Redebeitrag für den Ostermarsch Münster am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochen Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

vieles ist heute gesagt worden – ich denke, es war lange nicht so wichtig wie jetzt auf die Straße gehen – immer wieder laut NEIN zu sagen zu diesem furchtbaren Krieg in der Ukraine – und zu jedem – Krieg. Ich frage mich angesichts des schrecklichen Leides der Frauen, Männer, der Kinder in der Ukraine: Ist unsere Wahrnehmung – sind uns unsere Maßstäbe mittlerweile völlig ver –rückt im wahren Sinn des Wortes? Gilt jetzt „Frieden schaffen mit immer mehr Waffen – und mit immer mehr Investitionen ins Militär, mit immer mehr Aufrüstung statt Abrüstung - in neue todbringende, immer scheußlichere Waffensysteme? Diese massiven Investitionen von beiden Seiten gehen ganz klar auf Kosten des allergrößten Teils der Weltbevölkerung, der schon jetzt aufgrund wachsender Ungleichheit immer weniger zum Leben hat. Es geht vor allem auf Kosten der Länder des Globalen Südens, wo infolge zunehmender Dürren und der Folgen der Pandemie der Hunger wieder massiv zunimmt und wir uns immer weiter entfernen von der Verwirklichung der sog. nachhaltigen Entwicklungsziele, die die UNO bis 2030 erreichen will. In dieser Lage die ohnehin schmalen Gelder für Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, ist absolut verantwortungslose Politik – dieser Wahnsinn muss ein Ende haben!

Und ich frage mich: ist Entspannungspolitik jetzt plötzlich von gestern – müssen wir uns jetzt dafür entschuldigen, dass wir – um es mit Willy Brandt zu sagen – ein Volk der guten Nachbarn sein wollten?

Ich muss sagen, ich finde es unfassbar, dass Politiker*innen der ehemaligen Friedenspartei der Grünen, Annalena Baerbock und Anton Hofreiter unserem sozialdemokratischen Kanzler Druck machen, endlich mehr und schwere Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern, deutsche Panzer gegen Russland einzusetzen. Und ich schäme mich dafür, dass unser erster Vertreter in der EU Josep Borrell, ein Sozialdemokrat, davon spricht, dass „dieser Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden“ wird – und deshalb braucht die Ukraine von uns – ich zitiere - „Waffen, Waffen und nochmals Waffen.“ So wird von UNS, von unseren Politikern und Politikerinnen die Spirale der Eskalation immer weiter nach oben geschraubt, wir sind längst Kriegspartei, das Leiden der Menschen wird verlängert und die Zerstörung vor Ort nimmt immer mehr zu.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Freunde,

das kann nicht unser Weg sein! Wir müssen stattdessen alles tun, wirklich ALLE diplomatischen Kanäle und Möglichkeiten in Bewegung setzen, die längst nicht ausgeschöpft sind, damit dieser Krieg ein Ende findet und die Waffen auf beiden Seiten zum Schweigen gebracht werden!

Und: Es gibt und es gab auch in den letzten Wochen ukrainisch-russische Gespräche, die viel zu wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung fanden. Warum wird hier kein Sonderbeauftragter ernannt – ein Unterhändlerteam gebildet? Wer sagt, das sei nicht möglich, mit Putin könne man nicht reden, liegt meiner Ansicht nach falsch. Ja, Putin ist ein Kriegsverbrecher – er führt einen völkerrechtswidrigen, brutalen Angriffskrieg in der Ukraine, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Er ist jedoch nicht der einzige Kriegsverbrecher, der in den letzten Jahren einen Angriffskrieg führt und geführt hat – die USA mit Unterstützung ihrer Verbündeten müssen hier genannt werden. Früher oder später hat man mit allen verfeindeten Staaten geredet und verhandelt, auch mit Regierungen in Venezuela oder dem Iran, wenn es die westlichen Wirtschaftsinteressen erforderten. Auch zu Beginn des Afghanistankrieges wurde uns gesagt: Mit den Taliban kann man nicht reden – heute ist das kein Thema mehr.

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

die Polarisierung in Freund und Feind, in Richtig und Falsch, in Gut und Böse, die jeder Krieg mit sich bringt, und die damit einhergehende Entmenschlichung des Feindes als des personifizierten Bösen ist falsch und hilft niemals dabei, ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Frieden und Freiheit gründen immer auf Sicherheitskonzepten und Interessenausgleich, die ausgehandelt werden müssen und mit denen beide Seiten leben können, so schwer das auch sein mag. Wenn wir den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt nicht durchbrechen, werden wir keinen Frieden ermöglichen.

Zum Schluss ein Wort zu pax christi: pax christi ist die nach dem 2. Weltkrieg aus der Versöhnung der Erzfeinde Deutschland und Frankreich entstandene internationale ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Dreh- und Angelpunkt unserer Bewegung ist das Engagement für ein gewaltfreies Miteinander der Menschen, so wie es Jesus von Nazareth uns vorgelebt hat. Dieser Mann stand wie kein anderer für Gewaltfreiheit – ja, für Feindesliebe. Ich persönlich glaube zutiefst, dass er es richtig gemacht hat. Für mich ist eine ernst genommene Religion voller politischer Konsequenzen. Ich weiß, dass es auch bei pax christi unterschiedliche Meinungen gibt – gerade zum Thema Waffenlieferungen. Ich kann hier nur für mich sprechen. Aber ob wir es nun religiös begründen oder nicht: In unserer Zeit, in der die Waffen immer schrecklicher werden, die Gefahr eines Atomkrieges nie so nah war, ist es für das Überleben aller höchste Zeit, endlich zu sagen, dass der Respekt vor der unveräußerlichen Menschenwürde uns nötigt, keinen Krieg in welcher Form auch immer zu unterstützen und jeden Krieg zu vermeiden – durch Abrüsten statt Aufrüsten – jetzt erst recht!!Vielen Dank!

 

Maria Buchwitz ist aktive beim pax christi Diözesanverband Münster.