Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2021 in Schwäbisch Hall

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
liebe Mitstreiter und liebe Mitstreiterinnen,

ich freue mich heute mit Euch auf der Straße zu sein, zusammen die Parteibüros besucht zu haben und gemeinsam laut zu fordern: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Abrüstung statt Aufrüstung!

Kriege und Militärapparate sind zerstörerisch – sowohl für Menschen, als auch für die Umwelt und das Klima, wie mein Vorredner Siggi Hubele es bereits ansprach.

Um genau zu wissen, wie zerstörerisch Militär und Kriege für das Klima sind, fehlen uns die Zahlen. Die militärisch verursachten Emissionen spielen in den Gesamtemissionen, die reduziert werden sollen, keine Rolle – weder im Klimapaket 2030 der Bundesregierung noch auf internationaler Ebene im Pariser Abkommen von 2015.

Dabei wissen wir durch Schätzungen, dass diese enorm sind. Prof. Neta Crawford zeigt z.B. in ihrer Studie von 2019, dass das US-amerikanische Verteidigungsministerium der größte institutionelle Treibhausgasverursacher der Welt ist – umd nach Schätzungen hat die Bundeswehr ganze 60% der CO2-Emissionen aller Bundesinstitutionen zu verantworten.

 

Liebe Friedensfreunde und liebe Friedensfreundinnen,

das muss sich ändern! Es muss eine Pflicht bestehen, die Treibhausgasemissionen, die durch das Militär und die Rüstungsproduktion entstehen, zu dokumentieren und berichten, um von einer ernstgemeinten Klimapolitik zu sprechen! Da kann einer der Hauptverursacher nicht einfach ausgeklammert werden!

Diese enormen Mengen an Treibhausgasemissionen entstehen u.a. durch die fast tägliche Einübung von Krieg. Allein die NATO führt dieses Jahr 95 NATO-Übungen durch – und ihre Mitglieder im Alleingang oder zusammen mit anderen nochmal weitere 220. Sogar letztes Jahr fanden trotz der Pandemie 88 der 113 geplanten NATO Übungen statt – und damit riskierten die Militärs auch eine Verbreitung des Coronavirus.

Bei diesen Übungen werden immer wieder Truppen und Militärgerät quer über den Globus verlegt. Bevor sich Soldat*innen an diesen Manövern beteiligen, lernen sie mit Kriegsflugzeugen zu fliegen, oder auch Kriegsschiffe und Panzer zu fahren. Die Emissionen dieser Großgeräte sind enorm. Ein Leopard2 Panzer verbaucht stolze 500l Diesel für 100 km im Gelände und ein Kampfjet des Typs Eurofighter ganze 3.500 kg Treibstoff für eine Stunde in der Luft. Es wurde mal zusammengetragen wie viele Stunden nur diese Eurofighter der Bundeswehr in einem Jahr in der Luft waren – im Jahr 2018. Es waren ganze 10.000 Stunden – um die Emissionen, die in den diesen 10.000 Stunden entstanden sind, auszugleichen, müssen rund 9 Millionen Bäume geplanzt werden.

Hinzu kommen die Unfälle – alles, was das Militär macht, kann schiefgehen.

U-Boote sinken – bis heute liegen gesunkene und ungeborgene Atom-U-Boote auf dem Grund der Meere und Ozeane –, Pipelines kriegen Lecks und aus ihnen tritt Treibstoff aus, Schiffe kollidieren. Mit Fahrzeugen kommt es zu Unfällen und Luft-Boden-Übungen lösen immer wieder Brände aus. Das bekannteste Beispiel dürfte der Brand in Meppen im Jahr 2018 sein – damals brannte das Moorgebiet vier Wochen lang. Mehr als 500.000 Tonnen CO2 wurden dabei freigesetzt. Und zu dem Zeitpunkt herrschte Waldbrandgefahr, sodass sogar davon abgeraten wurde, im Wald zu rauchen. Aber die Bundeswehr feuerte zur Übung Raketen aus der Luft auf den Boden, auf das Moor.

 

Liebe Mitstreiterinnen und liebe Mitstreiter,

mit dem voranschreitenden Klimawandel brennen die Wälder wie nie zuvor – es wird Jahrzehnte dauern, bis sich die Wälder von den Bränden dieses Sommers in der Mittelmeerregion erholt haben – im Falle der Olivenbäume wird es Jahrhunderte dauern, bis sie wieder die gleiche Menge an Ernte abgeben können. Antimilitarist*innen aus Süditalien fordern daher Löschhelikopter statt der geplanten Anschaffung von weiteren Kampfjets durch die italienische Regierung!

 

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,

Kriegsübungen heizen politische Eskalationspiralen an und ebenso die globale Erderwärmung. Es ist verantwortungslos, für die Einübung von Krieg und Zerstörung in Zeiten des voranschreitenden Klimawandels immer wieder Wälder und Moore in Brand zu setzen und die Umwelt zu zerstören, von der wir letzen Endes abhängig sind.

Zerstörerischer als die Militärübungen sind die Kriege selbst. Schauen wir nach Afghanistan. 40 Jahre Krieg – davon 20 Jahre NATO Intervention – haben ihre Spuren hinterlassen. Mehr als 200.000 Zivilist*innen wurden getötet. Die zahlreichen Luftschläge haben Gifte in den Boden und in das Grundwasser treten lassen, sie haben Wälder und den Lebensraum zahlreicher Tierarten und die Lebensgrundlage der Menschen zerstört und 85% der Zugvögel dazu begracht, ihre Flugroute zu ändern.

In Afghanistan sind nur noch 3% der gesamten Fläche bewaldet. 75% der Fläche ist von Desertifikation bedroht – es fehlen die Bäume, um dies zu stoppen. 70-80% der Bevölkerung leben von Landwirtschaft – schon jetzt leidet ein Drittel der Bevölkerung an Hunger.

Der Krieg hat die Wälder zerstört – durch die Luftschläge, durch die Menschen, die vor Kampfhandlungen flohen und die Bäume fällten, um Feuerholz zu haben und sich einen Unterschlupf zu bauen, um zu überleben. Durch die Geschäftleute, die das Bauholz über Pakistan verkauften. Vergiftet wurden die Böden und die Luft auch durch das Verbrennen von Müll durch das Militär – die USA verbrannten bis zu 400 Millionen Tonnen Müll an einem Tag in Afghanistan. Dafür wurden Löcher ausgehoben, elektronische Geräte, Uniformen, giftiger Müll und alles was verschwinden sollte, kamen rein, wurden mit Kerosin übergossen und angezündet. Dadurch wurde die Umwelt aber auch die Gesundheit der Soldat*innen und der Bewohner*innen der Region geschädigt.

Die Beispiele enormer Umweltzerstörung und Massen an freigesetzten CO2-Emissionen aus Kriegsschauplätzen sind vielzählig. Denken wir an die monatelang brennenden Ölquellen in Kuwait, an Agent Orange, das bekannteste der 18 in Vietnam verwendeten Herbizide, durch die 36% der mangrovenwälder Südvietnams zerstört wurden – Mangroven, die jetzt mit dem steigenden Meeresspiegel schmerzlich fehlen. Denken wir an die Atomtests Frankreichs in Algerien, der USA im Pazifik ua.a. auf den Marshallinseln, von Großbritannien in Australien. Noch heute leiden die Menschen vor Ort an den Folgen.

Denken wir ganz aktuell an den Jemen – seit März 2015 wurden mehr als 20.000 Luftschläge ausgeführt. Mehr als 80 Fabriken wurden zerstört – einige von ihnen stellten Nahrungsmittel her und damit verschlimmerte die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition die bereits größte humanitäre Katastrophe weltweit. Fabriken sind oft Ziele bei Kriege – ebenso Raffinerien, Ölkraftwerke und weitere Infrastruktur.

 

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,

die Forderung nach Frieden und Klimaschutz gehören zusammen. Oftmals finden Militäreinsätze auch zur Sicherung des Zugangs zu fossilen Brennstoffen statt – ebenso werden ihre Transporte häufig militärisch gesichert. Das muss ein Ende haben!

 

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,

das Militär schützt nicht vor den Folgen des Klimawandels, sondern beschleunigt ihn. Seit rund 20 Jahren wird der Klimawandel in der EUropäischen Kommission als Sicherheitsproblem dargestellt und nicht mehr als umweltpolitische Thematik.

Durch den Klimawandel entstünden Kriege, Menschen würden fliehen und Staaten zerbrechen. Dafür braucht – überspitzt gesagt – das Militär mehr Soldat*innen und mehr Ausstattung, um darauf reagieren zu können. Die Rüstungs- und die Sicherheitsindustrie müssen gefördert werden.

Das ist Quatsch!

Es geht dabei nicht darum, die Ursachen zu bekämpfen, sondern die eigenen Sicherheitsinteressen, die eigenen Wirtschaftsinteressen zu schützen – kurz: die „europäische Lebensweise“, wie die EU-Kommission sie nennt, und ihr Wohlstand.

Doch diese „europäische Lebensweise“ beruht auf kolonialen Ausbeutungsverhältnissen, auf einer Wirtschaftsweise, die Krieg bedingt und Mensch und Natur ausbeutet. Diese Lebensweise gilt es abzulegen und nicht zu schützen!

 

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,

unser Wohlstand ist dieser Planet, mit all seinen Pflanzen und Tieren. Er ist trinkbares Wasser, bewirtbarer Boden und saubere Luft. Er ist unsere Zuversicht, dass wir eine solidarische und eine ökologische Zukunft schaffen können, in der alle Menschen in Würde leben.

Um einer solchen Welt ein Stück näherzukommen, fordern wir Abrüstung statt Aufrüstung!

Es ist höchste Zeit, unseren Planeten und das Leben der Menschen vor Profite zu stellen und zu schützen – und das geht besser ohne Militär!

Wir brauchen die Gelder, die in Militär und Rüstung fließen, für wichtige Sachen, für die Krankenhäuser und ein funktionierendes Gesundheitssystem, freie Bildung für alle, bezahlbares Wohnen sowie weitere soziale Infrastruktur und für Klimaschutzmaßnahmen.

Ihre „Ökonomie der Angst“ und ihre Kriege lehnen wir ab, für eine Welt ohne Krieg und unsere Zuversicht, dass wir eine andere Welt schaffen können, stehen wir hier.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

 

Jaqueline Andres ist aktive bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen.