Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2021 in Darmstadt

 

- Sperrfrist: 1.9.21, Redebeginn: 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Abrüsten statt aufrüsten - Zum „Zwei-Prozent-Ziel“ der NATO

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute vor 82 Jahren begann mit dem Überfall deutscher Truppen auf Polen ein Eroberungs- und Vernichtungskrieg, der mit 42 Millionen toten Zivilisten, mit 25 Millionen toten Soldaten und der Zerstörung ganzer Länder wie zum Beispiel Griechenland, Polen und der Sowjetunion endete.

Auch in Deutschland lagen alle deutschen Großstädte und viele Mittel- und Kleinstädte in Trümmern. Fast 200.000 Menschen fielen den Luftangriffen zum Opfer.Darmstadt wurde zu 52%, die Kernstadt fast vollständig zerstört. In der sogenannten Brandnacht vom 11. auf 12. September 1944 fanden etwa 12.000 Menschen den Tod.

Dennoch fiel den Politikern der Bundesrepublik nichts anderes ein, als bereits 1950 als streng „Geheime Bundessache“ die Aufstellung einer neuen Wehrmacht von 500.000 Soldaten zu planen. Verständlicherweise hatte die überwiegende Mehrheit der Deutschen die Nase voll von Krieg und Soldatentum und lehnte eine Remilitarisierung entschieden ab.

Doch die restaurativen Kräfte - die Schaltstellen waren bereits wieder von alten Nazis besetzt - diffamierten die Gegner der Aufrüstung als sogenannte „Fünfte Kolonne“, d. h. als Helfer Moskaus.

Noch bevor die ersten 101 Soldaten im November 1955 ihre Ernennungsurkunden zum freiwilligen Dienst in der neuen Wehrmacht erhalten hatten, war die BRD im Mai 1955 als 15. Mitgliedsstaat der 1949 gegründeten NATO beigetreten. Viele der Soldaten, vor allem Offiziere und Generale, hatten bereits am Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nazis teilgenommen. Die bis 1957 ernannten 44 Generäle und Admirale kamen alle aus Hitlers Wehrmacht, etwa 300 stammten aus dem Führerkorps der SS.

2009 bezeichnete der damalige NATO-Generalsekretär die NATO als die „erfolgreichste Friedensbewegung der Welt“ und Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer wiederholte neulich „Die NATO schafft Frieden und Freiraum“.

Diese selbsternannte „Friedensbewegung“ zeichnet sich durch das Führen von Kriegen mit oder ohne UN-Mandat aus. Wir erinnern uns:

1986 gegen Libyen, 1991 gegen Kroatien und Slowenien, 1999 gegen Serbien (erstmals seit dem Ende des 2. Weltkrieges wieder mit deutscher Beteiligung), 2001 gegen Afghanistan (BK Schröder sicherte dem US-Präsidenten am 12. September 2001 die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zu), 2003 gegen den Irak, 2011 gegen Libyen und Syrien und 2015 gegen den Jemen und Syrien.

Die Nato, die erfolgreichste Friedensbewegung der Welt?

Als NATO-Mitglied leistete Deutschland 2017 nach den USA den zweitgrößten Anteil an der NATO-Finanzierung zur Kriegsführung in aller Welt.Aber für ihre Kriege braucht die NATO mehr Geld! Daher wurde 2002 auf einem NATO-Gipfel das 2% Ziel beschlossen - damals war Peter Struck (SPD) Kriegsminister und 2014 wurde das Ziel in Anwesenheit von Außenminister Steinmeier und Kriegsministerin von der Leyen bekräftigt. Die Staaten verpflichteten sich, den Kriegsetat innerhalb von 10 Jahren auf den Richtwert von 2% des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen. Steinmeier erneuerte im Bundestag am 22. Juni 2016: Wir haben die Beschlüsse mit vorbereitet und getragen, wir haben Verantwortung in der Umsetzung der Beschlüsse übernommen und tragen sie jetzt ... mit. Auch als Bundespräsident forderte er 2017 mehr Geld für die Bundeswehr und sagte: „Deutschland muss seine militärischen Fähigkeiten stärken“.

Gegenwärtig beträgt der deutsche Wehr- oder besser Kriegsetat über 50 Milliarden Euro, bei Erreichen des 2%-Zieles würde er bei über 70 Milliarden Euro liegen.

Vor der Bundestagswahl interessiert uns natürlich, wie die Parteien zur Erhöhung des Kriegsetats stehen:

Die CDU steht zu den Zusagen. Laschet: Wir werden das Versprechen einlösen!

Die FDP bekennt sich uneingeschränkt zur „erfolgreichen“ NATO und trägt die Beschlüsse mit.

Die Grünen eiern herum, reden von fairer Lastenverteilung, strategischen Interessen, europäischen Werten.Sie setzen sich für eine neue Zielbestimmung ein, die nicht abstrakt, national und statisch ist, sondern von gemeinsamen Aufgaben ausgeht. Das ist aus unserer Sicht ein Ja zur Erhöhung. Noch 2017 erklärten sie: 0,7% für globale Entwicklung statt 2 % für Aufrüstung. Aber das Grüne Motto lautet ja: „Alles ist drin! Da können wir uns ja auf einiges gefasst machen!

Die SPD bezeichnet sich als die Friedenspartei und eiert ebenfalls herum. Sie will eine gut ausgestattete und moderne Bundeswehr und zuverlässiger Partner der NATO sein. Sie habe daher nach vielen Jahren immer neuer Sparrunden die Investitionen im Verteidigungshaushalt erhöht. 2017 noch wollte die SPD-Führung den Streit um höhere Militärausgaben zu einem Wahlkampfthema machen und Fraktionschef Mützenich forderte im April 2021 eine Abkehr vom 2%-Ziel. Auch Finanzminister Scholz dämpfte die Erwartungen, dass Deutschland in absehbarer Zeit das 2 %-Ziel erreichen werde.Entgegen aller Wahlkampf-Rhetorik wurde der Kriegsetat von einem SPD Finanzminister und Kanzlerkandidaten in Richtung der 2 % erhöht.

Die Linke lehnt das 2%-Ziel ab.

Im Juni hat die Regierung den Etat 2022 mit Kriegsausgaben von 53 Milliarden € beschlossen. Das sind rund 3,4 Milliarden € mehr. Merke: Der Kriegshaushalt ist der „Haushalt für das Leben in Frieden und Freiheit“, so Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer!

Damit können wichtige Rüstungsprojekte realisiert werden wie zum Beispiel:

  • unter anderem für den Schützenpanzer PUMA: 1,9 Milliarden €
  • für Beschaffung von 5 Poseidon-Flugzeugen: 1,43 Milliarden €
  • für drei Flottendienstboote: knapp 2,1 Milliarden €
  • für zwei U-Boote: 2,79 Milliarden €
  • für das Luftkampfsystem „Future Combat Air System“ (FCAS): 4,5 Milliarden €(Dies ist ein Projekt für den Einstieg in die autonome Kriegsführung!)

Hinzu kommen:

Für Auslandseinsätze wurden von 1990 - 2017 mindestens 20 Milliarden € ausgegeben, wobei sogar für 7 Auslandseinsätze die Kosten nicht mehr ermittelbar sind.

Die Zahl der Soldaten soll von rund 182 000 bis 2025 auf 200000 anwachsen.

Die Nachwuchswerbung, auch von Minderjährigen kostet mindestens 35 Mio. €.

Die Verteidigung der Freiheit Deutschlands geschieht künftig auch im Weltraum. Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer hat das "Weltraumkommando" der Bundeswehr im Juli diesen Jahres „scharf geschaltet“.

Anfang August diesen Jahres schickte sie ein Kriegsschiff in den Indo-Pazifischen Raum. "Wir wollen die internationale Ordnung mitgestalten. ... Als große Handelsmacht und Exportnation haben wir ein zentrales Interesse an sicheren und freien Handelswegen“. Aha! Es sollen also wieder Seewege für die deutsche Wirtschaft militärisch gesichert werden! Das erinnert an einen ehemaligen Bundespräsidenten, der 2010 ähnlich formulierte: „... dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege ...“. Köhler trat zurück!

Was lehrt uns das alles?

Deutschlands Armee ist schon lange keine Verteidigungsarmee mehr, sondern auf Aggression und Angriff ausgerichtet. Dafür muss der Kriegsetat erhöht werden!

Den Politikern rufen wir zu: Wir zahlen nicht für eure Kriege!

Statt 50 Milliarden Euro für Kriege und Kriegsvorbereitung, fordern wir: endlich abzurüsten!

Statt 900 Millionen für Kampfdrohnen fordern wir: - Mehr Kita-Plätze, mehr Personal für die Kitas und endlich bessere Bezahlung für die dort Tätigen.

Übrigens hat die Pandemie allen gezeigt:

  • das Krankenversorgungssystem schreit nach einer Neuausrichtung am Wohl und der Gesundung der Patienten! Gesundheit ist keine Ware!
  • die skandalösen Zustände in unseren Schulen müssen ein Ende haben!
  • der öffentliche Nahverkehr benötigt massive Investitionen!

Das Ende des Kriegseinsatzes in Afghanistan hat gezeigt: Mit Kriegen lässt sich kein Frieden schaffen! Vor elf Jahren stellte Bischöfin Käßmann fest: Nichts ist gut in Afghanistan. Sie wurde dafür von den Herrschenden scharf kritisiert. Der Krieg dauerte 20 Jahre, kostete ca. 220.000 tote Zivilisten, 59 tote Bundeswehrsoldaten, 522 Tote von Hilfsorganisationen und Medien und uns mindestens über 12 Milliarden € und hinterlässt ein Trümmerfeld. Aber Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer stellte unbeirrt fest: „Die Bundeswehr hat sich im Kampf bewährt“. Die viel beschworenen „europäischen Werte“ erlaubten CDU, SPD und Grünen Flüchtlinge bis Anfang August 2021 in dieses vom Krieg verwüstete Land abzuschieben. Auf diese „europäischen Werte“ verzichten wir!

Die Konsequenz kann nur heißen: Wir brauchen kein Kriegsbündnis NATO! Frieden und Demokratie wird nicht mit Kriegen, sondern nur mit einer gerechten Weltwirtschaftsordnung erreicht! Wir zahlen nicht für eure Kriege.

Vielen Dank.

 

Peter Friedl ist aktiv bei der DFG-VK Darmstadt.