Redebeitrag für den Ostermarsch Bruchköbel am 2. April 2021

 

- Sperrfrist: 2. April 2021, Redebeginn: 14 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

als ich gestern vor einem Jahr, das Amt der Regionsgeschäftsführerin hier beim DGB in der Region Südosthessen übernommen habe, da war schon klar, dass die Ostermärsche nicht auf der Straße stattfinden werden. Dass der 1. Mai nur digital begangen werden wird. Das war für mich kein leichter Start, aber vor allem war es für die Friedensbewegung und die Gewerkschaften eine harte Probe. Umso mehr freut es mich, dass wir als DGB in diesem Jahr wieder die Anmeldung des Ostermarschs übernommen haben und ich heute hier ein Grußwort halten kann. Denn auch wenn es in diesem Jahr leider keinen Marsch in dem Sinne und auch kein Fest geben wird, so ist es doch richtig und wichtig, dass wir mit dieser Kundgebung hier, mit unseren Anliegen wieder auf der Straße sichtbar und hörbar sind. Denn die Gewerkschaftsbewegung war auch immer Friedensbewegung. Muss immer auch Friedensbewegung sein. Ohne Frieden, kann es keine gute Arbeit, kein gutes Leben für alle geben.

Wir halten uns dabei an die gebotenen Hygienemaßnahmen, halten mit Anstand Abstand und schützen damit unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Den sogenannten Querdenkern, die zurzeit in vielen Städten und Gemeinden demonstrieren, sind solche Dinge egal. Auch ich habe Kritik an der Krisenpolitik der Regierung. Auch ich habe Wut im Bauch wenn ich sehe wie manche Arbeitgeber aus Profitinteressen heraus auf den Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten pfeifen – und wie wenig die Regierung dagegen tut. Wie verpflichtende Tests, seitens der Arbeitgeber als unlösbare Aufgabe deklariert werden und wie die Regierung sie nicht zur Verantwortung zieht. Unternehmen erhalten Kurzarbeitergeld und andere Staatshilfen aus Steuergeldern und schütten gleichzeitig zig Millionen an die Aktionäre aus. Das ist ein Skandal der schnellstmöglich gestoppt werden muss. Ich könnte jetzt noch stundenlang so weiter machen - ABER liebe Freundinnen und Freunde, trotz dieser Kritik, mache ich mich nicht mit Nazis und rechten Verschwörungstheoretikern gemein! Wer mit Nazis auf die Straße geht, geht mit Nazis auf die Straße. Dafür kann und darf es NIEMALS eine Rechtfertigung geben. Frieden und Gewerkschaften, das ist untrennbar mit einer kompromisslosen antifaschistischen Haltung vereint.

Ganz abgesehen davon, dass durch die gezielten Verstöße gegen Hygieneregeln das Leben und die Gesundheit auch von uns allen und unseren Familien und Freunden gefährdet wird. Auch davon distanziere ich mich in aller Deutlichkeit!

Mit Nazis geht man nicht auf die Straße. Nicht in Hamburg, nicht in Kassel, nicht in Bruchköbel und auch nicht in Hanau. Hanau – das steht nun leider in einer Reihe mit Mölln und Solingen und all den anderen. Und im Jahr 1 nach diesem unfassbaren Anschlag, kommt man hier in unserer Region nicht umhin, auch dazu etwas zu sagen. Aus rassistischem Hass hat im Februar 2020, ein Rechtsextremist 9 Menschen ermordet und anschließend seine Mutter und sich selbst erschossen. Wir sind als Gewerkschaften seitdem im Austausch mit den Familien und der Initiative 19. Februar, die in einer bemerkenswerten Art und Weise an der Seite der Angehörigen und Überlebenden steht und mit ihnen gemeinsam versucht das Unfassbare zu begreifen und zu verarbeiten. Seitdem erinnern sie unter dem Hashtag #saytheirnames an die Getöteten. Sie waren Väter, Mütter, Schwestern und Brüder, Töchter und Söhne, Freundinnen und Freunde - geliebte Menschen. Ihre Namen sind: Sedat Gürbüz, Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Fatih Saraçoğlu, Kaloyan Velkov, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Gökhan Gültekin.

Durch dieses schreckliche, rassistische Verbrechen wurde uns allen hier in der Region noch einmal auf schmerzliche Weise bewusst, wie wichtig das Engagement gegen rechtes Gedankengut, Hass und Hetze ist. Lasst uns ihre Namen nie vergessen und lasst uns, noch stärker als sonst, gemeinsam für eine offene, friedliche und solidarische Gesellschaft eintreten.

Vielen Dank.

 

Tanja Weigand ist Regionsgeschäftsführerin der DGB-Region SüdostHessen.