Redebeitrag für den Ostermarsch Jagel am 15. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir verurteilen den Überfall der russischen Armee auf die Menschen in der Ukraine. Diesen Satz wiederhole ich immer wieder, um klarzustellen: Es gibt keine Rechtfertigung für Krieg.

Mir ist klar, dass die Friedensszene sich nicht einig ist, mir ist bewusst, dass es Differenzen gibt. – Gerade deswegen verurteile ich den Überfall der russischen Armee auf die Menschen in der Ukraine immer wieder. – Wir sind gegen jeden Krieg.

Schlechte Zeiten sind das für mich als Pazifisten.

Das Trommelfeuer an Bildern und Berichten hat diese Gesellschaft kriegsbereit geschossen.

Ehemalige Verbündete, ehemalige politische Weggefährten wechseln jetzt die Seiten, sie werden zu Kriegsbefürworter*innen. Sie verlangen Waffenexporte in die Ukraine. Eingestiegen mit Schutzausrüstung, dann wurden vorgeblich defensive Waffen geliefert werden, jetzt geht es um Panzerhaubitzen, Flugzeuge, Antischiffsraketen, Schützenpanzer, hochfliegende Luftabwehrraketen – keine Ahnung was noch kommt. Diese Kriegsbefürworter*innen werden damit zu meinen politischen Gegnern. Wir sind gegen jeden Waffenexport, auch in die Ukraine. Genauso wie ich gegen Waffenexporte etwa an die Huthi im Jemen bin damit sie sich gegen die Angriffe der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabiens wehren können. Ich bin genauso gegen Waffenlieferungen an die YPG damit sie sich gegen die ständigen Angriffe der türkischen Armee oder des IS wehren können. Mit diesem NEIN zu Rüstungsexporten mache ich mir jeweils andere zu Gegner*innen, die mich wahlweise für naiv, herzlos, hochmütig, unsolidarisch oder sonst was halten. Ich bleibe dabei: Keine Waffenexporte und erst recht nicht an Kriegsparteien. Waffen führen zu mehr Krieg, nicht zu weniger.

Andere ehemalige Verbündete verurteilen den brutalen Überfall der russischen Armee auf die Menschen in der Ukraine nicht öffentlich, sie verurteilen die Kriegsbeteiligung der NATO Staaten mehr, als den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. Schade – Die NATO Kriege verurteile ich ebenso. In der Ukraine hat aber die russische Armee angegriffen. – Ringe mit mir, wie ich damit umgehe. Vielleicht können wir gemeinsam auf den Ostermarsch gehen, wir müssen dann aber unsere eigenen Flugblätter machen mit einer klaren Verurteilung des russischen Angriffskrieges.

Die Diskussion welche Boykottmaßnahmen gegenüber welcher Kriegspartei richtig sind gehen wir zurzeit gar nicht erst an, das Thema ist zu komplex. Die Forderung „keine Sanktionen“ ist mir allerdings zu platt, zu undifferenziert – Boykott und Embargo gehören für mich zum Spektrum gewaltloser Aktionsformen. „Kauft keine Früchte der Apartheit“, keine Mineralölprodukte von Shell, Stromzahlungsboykott, Rüstungssteueranteil nicht zahlen, keine Lieferung von Chemikalien für die Hinrichtungsspritzen in die USA – Ihr kennt die Boykottmaßnahmen. – Sie sind nicht alle schlecht. Keine Lieferung von Rüstungsgütern, auch so eine Embargomaßnahme. Dafür bin ich.

Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg. Es gibt keinen gerechten Krieg.

Diejenigen, die in den letzten Wochen Kriegsbefürworter wurden, zum Beispiel bei den Grünen, den Linken, der SPD oder in Kirchen und Gewerkschaften – ich gebe sie nicht auf ich werde mit ihnen diskutieren, wie ich mit CDUler*innen diskutiere.

Die Grausamkeiten der russischen Soldateska, die Berichte und Fotos zuhauf belegen, sind ein Verbrechen und sie wühlen auf, sind schwer auszuhalten. Glauben Sie aber nicht, dass es keine Kriegsverbrechen der ukrainischen Soldateska gibt – sie werden bei uns nur kaum gezeigt. Es gibt keinen sauberen Krieg mit sogenannten chirurgischen Schlägen bei denen niemand stirbt, eine Landkriegsordnung ist eine Illusion. Es gibt kein edles Kriegshandwerk. Krieg ist immer ein Gemetzel, ein Menschenschlachthaus. (Wilhelm Lamszus).

In Kriegen entmenschlichen Soldaten und Soldatinnen ihre Gegner. Von den ukrainischen Soldaten werden die russischen z.B. Orks genannt. Dann lassen die sich besser umbringen. Keine Ahnung wie die russischen Soldaten die ukrainischen nennen, vermutlich Nazis.

In einem asymmetrischen Krieg, wie dem in der Ukraine, verwischen die Unterscheidung zwischen Zivilist*innen und Soldat*innen. Sie alle haben die Bilder vom Abfüllen der Molotowcocktails durch Zivilisten gesehen. Sowohl Soldat*innen als auch Zivilist*innen sind Menschen. Das Töten von Menschen ist unmoralisch, ob mit oder ohne Uniform.

Einige Soldat*innen sagen NEIN, viel zu wenige verweigern sich dem Töten, wollen ihre Mitmenschen nicht umbringen. Sie sind Mensch geblieben in einer unmenschlichen Situation. Sie entziehen sich, hauen ab, verweigern sich, desertieren. Mit diesen Kriegsverweigerern fühle ich mich solidarisch. Ich fühle mich Solidarisch mit denen die aus der russischen Armee, aus der ukrainischen Armee und diversen Kampfgruppen desertieren oder sich vorher verdrücken. Meine Gegner sind die Schergen, die Menschen in den Krieg pressen, sie am Grenzübertritt hindern oder gar abschieben in den Krieg – ob in die Ukraine, nach Russland, nach Eritrea oder nach Syrien. Alle, die sich dem Krieg verweigern brauchen unsere Unterstützung.

Männer zwischen 18 und 60 dürfen die Ukraine nicht verlassen, das hat nicht nur mich wütend gemacht. 2200 wurden beim illegalen Grenzübertritt gefangen rühmt sich das ukrainische Regime. Dennoch haben es zum Glück viele geschafft, sind aus Belarus weg bevor die Grenzen dicht waren, aus der Ukraine, aus Russland. In Belarus gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, in Russland und der Ukraine gibt es das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nur für einige Religionsgemeinschaften. Soldaten können nicht verweigern. Alle drei Staaten verletzen das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Demokratische Staaten sind alle drei nicht.

Kriegsparteien wollen immer nur, dass die Gegner desertieren oder überlaufen, die eigenen Verweigerer werden als Verräter angesehen und verfolgt. Wir werden angegriffen von beiden Seiten, wenn wir sagen, dass sowohl russische als auch ukrainische Soldaten desertieren sollen, wenn wir MigrantInnen aus beiden Seiten auffordern: Helft Euren Angehörigen sich dem Krieg zu entziehen. – Wir sagen es dennoch immer wieder: verdrückt Euch, desertiert.

Ich sage es noch einmal, damit wir nicht missverstanden werden. Wir verurteilen den Überfall der russischen Soldaten auf die Menschen in der Ukraine.

Den Bundeswehrsoldate*innen, den Reservist*innen sagen wir. Entzieht Euch der Kriegsvorbereitung auf irgendwelchen Wegen, verweigert Euch– sagt NEIN.

 

Detlef Mielke ist aktiv bei der DFG-VK.