Redebeitrag für den Ostermarsch Braunschweig am 30 März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich bin zutiefst erschüttert und bestürzt über die Gewalt, die gegen Israel und Gaza ausgebrochen ist. Wieder muss es ein Krieg sein, der die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf diesen Konflikt lenkt.

Den Krieg, den die Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung begonnen hat, hat ungeahnte Ausmaße erreicht und hat Tot und Leid über die israelische Zivilbevölkerung gebracht. Dieser Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Der wahllose Beschuss von Wohngebieten und damit den Tot von Zivilisten billigend in Kauf zu nehmen, die Verschleppung und Geiselnahme von Zivilisten sind völkerrechtswidrig und zu verurteilen.

Beispiellos ist aber die Reaktion der israelischen Regierung, die Zerstörung, die die Bombenangriffe hervorgerufen haben, die große Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung, unter Mitarbeitern von Hilfsorganisationen, Journalist*Innen, die Zerstörung von Krankenhäusern, Gesundheitszentren, von Infrastruktur und von Wohngebieten. Die Hungerkatastrophe, die offiziell anerkannt ist, verursacht durch die Blockade Israels, Hilfslieferungen in den Gaza Streifen zu lassen. Die Versorgung über die Luft oder zu Wasser sind ein Tropfen auf dem heißen Stein und können bei weitem nicht die Versorgung über die Straß ersetzen, was von der israelischen Regierung blockiert wird. Reuters berechnete, dass durch die Luftversorgung in den letzten 3 Wochen umgerechnet gerade mal 50 LKW Lieferungen abgeworfen wurden. Tatsächlich stehen 2.400 LKW mit Versorgungsgütern vor den Grenzübergängen nach Gaza und werden durch das israelische Militär an der Einfahrt behindert. Dabei ist die israelische Regierung verpflichtet, die Menschen in Gaza zu versorgen, was der IGH in seinem Urteil vom 26. Januar unterstrichen hat.

Statt dessen wird die palästinensische Zivilbevölkerung kollektiv bestraft, das ist menschenverachtend. Diese Menschenverachtung gegenüber den Palästinensern wurde durch die Rhetorik der israelischen Regierung zu Beginn des Krieges unterstrichen. Menschen in Gaza wurden als "menschliche Tiere" bezeichnet, um nur ein Zitat vom Verteidigungsminister Yoav Gallant zu nennen.

Israel hat das Recht sich zu verteidigen, wenn es angegriffen wird, aber das Land muss sich an die Regeln des Völkerrechts halten,, was es nicht tut. Südafrika hat deshalb im Dezember letzten Jahres eine Klage gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof eingereicht. Das Land erhebt darin den Vorwurf des Völkermords und hat in einem Eilantrag eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen gefordert. Der Gerichtshof erkannte am 26. Januar zwar an, dass ein Völkermord bei Fortdauer der Handlungen plausibel sei. Der IGH hat der Forderung nach Waffenstillstand allerdings nicht entsprochen. Damit sah sich Israel legitimiert mit der Zerstörung im Gazastreifen fortzufahren. Zudem sahen sich die USA und Deutschland nicht gezwungen, ihre Waffenlieferungen an Israel einzustellen. Ich möchte ergänzen, dass sich die Waffenlieferungen Deutschland an Israel seit Beginn des Krieges im Oktober letzten Jahres vervierfacht haben.

In Bezug auf den IGH ist noch zu betonen, das mit dem Urteil das Vertrauen in die Unparteilichkeit des IGH Schaden genommen hat. Denn, blicken wir 2 Jahre zurück, als die Ukraine Russland wegen des Überfalls auf ihr Land vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt hat, hat der Gerichtshof eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen gefordert. Und ich meine sagen zu dürfen, dass die aktuellen Kampfhandlungen in Gaza eine höhere Intensität aufweisen, als die vor 2 Jahren in der Ukraine. Denn in Gaza leben rund 2,1 Mio. Menschen auf 365 km2, einer Fläche in etwa so groß wie der Stadtstaat Bremen (mit 325 km2).

1,9 Mio. Menschen sind auf der Flucht, 92 % der Gesamtbevölkerung, die teilweise mehrfach vertrieben wurden. Nach Zahlen vom Donnerstag werden unter der Bevölkerung von Gaza seit Beginn des Überfalls durch die Hamas über 32.490 Tote gezählt und mehr als doppelt so viele Verletzte, nämlich 74.889. Auf israelischer Seite sind 1.200 Tote und 5.431 Verletzte zu beklagen. Mit dem Krieg hat zudem die Gewalt im Westjordanland gegen die palästinensische Bevölkerung zugenommen mit 438 Toten und 1.400 Verletzte. (www.statista.com)

Ich trauere um die vielen Opfer in diesem Krieg. Die Opfer auf der palästinensischen Seite und die Opfer auf der israelischen Seite und meine Hoffnung ist, dass es endlich wenigstens zu einem Waffenstillstand kommt.

Ich klage die Hamas an, für den brutalen Angriff auf Israel, ich klage die israelische Regierung an, für ihre unverhältnismäßige Kriegsführung auf Gaza, ich klage die sog. "Freunde Israels" an, die Israel bedingungslos und kritiklos den Rücken freihalten. Und ich klage unsere Regierung an, die sich einseitig auf die Seite Israels stellt und tatenlos zusieht, wie der Bevölkerung im Gazastreifen eine ausreichende Versorgung über die Straße durch LKW mit Nahrungsmitteln, Wasser, Energie und Dinge des täglichen Lebens versagt wird, wie ihre Heimat in Schutt und Asche bombardiert wird.

Es bedarf der aktiven Beteiligung der UN sowie der sog. "Freunde Israels", wie der USA und auch Deutschlands, um diesen Konflikt zu befrieden und zu einer Lösung zu kommen, die den Palästinensern zu ihrem Recht verhilft. Es gibt etliche UN Resolutionen, die von Israel ignoriert werden. Dieser Konflikt wird seit Jahren ausgesessen auf dem Rücken der Bevölkerung in Israel, in Gaza und im Westjordanland. Israels Garantiemächte, vor allem die USA und Deutschland, haben alle Verletzungen des internationalen Rechts gedeckt und akzeptiert. Für den aktuellen Krieg und die Kriege der letzten Jahre sind auch sie verantwortlich aufgrund der Tatenlosigkeit und mangelnden Bereitschaft zur Konfliktlösung.

Wenn sich unsere Bundesregierung immer wieder zur Staatsräson gegenüber Israel bekennt, dann gehört dazu auch die Verantwortung gegenüber den Palästinensern wahrzunehmen und auf eine Beendigung des Krieges hinzuwirken.

Deshalb fordern wir:

  • Die Umsetzung der Resolution des UN Sicherheitsrates vom 25. März, also vergangenen Montag, in der der sofortige Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert wird.
  • Die sogenannten Garantiemächte Israels, d.h. die USA und Deutschland müssen von der israelischen Regierung die Einstellung der Kriegshandlungen fordern.
  • Die Lieferungen von Waffen an Israel müssen gestoppt werden.
  • Die Geiseln sind von der Hamas freizulassen.
  • Wir fordern den Schutz der Zivilbevölkerung und sofortige und umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza.
  • Wir fordern ein Ende der israelischen Besetzung, die diesen Konflikt aufrechterhält und eine politische Lösung, die von der internationalen Gemeinschaft gefördert und unterstützt wird (entsprechend der CfP (Combatants for Peace)).

Wir sind solidarisch mit den Opfern dieses Krieges auf beiden Seiten.

Ich möchte noch kurz darauf zu sprechen kommen, wie der Konflikt in unserem Land wirkt: Dieser Krieg polarisiert die Gesellschaft. Sie stellt auch unser Demokratieverständnis auf den Prüfstand. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Demonstrationen wird massiv beschnitten, in dem Demonstrationen unterschiedlich bewertet und genehmigt werden. Kritik, die sich an die israelische Regierung richtet, wird als antisemitisch diffamiert. Entsprechende Veranstaltung können nicht durchgeführt werden, weil es keine Räumlichkeiten gibt. Denn die Vermieter von Räumen haben Angst, dass ihnen der Makel angehaftet wird, antisemitische Veranstaltungen zu unterstützen. Damit wird ein Diskurs um den Konflikt untergraben und eine freie Meinungsbildung behindert.

Aktuell wurde der "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" in Berlin das Konto bei der Sparkasse gesperrt. Der jüdische Verein hat sich wiederholt kritisch gegen zur israelischen Politik gegen die Palästinenser geäußert. Es ist anzunehmen, dass die Kontosperrung mit einem internationalen Kongress in Verbindung steht , den der Verein gerade organisiert. Auch die Berliner Politik versucht die Veranstaltung zu boykottieren. Es wird vom importierten Antisemitismus gesprochen.

Dagegen müssen wir uns wehren, das dürfen wir nicht hinnehmen.

Vielen Dank.

 

Dr. Ute Lampe ist aktiv beim Friedensbündnis Braunschweig.