ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch Rhein-Ruhr in Dortmund am 13. April 2020

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Europa ist in Gefahr.

In Gefahr ist eines der größten Zivilisations- und Friedensprojekte in der Geschichte der Menschheit.

Der EU droht wegen mangelnder Solidarität der Mitgliedstaaten eine erneute Spaltung.

Die Solidarität fehlt, geflüchteten Kindern, unbegleiteten Minderjährigen, Frauen und Männern auf den griechischen Inseln Schutz zu gewähren. Menschen, die vor Kriegen, politischer und anderer Verfolgung sowie vor den Folgen des Klimawandels fliehen, leben schon seit langem unter desaströsen Bedingungen. Jetzt sind sie noch zusätzlich den tödlichen Gefahren des Corona Virus ungeschützt ausgesetzt.

Die EU Mitgliedstaaten müssen endlich handeln: Holt die Menschen von den griechischen Inseln! Fangt endlich mit den Kindern und den besonders Verletzlichen an!

Die Solidarität fehlt auch bei der Bewältigung der ökonomischen Folgen der Corona-Krise.

Eurobonds sind wichtige Instrumente, um den Staaten insbesondere in Südeuropa die Chance zu geben, ökonomisch wieder auf die Beine zu kommen.

Wenn aber die Solidarität dermaßen grundlegend in Frage gestellt wird, dann ist nicht nur Europa bedroht, sondern auch der Frieden!

Die Gründung der EU hatte das Ziel, den Nationalismus zu überwinden.

Der Nationalismus und insbesondere der deutsche Nationalismus waren der Hauptgrund für zwei verheerende Kriege in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Wenn heute wieder nationalistische und faschistische Kräfte Zulauf erhalten, ist das für den Frieden in Europa zutiefst besorgniserregend.

Es muss Schluss sein mit der Verharmlosung von Nazis. Rassismus, Antisemitismus und Frauenhass müssen wir konsequent bekämpfen!

75 Jahre nach der Befreiung bleibt die Losung „Nie wieder Faschismus Nie wieder Krieg“ aktuell und dringlich.

Unser Engagement für Frieden und Abrüstung ist nötiger denn je: Denn seit etwa 10 Jahren nimmt die internationale Gewaltanwendung wieder zu, nachdem sie in den vorigen Jahrzehnten rückläufig war.

Auch rund um Europa sehen wir viele Konflikte, die ein Eskalationspotenzial besitzen, und den Frieden in Europa bedrohen:

Der völkerrechtswidrige Einmarsch der Türkei in Syrien ist auf das Schärfste zu verurteilen und ein weiterer Krisenherd in der Nähe Europas.

Kriege und militärische Interventionen sind kein Beitrag für eine zivile und nachhaltige Lösung der internationalen Konflikte. Im Gegenteil: Sie verschärfen die Konflikte in der Welt und führen nur zu mehr Not und Elend, wie es zuletzt im Irak, in Libyen, Afghanistan und Syrien geschah.

Wir brauchen diplomatische und gewaltfreie Strategien zur Konfliktlösung.

Heute besteht die wichtigste Aufgabe der internationalen Politik darin, die Konflikte einzudämmen und einzuhegen und eine weitere Eskalation zu vermeiden.

Aufrüstung ist der falsche Weg.

In der EU gibt es Versuche, die EU zu militarisieren und zu einer Militärmacht auszubauen.

Mit dem Aufbau der europäischen Verteidigungsgemeinschaft soll der Weg für massive Aufrüstung und zu einer international operierenden Interventionsstreitmacht bereitet werden. Für die Rüstungsforschung und – beschaffung sollen 38,5 Milliarden Euro bis 2027 ausgegeben werden. Statt die Gelder für Rüstung zu verpulvern, braucht Europa Investitionen in die Zukunft!

In Zeiten der Coronakrise sollten alle Waffen schweigen und alle Kräfte dafür mobilisiert werden, den Menschen im globalen Süden vor dem Virus Schutz zu bieten.

Die NATO-Staaten wollen, dass die nationalen Regierungen jeweils 2 Prozent des BIPs für Rüstung ausgeben sollen. Das ist strikt abzulehnen. Schon jetzt geben die NATO-Staaten ein Vielfaches für Rüstung im Vergleich zu Russland aus.

Die NATO und Russland befinden sich in Europa wieder in einer Art neuen Kalten Kriegs. Die NATO-Osterweiterung und auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die kriegerischen Konflikte in der Ost-Ukraine tragen zur Verschärfung der Spannungen bei.

Ebenso droht mit dem Auslaufen des NEW-START-Vertrages in 2021 ein neues Wettrüsten bei den atomaren Langstreckenraketen, die mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen sollen. Das erhöht das Risiko der atomaren Vernichtung durch falsche Einschätzungen von militärischen Maßnahmen.

Wir appellieren an die Regierungen der USA und Russlands: Hört endlich mit diesem Wahnsinn auf. Wir haben wahrlich anderes zu tun.

Im Verhältnis zu Russland muss die EU stärker auf Kooperation statt auf Konfrontation setzen. Deswegen halte ich es zum Beispiel für richtig, dass die Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland zu Ende gebaut wird. Die Blockade durch die Regierung der USA ist inakzeptabel.

Wir brauchen neue mutige Schritte:

Notwendig ist eine Politik der Entspannung und Zusammenarbeit.

Europa braucht Rüstungskontrollgespräche!

Europa muss atomwaffenfrei werden.

Deutschland muss dem internationalen Vertrag zur Abschaffung der Atomwaffen beitreten.

Rüstungsexporte müssen europaweit gestoppt werden. Es muss ein sofortiger Stopp der Waffenexporte an Staaten erfolgen, die gegen die Menschenrechte verstoßen.

Wir wollen ein Europa des Friedens und der Abrüstung. Das ist ein Europa der Solidarität!

Vielen Dank!

 

Dr. Dietmar Köster ist Mitglied des Europäischen Parlamentes (MdEP) für die SPD.

 

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