Redebeitrag für den Ostermarsch Büchel am 22. April 2019

 

- Sperrfrist: 22. April 2019, Redebeginn: 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Hoffnungsträgerinnen und Hoffnungsträger,

die Evangelischen leben in diesem Jahr mit einer Losung, einem Wort, das an jedem neuen Tag und in jeder Lage eine Perspektive schafft. Es steht im Psalm 34 (V15) und lautet: „Suche Frieden und jage ihm nach.“ Es geht nicht nur um eine Gesinnung oder um Gefühle oder Sehnsüchte. Um den Frieden zu suchen und ihm nachzujagen sind Phantasie, Kreativität, Ehrlichkeit,Klugheit, Ausdauer und die feste Überzeugung gefragt, dass es in einem menschenwürdigen Leben ohne einen gerechten und aufrichtigen Frieden nicht geht.

Wir erleben weltweit in der politischen Landschaft immer mehr verquaste Selbstbehauptungsideologien, denen die Sicherheit der Anderen schnurzegal ist. Wie im europäischen Faschismus des 20. Jhs versprechen sie Wohlstand und Ansehen und grenzen zynisch Unterprivilegierte, Friedfertige, Versöhnungsbereite, Minderheiten und Selbstkritische aus.

Dazu gehört auch ein militaristisches Kalkül. Angesichts knapper werdender Ressourcen und wachsender Weltbevölkerung muss man mit dem Säbel rasseln. Nun könnte man hoffen, dass beim miserablen Zustand der Bundeswehr eine Diskussion über Waffen überflüssig wäre. Aber das einflussreiche European Union Institute for Security Studies empfahl schon vor mehr als 10 Jahren angesichts der weltweit ungelösten sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Konflikte eine militärische Abschirmung der Reichen von den Armen und die militärische Sicherung ökologischer Oasen. Ganz offen wird von einer Verlierer-Strategie geschrieben, aber eben von einer unvermeidlichen. Wir alle wehren uns gegen diesen Wahnsinn, insbesondere dagegen, dass Atombomben eingesetzt werden, um Europa und Nordamerika auf dem Fundament milliardenfacher Zerstörung zur Oase der Reichen und Schönen zu machen.

Wir können aber auch andere Szenarien nicht ausschließen. Europa ist z.Zt noch ein prominenter wirtschaftlicher Gegner sowohl Russlands als auch Amerikas. Und China und Indien können sich auch eine Landkarte ohne Europa vorstellen. Der Atombunker hier könnte zu den ersten Zielen militärischer Schläge gehören. Das ist nicht viel anders als 1979 mit dem Nato-Doppelbeschluss. Zumindest habe ich den Eindruck, dass wir von den USA durch die Stationierung der Raketen wie auch durch die ihnen gewährte unbeschränkte Dateneinsicht in Geiselhaft genommen werden, Friedensabkommen hin oder her.

Aber auch abgesehen von der weltpolitischen Lage ist die Produktion,die Lagerung, die Verbreitung und Anwendung Völkerrechts-, Menschenrechts- und Kriegsrechtswidrig. 1996 stellte der Internationale Strafgerichtshof ausdrücklich fest, dass der Einsatz von Atomwaffen völkerrechtswidrig ist. Deshalb legt der Atomaffen-Sperr-vertrag im Kapitel VI ja auch fest, dass die Atommächte zu Abrüstungsverhandlungen bzw. zur Abrüstung verpflichtet sind. Auch kann kein Nato-Mitglied gezwungen werden, Atomwaffen zu besitzen oder auf seinem Territorium zu lagern. Wie sollen wir verstehen, dass 2010 in unserem Parlament mit den Stimmen aller Parteien der Abzug der bei uns stationierten Atomwaffen gefordert, 2012 aber beim Nato-Gipfel in Chicago von der Modernisierung der Atomwaffen in Deutschland geredet wird? Wie ist zu begreifen, dass Deutschland 2017 den Atomwaffen-Verbotsvertrag ablehnt, mit der Begründung, man zeichne den Vertrag nur, wenn auch die Atommächte dies täten? Wie bescheuert ist diese Logik! Ein Mann wie Heiko Maas kann solchen Schwachsinn nur vertreten, wenn er dazu von den USA aufgefordert ist. Wenn er nun am 2.4. vor dem UNO-Sicherheitsrat einen neuen Fahrplan für atomare Abrüstung forderte, können wir nicht vertrauensvoll auf das Ergebnis irgendwann hoffen.

Wir werden weiterhin beharrlich unsere Finger auf die schwärenden Wunden des politischen und wirtschaftlichen Kalküls legen. Wir stehen weiterhin auf und gehen zum Atom-Depot. Wir machen in unseren Gruppen und Kreisen und in der Öffentlichkeit klar, dass wir uns an diesen skandalösen Ort und generell an den Gebrauch von Massenvernichtungswaffen nicht gewöhnen werden.

Sicher gehört auch zum Suchen des Friedens, dass sich die Gemeinde Büchel nicht mehr aus Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen für den Erhalt des Atomwaffen-Depots einsetzt. Wir gehen wie in den 80er Jahren nach dem Nato-Doppelbeschluss Politikerinnen und Politikern von Bund, Land und Kreisen auf den Senkel, damit sie sich ohne Wenn und Aber von der Massenvernichtungslogik abwenden. Den ICAN-Abrüstungsappell haben schon haben schon zwölf Städte unterschrieben, einschließlich Mainz Das Bewusstsein für unkalkulierbare Gefahren wächst.

Sicher: es gibt keine Erfolgsgarantie. Die hatte Jesus auch nicht. Obwohl er ein Friedensbote par excellence war,wurde er als politischer Aufrührer grausam gefoltert und ans Kreuz genagelt. Aber er wurde der Gewalt des Todes und des Vergessens auch entrissen. Wir sind hier zu Ostern versammelt, weil wir hoffen dürfen, dass der Zynismus der Macht und der Mächtigen überwunden werden kann. Suche Frieden und jage ihm nach!

 

Pfr. i.R. Wilfried Neusel ist Synodalbeauftragter für Ökumene und Menschenrechtsfragen des Ev. Kirchenkreises Koblenz.