Redebeitrag für den Ostermarsch München am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 11 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen,
liebe Friedensfreunde,

Frieden ist nicht allein die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist viel mehr.

Frieden aber bleibt ein leeres Versprechen, für uns und für andere, wenn die Menschenrechte missachtet werden.

Wie sieht es aus mit unserem Frieden, wenn wir in einer Wirtschaft leben, die tötet?

Wie steht es um unseren inneren und unseren äußeren Frieden, wenn wir der Überzeugung sind, dass er über Waffen zu erreichen ist und Entwicklung über Geld geschieht?

Heute sind wir Zeugen und Zeuginnen einer schleichenden Barbarisierung unserer Wirtschaft. Horrormeldungen über unternehmerische Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen sind Teil unseres Alltags. Haben wir uns nicht schon gewöhnt an die 1,5 Milliarden Menschen, die in unsicheren Arbeitsverhältnissen Hungerlöhne verdienen? Haben wir uns nicht schon gewöhnt an die täglich 6.400 tödlichen Arbeitsunfälle von Menschen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften? Das ist zweimal 9/11 an einem Tag! Und haben wir uns nicht schon gewöhnt an die 170 Millionen Kinder, die nicht spielen dürfen, sondern arbeiten müssen? Die strukturelle Gewalt dieser Art des Wirtschaftens, an der mindestens die Hälfte der an deutschen Börsen notierten Unternehmen beteiligt ist, wirkt wie eine statische Dauer-Gewalt im Hintergrund und macht uns scheinbar lethargisch und hilflos.

Und doch: Es tut sich was. Eine Kehrtwende in unserem Wirtschaften bahnt sich an. Die UNO will weltweite Regeln für Konzerne. Das Europaparlament will weltweite Regeln für Konzerne. Die Zivilgesellschaft will schon lange weltweite Regeln für Konzerne.

Und was will die Bundesregierung?

Die Bundesregierung will so schnell wie möglich ein Handelsabkommen, ein TTIP 2.0 mit Trump abschließen, mit einer USA, die den INF-Abrüstungsvertrag über nukleare Mittelstreckenraketen von 1987 aufgekündigt hat, die das Pariser Klimaschutzabkommen für null und nichtig erklärt hat, die lediglich sechs der acht Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO unterzeichnet hat und die den Rom-Statuten zur Einrichtung des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gleich gar nicht beigetreten ist.

Und was will sie nicht, die Bundesregierung?

Sie will nicht, dass die Finanzmärkte an die Kandare genommen werden. Sie will keine Finanztransaktionssteuer. Sie will keine faire Konzernbesteuerung, damit Amazon, IKEA, Starbucks und Co. endlich ihre Gewinne auch hier versteuern wie jeder mittelständische Betrieb.

Und was will sie auf jeden Fall verhindern? Verbindliche Regeln für Konzerne, die gegen Menschenrechte verstoßen.

Vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf wird seit 2014, also bereits seit fünf Jahren verhandelt, über ein Abkommen, ein verbindliches Abkommen, das transnationale Konzerne und ihre Menschenrechtsverletzungen regulieren will.

Endlich!

Endlich sollen Konzerne Sorgfaltspflichten bei all ihren Geschäften verbindlich einhalten müssen und haften, wenn sie Schäden in ihren undurchsichtigen Lieferketten verursachen. Endlich soll der Zugang zu Gerichten für betroffene Opfer, in der Regel sklavenähnlich gehaltene Frauen, erleichtert werden. Endlich sollen Menschenrechte Vorrang haben vor Investitionsrechten in Handelsabkommen. Und endlich ist auch ein internationaler Menschenrechtsgerichtshof für Klagen gegen transnationale Konzerne in Sicht.

Zur Erinnerung: Gerade einmal 147 Konzerne beherrschen die Welt.

Und was macht die Bundesregierung?

Sie verzögert, behindert und blockiert.

Sie hat gegen die Resolution zur Eröffnung dieses UN-Verhandlungsprozesses gestimmt. Sie hat rechtliche Einwände gegen diesen Prozess vorgetragen. Und sie hat sogar versucht, ihn finanziell über eine Kürzung des UN-Etats auszutrocknen.

Sie setzt nach wie vor auf das Prinzip Freiwilligkeit bei der Einhaltung von Menschenrechten durch Konzerne, obwohl der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte die freiwillige Natur der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht im deutschen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 für unzureichend erachtet hat.

Immerhin: Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller von der CSU, hat vor einem Monat den Entwurf eines deutschen Sorgfaltspflichtengesetzes vorgelegt. Und sieht sich damit alleingelassen, obwohl ein solches Gesetz im Koalitionsvertrag vereinbart war. Dazu Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier von der Schwesterpartei CDU: Die Regelung im Koalitionsvertrag muss ein „Betriebsunfall“ der Verhandlungen gewesen sein. (Zitat) „Da habe man einfach nicht aufgepasst“.

Wir sagen: Aufgepasst, Bundesregierung!

In unserer weltweiten Kampagne „Menschenrechte vor Profit“ fordern wir:

1. Menschenrechte müssen unbedingten Vorrang vor Handels- und Investitions-Abkommen erhalten.

2. Die Bundesrepublik muss sich für einen starken UN-Vertrag für menschenrechtliche Pflichten von Unternehmen einsetzen.

Und 3. Die Bundesrepublik muss ein Gesetz beschließen, das Konzerne im In- und

im Ausland auf die bedingungslose Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet und Zuwiderhandlungen unter Strafe stellt.

Wir wollen keine Investitionsschutzabkommen, die die Rechte von Konzernen mit dubiosen Schiedsgerichten absichern. Was wir wollen, sind verbindliche Gesetze für Konzernverantwortung.

550.000 Menschen haben unsere europaweite Petition bereits unterschrieben.

Unterschreibt auch Ihr bei der Kampagne „Menschenrechte vor Profit“. (Flyer und Listen liegen unten.)

Denn: Ohne eine Wirtschaft, in der die Menschenrechte aller geachtet werden, gibt es weder Sicherheit noch Frieden.

Vielen Dank!

 

Andrea Behm ist aktiv beim GWÖ und attac in München.