzt und empört uns alle. Nichts kann und darf solche Kriege rechtfertigen.

Laut UNO sind bereits über 5.916 Zivilisten gestorben, darunter Frauen und Kinder und zehntausende Männer auf allen Seiten der Front. Die Friedensbewegung beteiligt sich nicht an der Doppelmoral Deutschlands und der NATO: Der Tod von Menschen ist nie zu rechtfertigen, egal wer den Krieg führt. Daher möchte ich an dieser Stelle neben den Ukrainer*innen auch den 238 000 Toten, davon 71 000 Zivilisten, in Afghanistan und Pakistan und den Toten in Kurdistan gedenken, die den Kriegen von Nato-Staaten zum Opfer gefallen sind.

Über 9 Millionen Ukrainer*innen sind geflohen. Wir begrüßen die unkomplizierte Aufnahme von Ukrainer*innen, denn es gilt, so viele Menschen zu retten, wie nur möglich. Aber wir fragen auch, warum Menschen mit meiner Hautfarbe und dunkler, jedes Jahr zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken, weil ihnen eine legale und humanitäre Einreise nach Europa verwehrt bleibt. Wir fordern Deutschland und die EU auf, diesen Rassismus in der Flüchtlingspolitik ein für allemal zu beenden!

Und wir fordern die EU-Staaten auf: Nehmt alle Menschen, die sich weigern, andere zu erschießen, aus Russland, Belarus, der Ukraine und weltweit genauso unkompliziert auf. Denn diese friedensliebenden Menschen sind derzeit die Einzigen, die im Krieg das Menschenrecht auf Leben bedingungslos verteidigen.

Daher ist die Friedensbewegung auch entsetzt, hier in diesem Land mit seiner besonderen Geschichte, wieder Siegespropaganda zu hören. Wie z.B. der Hype um immer mehr deutsche Waffenlieferungen oder die Falschaussage von Annalena Baerbock, dass dies der erste völkerrechtswidrige Krieg in Europa seit 1945 sei. Diese Falschaussage übergeht den völkerrechtswidrigen Krieg der NATO 1999 im ehemaligen Jugoslawien, mit dem Ziel, eine militärische Zeitenwende in Deutschland zu begründen.

Wir wissen alle: Putin wird diesen Krieg nicht beenden, aber auch noch so viele Waffenlieferungen von NATO-Staaten werden keinen Frieden schaffen, sondern noch tausende weitere Tote fordern. Wir fordern, einen sofortigen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung, die die Sicherheit aller beteiligten Länder austariert und dauerhaft garantiert!

Egon Bahr und Willi Brandt wussten, dass es nur eine Lösung geben kann: Eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur, ganz unabhängig von unserer Haltung zum despotischen Regime Russlands. Frieden in Europa kann es nur gemeinsam geben. Doch statt die OSZE nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auszubauen, hat die NATO mit ihrer Osterweiterung, Russland immer weiter ausgegrenzt. Wir fordern Deutschland und die EU auf, endlich zu tun, was sie schon seit 30 Jahren hätten tun müssen, um solche Kriege zu vermeiden: Den Aufbau einer europäischen Friedensarchitektur im Rahmen der OSZE. Denn dieser Krieg zeigt, dass das Militärbündnis NATO kein Garant für Frieden ist, weder in Europa noch weltweit.

Der Ukrainekrieg dient jetzt als Vorwand für eine nie dagewesene Aufrüstung in Deutschland: 100 Milliarden Sonderverschuldung und die Aufstockung des Verteidigungsetats um 25-30 Milliarden Euro. Mit 25 Milliarden Euro könnten jährlich 45 Millionen Menschen vor dem Hungertod gerettet werden, 450 000 Sozialwohnungen gebaut werden und wären immer noch 15 Milliarden für den so dringend benötigten ökologischen Umbau da. Statt einer militärischen Zeitenwende, brauchen wir eine zivile, bunte, soziale und ökologische Zeitenwende!

Frieden schaffen ohne Waffen, das war die Losung der Grünen in ihren Anfangszeiten. Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur durch Annäherung, war mal die Losung der SPD. Das ist heute genauso richtig wie damals. Lasst uns die Lehren aus dem 2. Weltkrieg gerade hier in Deutschland niemals vergessen.

Daher lehnen wir eine militärische Zeitenwende für Deutschland ab!

Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen auf Basis einer Friedenslogik statt der derzeitigen Kriegslogik!

Wir fordern Gelder für globale Gerechtigkeit und Klima- und Umweltschutz statt für Militär und Aufrüstung!

Wir fordern eine rassismusfreie Flüchtlingspolitik und die Aufnahme aller Kriegsdienstverweigerer!

Vielen Dank.

 

Michaela Amiri ist aktiv beim Münchner Friedensbündnis.