Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2021 in Bremen

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde, liebe Gäste,

ich begrüße Sie und Euch zu der heutigen Kundgebung zum Antikriegstag, die vom DGB und dem Bremer Friedensforum anläßlich des 82. Jahrestag des Beginns des II. Weltkrieges organisiert wurde.

Als erstes begrüße ich die beiden RednerInnen, Annette Düring, Vorsitzende des DGB Bremen und Jasper von Legat, Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche. Ich selbst möchte mich auch kurz vorstellen. Ich bin Petra Scharrelmann und seit vielen Jahren in der Friedensbewegung aktiv.

Bevor ich das Wort an die erste Rednerin übergebe, möchte ich ein paar einleitende Worte sagen. Es ist wahr, daß jeder Krieg mit einer Lüge beginnt. Als am 1. September die deutsche Wehrmacht Polen überfiel, ertönte aus den Volksempfängern die Stimme Adolf Hitlers, der in seiner Rede vor dem Deutschen Reichstag erklärte: „Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen!“ Natürlich war genau das Gegenteil der Fall. Die deutsche Wehrmacht hatte gerade Polen überfallen. Das Argument von der angeblichen Verteidigung wurde danach noch unzählige Male bemüht. Aus Sicht westlicher Staaten wird mit dem Mittel der Gewalt immer irgendetwas verteidigt: die freie Welt, Frauen- und Menschenrechte, die Demokratie. Und auch das nachfolgende Szenario ist immer das gleiche: Staaten werden in Schutt und Asche gebombt, Länder überfallen, ihre Regierungen abgesetzt, Menschen ermordet, vertrieben und gefoltert. Zurück bleibt ein Trümmerhaufen, bleiben Elend, Hunger und Verzweiflung so wie jetzt in Afghanistan, weswegen wir als Friedensbewegung von Anfang an gegen diesen Krieg waren. Und wenn all das immer noch nicht reicht, weil wie in Syrien die Bevölkerung des überfallenen Landes nicht so naiv ist, die Lüge von der Befreiung von einem Diktator zu glauben und sich weigert, ihre Regierung durch eine Marionettenregierung ersetzen zu lassen, wird sie mit brutalen Sanktionen überzogen, dann wird alles getan, um den Wiederaufbau des zerstörten Landes zu verhindern.

Was aber genau ist das Verbrechen, das diese Staaten begangen haben? Warum greift man sie an? Das Verbrechen ist immer das gleiche, diese Staaten sind eigene Wege gegangen, haben sich nicht dem Diktat der USA und anderer westlicher Staaten gebeugt, haben sich neokolonialen Ausbeutungsverhältnissen widersetzt. In der Logik einer monopolaren Weltordnung, wie sie die USA seit dem Ende der Sowjetunion propagieren, reicht das, um ausgelöscht zu werden. Zu dieser Logik gehört auch, daß es nur ein Militärbündnis geben darf. Der Warschauer Park wurde aufgelöst, die Nato expandiert seitdem immer weiter. Auch das wiedererstarkte, vereinte Deutschland hat sich diesen Trend zu eigen gemacht und mischt in Kriegen auf der ganzen Welt mit. Denn, so wird behauptet, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen; Verantwortung für arme unterdrückte Frauen, für nationale Minderheiten und Andersdenkende, die von der Bundeswehr geschützt werden müssen. Mißbräuchlich bedient man sich des Begriffs der Verantwortung um zu verschleiern, worum es eigentlich geht, nämlich um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen und um Einfluß. Dabei ist das westliches Verständnis von Freiheit zu einem Fluch für alle anderen Regionen der Welt geworden.

Der Westen projiziert nicht nur sein Bild von der Welt auf andere, er setzt dieses Bild als absolut und damit auch seine Interessen. Es zählt in der Welt nur das, was der Westen will. Wenn sich China wirtschaftlich entwickelt, wenn sich Rußland wieder konsolidiert, freuen wir uns nicht darüber, daß es den Menschen besser geht, wir sehen unsere Interessen in Gefahr. China konkurriert mit uns um die Rohstoffe, die wir z.B. für unsere E-Mobilität brauchen, damit wir hier in Deutschland das Märchen vom ökologischen Kapitalismus verbreiten können

China ist dabei, die USA wirtschaftlich zu überholen. Dieser Entwicklung begegnen die USA mit Kriegsdrohungen. Ich zitiere aus der aktuellen Ausgabe der „Zeitung gegen den Krieg“: „Der ehemalige US-Admiral James G. Stavridis schreibt offen und ohne Widerspruch aus Washington, dass ein Krieg gegen China vorbereitet wird.“ Uns als Friedensbewegung ist natürlich daran gelegen, alles zu tun, daß es nicht zu einem solchen Krieg kommt und darum sind wir an diesem Tag hier zusammengekommen, um nicht nur zu gedenken, sondern vor allem, um zu warnen. Damit möchte ich meine Einleitung beenden und übergebe das Wort an Annette Düring.

Als Friedensbewegung beschäftigt uns vor allem die Frage, was sich tun läßt, damit nicht länger Feindbilder geschürt werden und Feindpropaganda betrieben wird. Vor achtzig Jahren hat Deutschland Rußland in einen Krieg gezwungen, der Rußland 27 Millionen Tote beschert hat. Und nun wird seit Jahren in den Medien wieder Stimmung gegen dieses Land gemacht. Die Frage, die wir uns zuerst einmal stellen sollten, ist, welches Interesse Rußland an einem Krieg haben könnte. Die Antwort darauf lautet, keines. Und genau darum sollten wir daran arbeiten, die Bande zwischen Deutschland und Rußland zu stärken. Beide Länder verbindet eine lange Geschichte, auch wirtschaftlich können die beiden Staaten extrem voneinander profitieren. Wenn wir aufhören, unsere Sichtweise zu verabsolutieren, wenn wir nur anerkennen, daß alle Länder ein Interesse an der eigenen Existenz und Entwicklung haben, aber natürlich auch das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen, eigene Wege zu gehen, ihre Politik selbst zu gestalten, über die eigene Wirtschaftsordnung zu bestimmen, steht einem respektvollen und friedlichen Miteinander nichts im Wege. Probleme und Konflikte kleinerer Art, wie sie immer zwischen Staaten auftreten können, lassen sich diplomatisch lösen. Ein guter Anfang für einen solchen Dialog sind die Deutsch-Russischen-Friedenstage, die im nächsten Monat zum dritten mal stattfinden. Ich möchte in diesem Rahmen auf zwei Veranstaltungen hinweisen. Das eine ist eine Lesung von Rolf Becker zur Erinnerung an die Blockade von Leningrad und das andere ist eine Veranstaltung, auf der Barbara Heller von der diesjährigen Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz erzählt, an der sie im russischen Kaluga teilgenommen hat. – Nur am Rande, es gibt viele Menschen hier in Bremen, die sich eine Partnerschaft mit einer russischen Stadt wünschen.

Zum Abschluß grüße ich noch die Bremer Delegation, die am Wochenende zur Menschenkette nach Büchel fährt, um dort den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu fordern und für Deutschlands Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag zu demonstrieren.

Hiermit verabschiede mich von Ihnen allen und bedanke mich für Ihr Kommen.

 

Petra Scharrelmann ist aktiv beim Bremer Friedensforum.