Redebeitrag für den Ostermarsch Neuruppin am 17. April 2022

 

- Sperrfrist: 17. April 2021, Redebeginn: 14 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrete Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
menschen fliehen aus ihrer Heimat vor dem Krieg und müssen Angehörige zurücklassen.

Die Bilder von Toten, weinenden Kindern und kaputten Häusern sind nicht auszuhalten, die Realität ist nicht vorstellbar in Mariupol, Charkiw, Butscha, Odessa und zahllosen anderen Orten. Erlebnisse, die die Seele nicht aushalten kann.
Unsere Gedanken sind bei den ukrainischen Menschen zu Hause in der Ukraine, bei uns in Deutschland und in anderen Ländern. Ihnen gelten unsere Solidarität und unser Mitgefühl.

 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

ein militärischer Angriff ist niemals gerechtfertigt, für den Bruch des Völkerrechts gibt es keine Rechtfertigung. Die russische Führung ignoriert ihr eigenes Grundgesetz, sie ignoriert die europäische Friedensordnung und versucht, sie zu sprengen. Sie belügt die eigene Bevölkerung und bürdet ihr schwere Lasten auf, womöglich für sehr lange Zeit. Sie bedroht und zerstört das Leben der Ukrainerinnen und Ukrainer, ebenso wie das der russischen Soldaten – auch sie meist junge Menschen, unschuldig, nicht selten fehlinformiert.

Deshalb wiederhole ich einen Appell, der bisher ungehört verhallt ist und dennoch immer wieder nötig:

  • Präsident Putin, beenden Sie unverzüglich diesen Angriffskrieg!
  • Ziehen Sie die Soldaten sofort zurück!
  • Lassen Sie ab von der Ukraine und ihren Menschen!

Und die Menschen in Russland fordere ich auf:

Glauben und folgen Sie nicht länger diesem Autokraten, der in Ihrem Namen Unheil über andere bringt!

Unsere Werte sind erschüttert worden:

  • Du sollst nicht töten,
  • Frieden schaffen ohne Waffen,
  • für Schwerter zu Pflugscharen war ich in Leipzig auf der Straße.

Die Verheißung des Völkerfriedens.

Das Modell der Bronzeskulptur von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch zum biblischen Motiv steht vor einer Zweigstelle der Tretjakow-Galerie für moderne Kunst in Moskau. Das Original des Heroen, der Schwerter umschmiedet zu Pflugscharen, schenkte die Sowjetunion 1959 der UNO.

Nie wieder Krieg, das haben wir gelernt gelebt und geglaubt.

Normalzustand Frieden, als ob es keine Kriege auf der Welt gegeben hätte. Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Syrien, Krim.

Aber: „Friede muss fortwährend gestiftet werden“, sagt der Philosoph Immanuel Kant. Ich denke, wir waren nachlässig im Umgang mit dem hohen Gut des Friedens, zu unentschlossen, wer zu Europa gehört und – besonders im Westen Deutschlands – nicht interessiert genug an der Politik osteuropäischer Länder.

Das Recht auf Selbstverteidigung geht einher mit der Pflicht zum Beistand, notfalls militärisch. In einer Zeit, in der die Welt viele Probleme gemeinsam zu lösen hätte, fallen wir zurück in Verhaltensmuster aus der Gewalt-Geschichte. Männer kämpfen, Frauen fliehen, Waffen werden geliefert, neue Gräber ausgehoben, Sterben für die Nation, die Nachrichtensprache rüstet auf.

Kriege werden nicht gewonnen, sie müssen beendet werden. Dialog, so schwer er auch sein mag, ist die einzige Alternative. Augenmaß, Besonnenheit sind notwendig, zugleich müssen wir Haltung zeigen. Der Bundeskanzler hat es formuliert: „Die Friedensordnung in Europa baut darauf auf, dass Grenzen nicht verändert werden und staatliche Souveränität zu achten ist.“

Was können wir tun?
Kunst und Kultur können Türen offenhalten.

Künstler melden sich mutig zu Wort, darunter Staatstänzerinnen und -tänzer des Marijnski-Theaters in St. Petersburg und des Bolschoi-Theaters in Moskau. Auch ihnen gilt unser Respekt! Die Universität Potsdam berichtet von einer Protestresolution gegen den Krieg in der Ukraine, die mehr als 7.000 russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterzeichnet haben.

Ich wünsche mir, dass die Menschen auch in Russland auf die Straße gehen, die Studenten und alle, die diesen Krieg nicht wollen, die auch ein jahrzehntelanges Wettrüsten nicht wollen. Es müssen viele sein, so dass Verhaftungen nicht mehr möglich sind. Wir im Osten wissen, dass Demokratie errungen werden kann.

Verbale Abrüstung in den Medien wäre gut, Heldentum, Ruhm und Ehre scheinen mir aus der Zeit gefallen zu sein. Ich bewundere vielmehr den Mut und die unvorstellbare Energie der Ukrainer, die ihr demokratisches Land verteidigen.

Dabei sind sie nicht allein – die UN-Vollversammlung hat mit überwältigender Mehrheit den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt.

Die EU-Staaten einigten sich auf eine Richtlinie für den Schutzstatus Geflüchteter aus der Ukraine inklusive Finanzierung. Polen braucht europäische Unterstützung, weil das Land die Hauptlast an Schutzleistungen trägt.

Das Regierungskabinett bei uns in Brandenburg hat Regelungen für Unterbringung, Leistungsbezug, medizinische Versorgung und Verpflegung verabschiedet. Die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine ist groß,

Ehrenamtler sind rund um die Uhr im Einsatz, sechs Züge am Tag kommen allein in Frankfurt (Oder) an.

Letzte Woche war ich dort, am Bahnhof und bei Vereinen für Flüchtlingshilfe. Ich erhielt eine lange Liste von Alltagsdingen, die gebraucht werden:

  • Hygiene- und Pflegeartikel
  • Kinderwagen, Laufräder, Kinderfahrräder
  • neuwertige Saisonkleidung
  • Windeln
  • Spielzeug
  • Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung (viele Kinder)
  • Hand- und Küchentücher
  • Schuhe
  • Tassen, Teller und Besteck
  • Töpfe und Pfannen
  • Haushaltsgeräte
    Helfen Sie bitte, Leid zu lindern, spenden Sie!

Olena Selenska, Frau des ukrainischen Präsidenten, sagte kürzlich: „Das Wichtigste ist, sich nicht an den Krieg zu gewöhnen“. Wir werden es nicht tun, versprochen.

Vielen Dank.

 

Prof. Dr. Ulrike Liedtke Ist Präsidentin des Landtags von Brandenburg.