Redebeitrag für den Ostermarsch Wedel am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens hier in Wedel!

Auch bei diesem Ostermarsch-Auftakt sind wir wie im letzten Jahr nur eine kleine Schar. Zum zweiten Mal beherrscht die Corona-Pandemie das Denken, Fühlen und Handeln vieler Menschen. Nicht nur, weil jede Zeitung, jede Rundfunk- oder Fernseh-Nachricht uns mit den aktuellen Zahlen zum Pandemiegeschehen geradezu überhäuft und belästigt.  Viele haben vor einer Infektion mit diesem Virus berechtigterweise Angst. Wir sicher auch.

Und trotzdem und gerade zu Ostern müssen wir uns wieder einmal mit Themen befassen, die aktuell nicht die ersten Seiten füllen.

2021 geht der Krieg in und um Syrien in sein 10 Jahr. Es gibt im Lande selbst aber dann auch besonders in der Nachbarländern Millionen von Flüchtlingen, die vor Panzern, Bombern, Soldaten und Folterknechten fliehen und so versuchen, zumindest ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten, 10 Jahre lang geht das jetzt so und unsere Regierungen scheitern selbst daran, die notwendigsten Gelder für das Überleben in den elenden Flüchtlings-Camps zusammen zu bekommen. Stattdessen schließen wir unsere Grenzen immer hermetischer, rüsten die sogn. Grenzschutz-Agentur Frontex immer perfekter auf, hofieren und unterstützen Folter-Staaten und Menschrechtsverächter wie die Türkei oder Libyen. Die Flucht von Flüchtlingen entwickelt sich mehr und mehr zu einem Krieg gegen Flüchtlinge

Kriege sind immer wieder die Hauptursachen für Flucht und Vertreibung, aber deutsche Waffenschmieden verdienen eben besonders gut an den meisten Kriegen.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Der Bundesgerichtshof hat vor wenigen Tagen ein Urteil des Stuttgarter Landesgerichts gegen die Waffenfirma Heckler & Koch bestätigt, die unzulässigerweise Waffenlieferungen in mexikanische Unruheprovinzen getätigt hatten. Zwei Mitarbeiter dieser Firma waren zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, die Firma selbst zu einer Millionenstrafe.

In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, dass vor 14 Tagen in Hamburg auf dem Rathausmarkt die Volks-Initiative gegen Rüstungsexporte über den Hamburger Hafen „für einen zivilen Hafen“ gestartet wurde. Tagtäglich werden umgerechnet drei volle Container mit Kriegswaffen im Hamburger Hafen umgeschlagen, das will diese Initiative durch ein Votum der Hamburgerinnen und Hamburger beenden und so der Präambel in der Hamburger Verfassung Geltung verschaffen, wo es heißt: „Die Freie und Hansestadt Hamburg … will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein“.

Afghanistan – und kein Ende. Warum müssen wir so lange so treue Vasallen der US-Militärs bleiben? „Frieden“ ist in Afghanistan nach wie vor ein Fremdwort. Die Bundeswehr ist seit 2001 dort im „Einsatz für den Frieden“ – nach 20 Jahren „Erfolglosigkeit“ wäre ein sofortiger Rückzug dringend geboten.

Von den ersten Seiten der Nachrichten ist aktuell auch verschwunden bzw. gar nicht erst aufgetaucht, dass zeitgleich zu unserem Protest hier und anderswo ein riesiges NATO-Militärmanöver läuft: DEFENDER EUROP 21. „Verteidigung“ heißt es immer, „seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen“ damit begann der zweite Weltkrieg am 1.9.39

30.000 Soldaten aus 21 NATO-Mitgliedsstaaten üben den Krieg, dieses Mal nicht in den baltischen Staaten und Polen, sondern in Südost-Europa, besonders in der Schwarzmeerregion. Die Bundeswehr stellt 430 Mann (vielleicht ist auch die eine oder andere Frau dabei?) und wichtige Elemente der Logistik (Frankfurt, Ramstein, Leipzig).

Und dann zu den Atomwaffen. Haben wir uns schon so an ihr Vorhandensein gewöhnt, an diesen „Terror“ von oben? „Terror“ ist das lateinische Wort für SCHRECKEN“, deshalb heißt die Strategie aller Atomwaffenmächte auch ABSCHRECKUNG.

Alle Atomwaffenmächte sind dabei, ihr ultimatives Zerstörungspotential zu modernisieren, d.h. es zielgenauer und unangreifbarer zu machen. Mehr als 13.400 Sprengköpfe gibt es aktuell bei den Atommächten (Israel und Nordkorea nicht mitgerechnet) – fast alle mit einem Mehrfachen der Zerstörungskraft von Hiroshima und Nagasaki.

Ca. 30 davon lagern in Büchel, nahe einem Eifeldorf in Rheinland-Pfalz. Sie sollen demnächst durch modernere, d.h. lenkbare Atombomben ersetzt werden.

Der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW oder AVV) , 2017 von der UNO-Vollversammlung beschlossen verbietet Produktion, Besitz, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen oder auch die Drohung damit. Er ist inzwischen von mehr als 50 Staaten ratifiziert und damit zwingendes Völkerrecht

Es ist höchste Zeit dass die Bundesregierung dem Verbotsvertrag beitritt, den bereits vor fast 11 Jahren vom Bundestag beschlossenen Abzug der Atombomben aus Büchel endlich durchsetzt und ihre sogn. Nukleare Teilhabe in der Nato endlich aufgibt.

Durch die nukleare Teilhabe ist Deutschland an der Atomkriegsplanung und Durchführung beteiligt, d.h. deutsche Piloten müssten mit deutschen Kampfbombern (aktuell Tornados) die Bomben nach US-amerikanischer Freigabe und Zielplanung über dem Feind abwerfen. Die demnächst eintreffenden modernisierten Waffensysteme machen nun aber die Anschaffung neuer Flugzeuge erforderlich (den F-18 Träger Flugzeugen aus den USA) – ein Milliarden-Auftrag. Frau Kamp-Karrenbauer hätte diesen Auftrag längst erteilt, gäbe es da nicht diese unerwarteten Bedenken-Träger aus der SPD.

Die nukleare Teilhabe verstößt sehr eindeutig gegen den Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen und auch gen den  Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der die Vereinigung von DDR und BRD ermöglichte.

Es ist höchste Zeit zum Umdenken weg von der vermeintlichen Sicherheitslogik, hin zu einer konstruktiven Friedenspolitik, zu und Rüstungskontrolle und Abrüstung.

Die Ausgaben für das Militär steigen und steigen und die NATO ist dabei ganz deutlich die Schrittmacherin. Die in ihr vereinigten Bündnispartner geben mehr als das Zwanzigfache der Ausgaben Russlands für das Militär aus, und trotzdem gilt Russland als der Bösewicht schlechthin. Der kalte Krieg war nur vorübergehend zu den Akten gelegt.

Wann endlich besinnen wir uns, wann endlich werden wir zu einer Friedenskraft?

Wann endlich tragen wir zur Entfeindung zwischen den Blöcken bei, zwischen West und Ost und auch zwischen Nord und Süd? Stattdessen wird auch bei uns auf bewaffnete Drohnen gesetzt, an autonomen und automatischen Waffensystemen geforscht, welche die Verantwortung für den Einsatz auf künstliche Intelligenz und schnellere Algorithmen delegiert.

Wann endlich verlassen wir die NATO, denn sie ist ein Kriegsbündnis?

Wir brauchen in Europa eine neue Friedensordnung und eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur, die alle Europäischen Länder umfasst, also selbstverständlich auch Russland.

Aus der Friedensstadt Osnabrück erhielt ich vor einigen Tagen von einem katholischen Friedensfreund einen Brief, in dem er die Auferstehung Jesu (das feiern die Christen zu Ostern) mit Aufstehen, mit Aufstand in Verbindung brachte:

  • Auferstehen, das ist hoffen wider alle Vernunft
  • Auferstehen, das ist eine neue Perspektive entdecken
  • Auferstehen, das ist sich nicht unterkriegen lassen
  • Auferstehen, das ist Angst überwinden und Zuversicht finden
  • Auferstehen, das ist sich nicht abfinden mit den sogenannten Realitäten
  • Auferstehen, das ist mehr als bisher sich für den Frieden zu engagieren
  • Aufstehen, ………

Und wem das alles zu fromm klingt, der möge mir beipflichten, wenn ich sage:

WIR MÜSSEN EINEN NEUEN AUFSTAND WAGEN, EINEN AUFGSTAND DES LEBENS GEGEN DEN TOD

Ich bedanke mich bei jeder, jedem von Euch für seine, für ihre Teilnahme hier heute.

Und trotz alledem oder mit alledem: Ein frohes Osterfest!

 

Sönke Wandschneider  ist aktiv beim Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung.