Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2023 in Freiburg

 

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Themenschwerpunkt. Militarisierung und Jugend

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

„Gegen die Wehrpflicht und die militaristischen Bestrebungen in der Bundesrepublik!“

Diese Parole von über 5.000 Jugendlichen auf dem Römerberg in Frankfurt aus dem Jahr 1957 könnte auch heute unsere Parole sein. Waldemar Reuter vom DGB-Bundesvorstand rief den Jugendlichen damals - 1957 – zu: "Wir wollen ohne Waffen und Atombomben auskommen!“

Heute - 66 Jahre später - werden Menschen, die solche Parolen rufen, als naive Pazifisten diskreditiert. In der BZ darf ein junger Journalist die Sätze verbreiten: [Es]„ist richtig, die Bundeswehr zu stärken. Denn eine Armee ist wie ein Brautkleid. Man braucht es nicht oſt, aber wenn der Anlass da ist, dann geht nichts anderes.“! Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie viele Medien derzeit militärpropagandistische Zuhälterdienste zur Rüstungsindustrie und zur sog. ZeitenWende leisten, die auf diese Weise wohl eher ein ZeitenENDE riskiert.

Gerade deshalb müssen wir heute den zahlreichen kriegerischen Konflikten weltweit den Kampf ansagen und uns in die Tradition der DGB-Jugend stellen, die 1962 den Anstoß dazu gegeben hat, den 1. September zu einem regelmäßigen Aktionstag zu machen.

Heute verschiebt sich der Protestfokus Jugendlicher vom Antimilitaristischen zu grundlegenden Zukunſtsfragen und dem Überleben des Planeten: Hoffnungen richten sich 2023 auf Freitag, den 15. September, wo alle gemeinsam mit Fridays for Future beim globalen und auch bundesweiten Klimastreik auf die Straßen sollen.

Aber das Vertrauen nicht nur der Jugend, dass die verantwortlichen politischen und wirtschaſtlichen Eliten die Zukunſtsfragen lösen, ist zutiefst erschüttert. Doch wer erklärt, was der Satz von Jean Jaurès von 1914 „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“ noch heute bedeutet? Wer erklärt der Jugend, dass die Kriege der Großen das Unvernünſtigste für die gesamte Menschheit, für den Planeten sind? Wo wird aufgeklärt, dass die sog. Sicherheitslogik die Logik der Zerstörung und des Untergangs der Menschheit in sich birgt?

Die Tatsache, dass das Militär und Kriege größte Umweltkiller sind, dass die Klimakrise, die Flüchtlingsbewegung, die sozialen Katastrophen hier und anderswo untrennbar zusammenhängen, muss doch den Schulterschluss zwischen den Generationen und den zivilgesellschaſtlichen Gruppen beschleunigen.

Aber: Aus der Sicht unserer Meinungsmacher und Entscheider allerdings muss dieser Schulterschluss unbedingt verhindert werden.

Sie setzen dabei auf eine dreifache Mobilmachung:

Mobilmachung nach außen,

Mobilmachung nach innen und

Mobilmachung in den Köpfen.

Zuerst zur Mobilmachung in den Köpfen: Militär-kompatible Denkmuster werden von der Bundeswehr im digitalen Werbegetöse von Youtube und Instagram gestreut und in Freizeitcamps & Co wird Sport angeboten, der sich im Ernstfall auch auf Mord reimt. „Mach, was wirklich zählt“ war bis vor kurzem der Lockruf, welcher der Jugend suggerierte, dass das zivile Leben ohne Waffendienst ein falsches Leben sei. Und das neue Motto: „Wir schützen Deutschland“ führt bei Licht betrachtet in eine ziemlich hoffnungslose Bunkermentalität.

Auch Schule und Uni sollen zunehmend in den geistigen Rekrutierungsdienst gestellt werden. Jugendoffiziere für die Bundeswehr haben im letzten Jahr bundesweit mit über  4.000 Vorträgen über 100.000 Menschen an Unis und Schulen erreicht. Zunehmend wird für die Bundeswehr das Werbeverbot an Schulen in BW aufgeweicht, KarriereberaterInnen, bisher nur auf Berufsmessen, kommen zunehmend auch in Schulen direkt zum Werben fürs
Sterben, so z.B. in Baden-Württemberg mit mind. 38 Vorträgen seit Januar 2022.

Dass bei den offensichtlichen Rekrutierungsproblemen der Bundeswehr die Zielgruppe der unter 18-Jährigen nicht verschont bleibt, steht in krassem Widerspruch zum inzwischen internationalen Standard Straight 18, also dem Rekrutierungsverbot für unter 18-Jährige. Dessen Einhaltung fordern u.a. pax Christi, die DFG-VK und die Gewerkschaſt Erziehung und Wissenschaſt mit der Kampagne ,,Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr”.

Auf dem Rathausplatz in Freiburg überreichten im Juni 2023 der Friedenspädagogische Runde Tisch Freiburg zusammen mit terre des hommes, der Weiherhof-Realschule und dem Friedensforum den Bundestagsabgeordneten aus Freiburg 750 Rote Hände, damit sie sich in Berlin für die Einhaltung des aktuellen Koalitionsvertrags einsetzen, in dem steht:

„Ausbildung und Dienst an der Waffe bleiben volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten.“ Dies umfasst auch die Forderung, dass Jugendliche unter 18 nicht mehr von der Bundeswehr direkt an der Privatadresse beworben werden dürfen. Jugendliche sollten erfahren, dass sie dies nur durch Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten durch die Einwohnermeldeämter erreichen können.

Zur Mobilmachung nach innen:

  • Der 2021 eingeführte freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz wird forciert ausgebaut: Hier wird 17-Jährigen eine Waffen- und Schießausbildung im Kameradenmilieu und danach möglichst heimatnah ein insgesamt 1-jähriger „Dienst am Gemeinwohl“ angeboten, der den jungen Leuten den Dienst in der aktiven Truppe schmackhaſt machen soll. Der schillernde Begriff „Heimatschutz“ zieht möglicherweise auch Menschen aus der rechten Szene an - erinnert sei an den selbsternannten „Thüringer Heimatschutz“, aus dessen Reihen die NSU-Mörder kamen. Dies heißt ganz klar: Die Bundeswehr darf nicht für waffenaffine Demokratiefeinde attraktiv sein!

Nach dem Grundgesetz soll die Bundeswehr uns nach außen verteidigen und darf nur im äußersten Notfall im Innern eingesetzt werden. Auch hier vollzieht sich ein Wandel: Im Okt 2022 wurde ein sog. Territoriales Führungskommando der Bundeswehr berufen, um u.a. den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Innern mit der Polizei zu koordinieren. Die neue Strategie wird von Generalmajor Henne so beschrieben: „Es geht darum, ein Bewusstsein für ein Szenario zwischen nicht mehr ganz Frieden, aber auch nicht richtig Krieg zu schaffen.“ (JW)Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Stellt euch vor, im Urlaubsflieger sieht jemand im Handgepäck des Nebensitzers eine Handgranate. Die Aufregung ist groß, es erfolgt eine ungeplante Zwischenlandung, eine Antiterroreinheit überwältigt den überraschten Fluggast, die Handgranate entpuppt sich als ….Parfümflakon. Auch Wecker, Seifen, Getränkeflaschen – ja, selbst Weihnachtsbaumkugeln bekommt man, wenn man es denn wünscht, im very-shocking-Handgranaten-Look.

Was für Produktdesigner eine „Bomben-Idee“ sein mag, der Abstand zwischen der banalen Alltagsmilitarisierung und den echten Pulverfässern unter unseren Füßen wird immer enger:

Die irrsinnigen Aufrüstungspläne, verbunden damit, dass Deutschland die Logistik-Drehscheibe für Nato-Material und Nato-Soldaten bleiben soll, machen unser Land zum wichtigsten Ziel eines jeden Angreifers. Uns droht „die Bombardierung zurück in die Steinzeit“.

Zornig rufen wir den Herrschenden zu: Lasst ab vom Weg in den Untergang! Macht, was wirklich zählt!

Anerkennt, dass der Milderung der Klimakatastrophe alle der Menschheit zur Verfügung stehenden Mittel zukommen müssen!

Rüstet ab zugunsten von Klimaschutz, Sozialpolitik und Bildung!

Fordert von den USA den Abzug der Atomwaffen aus Büchel!

Vollzieht endlich den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der UNO! Baut endlich mit an einer globalen Sicherheitsarchitektur, die allen Völkern dieser Erde ein

Leben in Frieden ermöglicht!

Macht endlich, was wirklich zählt!

Danke für euer geduldiges Zuhören!

 

Marie Battran-Berger ist aktiv beim Arbeitskreis Frieden der Gewerkschaſt Erziehung und Wissenschaſt Kreis Freiburg und Mitglied im Friedenspädagogischen Runden Tisch Freiburg.