Redebeitrag für den Ostermarsch Würzburg am 16. April 2022

 
- Sperrfrist: 16. April 2022, Redebeginn: 13 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -
 
 
Liebe Freundinnen und Freunde,

wir von der DFG-VK handeln nach der Grundsatzerklärung der War Resisters‘ International: „Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“

Dazu fällt mir als erstes ein Zitat von Jean Jaurès ein:

„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“

Aber als bekennender Antikapitalist muss ich auch zugeben, dass es schon Kriege gab, bevor der Kapitalismus entstanden ist.

Apropos „es gab schon Krieg“:

In der Ukraine gab es schon lange vor dem russischen Einmarsch Krieg.

Und die Tatsache, dass sehr viele Menschen hier davon insgesamt wenig

und davon auch noch vieles verfälscht mitbekommen haben, bringt mich zu einem wichtigen Thema: Julian Assange!

Der hat mal gesagt „Wenn Kriege durch Lügen begonnen werden können, kann der Frieden durch die Wahrheit beginnen“.

Ein sehr schöner Gedanke. Aber mit der Wahrheit ist das so eine Sache…

Im Krieg und auch schon davor gibt es mindestens zwei Wahrheiten, die bestenfalls Teile der Realität abbilden.

„Die Wahrheit hat es im Krieg schwer“ war in der Mainpost kürzlich zu lesen. In sehr großen Buchstaben auf einer Seite, die sich mit Propaganda, Desinformation und derlei Dingen beschäftigte. Aber wo bleibt der dringend nötige kritische Blick auf „unsere Seite“?

Ich will da jetzt gar nicht auf der Lokalzeitung herum hacken – in den letzten Wochen erleben wir eine fast beispiellose mediale Mobilmachung, z.B. durch Titelbilder von Spiegel und Focus.

Beim Bild-Titel vom 4. April „Elende Barbaren“ musste ich direkt an eine Arte-Doku denken. „Rottet die Bestien aus!“ heißt die und zeichnet unsere Barbarei der letzten Jahrhunderte nach (bis Ende Mai in der Mediathek verfügbar).

In den Talkrunden sagen die gemäßigteren Stimmen, wir sollten bei aller Empörung und Verurteilung doch bitte nicht unsere Wirtschaft vergessen. Schließlich nutze das ja alles nur dann etwas, wenn wir Russland ökonomisch das Rückgrat brechen und nicht uns selbst. An eine grundsätzliche Kritik an Waffenlieferungen oder gar Sanktionen kann ich mich nicht erinnern.

Die russische Perspektive kann man nur noch auf Umwegen erreichen, nachdem die Feindsender inzwischen EU-weit verboten sind. Hier und da wird in den Nachrichten im Nebensatz erwähnt, dass „Russland die Vorwürfe bestreitet“ oder ähnliche Formulierungen, selten ohne einen Tonfall und/oder Gestik und Mimik, die eine deutliche Einordnung vornehmen.

Aus den Äußerungen unserer Außenministerin wird klar: Sie hat mit Diplomatie noch weniger am Hut als unsere Katze mit Veganismus.

Kurz und schlecht: es ist wirklich unser Krieg. Wir sind mittendrin, natürlich auf der Seite der Guten, wie sich das für uns Deutsche gehört. Gelegentlich stellte sich zwar im nach hinein heraus, dass wir doch auf der falschen Seite waren, aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Zurück zu Julian Assange:

Die Veröffentlichung von „Collateral Murder“ war für den westlichen Krieg im Irak ein harter Schlag an der Heimatfront.

Wer sich mit dem Fall beschäftigt, wird feststellen, dass an dem Mann ein Exempel statuiert wurde – wer Dinge veröffentlicht, die (vor allem) die US-Regierung lieber nicht veröffentlicht haben will, lebt gefährlich.

Und ich denke, das wurde und wird durchaus verstanden.

Ich kann und will die Konsequenzen, die sich daraus für den aktuellen Konflikt am östlichen Rand der NATO ergeben, jetzt nicht mal eben schnell in ein bis zwei Minuten ausführen.

Aber der Grundgedanke, den ich vermitteln will, ist folgender:

Wir sind massiv einseitiger Information ausgesetzt und die öffentlichen Diskussionen sind extrem emotionalisiert und moralisierend.

Es geht um Gut und Böse.

Schreckliche Bilder berühren und machen wütend. Für klare Gedanken bleibt da kaum Zeit.

Extrem präsent ist das Argument, dass „wir nicht einfach nur zuschauen könnten“.

Am Ende läuft das auf weitere Eskalation durch Sanktionen,

Waffenlieferungen oder sogar direkten Kriegseintritt hinaus.

Wohlgemerkt durchgehend auf Basis, unvollständiger, einseitiger Informationen. Und selbst, wenn die ganzen Berichte über russische Aggression, Großmachtstreben und Greueltaten alle vollumfänglich stimmen,

ist aus meiner Sicht klar, dass eine weitere Eskalation des Wirtschaftskrieges und der Waffenlieferungen den Zivilisten in der Ukraine nicht helfen werden.

Krieg ist NIE Gut und Eskalation immer falsch!

Harte Realität in allen Kriegen ist das Leid der Opfer.

Und selbst die Täter haben oft genug den Rest Ihres Lebens mit den Erlebnissen und Taten zu kämpfen.

Deshalb fordern wir:

  • Freiheit für Julian Assange!
  • Ächtung von Atomwaffen und autonomen Waffensystemen
  • 100 Milliarden für sozial-ökologische Entwicklung statt Aufrüstung
  • eine friedliche und deeskalierende deutsche Außenpolitik
  • kein Sanktionskrieg unter dem immer die Zivilbevölkerungen leiden
  • Konversion der Bundeswehr und Austritt aus der NATO
  • Asyl für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure

 

Christian Weber ist aktiv DFG-VK Würzburg.