Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Bremen am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 01.09., Redebeginn: ca. 12 Uhr -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,

wir sind Mitglied der Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“ der sich bisher weit über 70.000 Menschen angeschlossen haben!

Seit 1957 ist der Antikriegstag ein Tag des Erinnerns und des Mahnens. Seit 60 Jahren erinnern die Gewerkschaften am 1. September daran, dass es dieser Tag war, an dem Nazi-Deutschland 1939 Polen überfiel und damit den Zweiten Weltkrieg entfachte. … Deshalb müssen wir unser Bekenntnis zu Frieden, Demokratie und Freiheit immer wieder erneuern. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ Dafür stehen wir Gewerkschaften! Dafür treten wir mit all unserer Kraft ein!

Über 43 Milliarden EURO hat Deutschland 2017 für Rüstung ausgegeben. Das sind mehr als 11% Zuwachs gegenüber 2014. Merkel und von der Leyen wollen den Aufrüstungskurs fortsetzten. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hält sogar eine Aufstockung auf rund zwei Prozent des BIP für denkbar; das wären im Jahr 2025 rund 84 Milliarden Euro. Das Geld fehlte dann für wichtige gesellschaftliche Aufgaben wie zum Beispiel Bildung, Gesundheit, sozialem Wohnungsbau, Alterssicherung, ökologischen Umbau und internationalen Hilfen. Eine Millionen Arbeitsplätze könnten damit finanziert werden.

Aber ich frage: Was ist das eigentlich für eine Botschaft, die da ausgesendet wird? Auf der einen Seite das Rentenniveau weiter kürzen zu wollen, auch wenn das absehbar für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Altersarmut programmiert und auf der anderen Seite zeitgleich die Rüstungsausgaben auf 80 Milliarden Euro nahezu zu verdoppeln. Statt zum Wohle von Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Kurs in der Rentenpolitik zu korrigieren – auch mit höheren Bundeszuschüssen – Milliarden und Abermilliarden zusätzlich für die Aufrüstung auszugeben: Das ist nicht die Politik, die wir brauchen.

Kanonen statt auskömmlicher Rente – das ist nicht die Politik, die den Menschen in diesem Land nutzt. So eine Politik wollen wir nicht!

Deutschland ist eines der reichsten Länder auf unserm Planeten. Aber in diesem reichen Land sind 3,2 Mio. RentnerInnen von Armut bedroht. Da darf kein Kühlschrank kaputt gehen. Fürs Vergnügen reicht das Geld nicht. Kein Kaffee, kein Kuchen, kein Theater, keine Weihnachtsgeschenke für die Enkelkinder. Wir sprechen jedoch nur über die, die jetzt bereits von ihrer kärglichen Rente leben müssen. In Zukunft werden es noch viel mehr sein. Denn jedes fünfte Kind in Deutschland ist dauerhaft arm. Heute schon! Was wird sein, wenn diese Kinder in Rente gehen? Die Regierung dieses reichen Staates wird ihnen vorher von Hatz IV bezahlen, derzeit sind das für Erwachsene 416 Euro. Für Kinder beim noch schmaleren Budget ist dabei keine Kugel Eis vorgesehen, ebenso wenig Malstifte. Aus dieser Armut kommt man nicht mehr heraus, berichten Wissenschaftler. Noch schlimmere Altersarmut der nächsten Generationen ist programmiert – im reichen Deutschland.

Wohin der von uns erarbeitete Reichtum fließt, zeigt der Rüstungsetat. Der zweitgrößte Posten des Bundeshaushalts ist aktuell mit 38,5 Mrd. unserer Steuern ausgestattet. Die jährlichen Mehrausgaben von zusätzlichen 30 Mrd. Euro sind soviel, wie die einmalige Sanierung der maroden deutschen Schulen kosten würde. Würde die Regierung also eine einzige Jahreserhöhung des Rüstungsetats für die Schulen unserer Kinder verwenden, müssten diese nicht mehr jeden Tag in Häuser mit undichten Dächern, kaputten Heizungen, durchnässten Kellern, ramponierten Sportplätzen, kaputten Fenstern, schimmligen Wänden, stinkenden Toiletten, bröckelnden Putz gehen. Aber statt es unseren Kindern zukommen zu lassen, sind schon heute fürs Jahr 2021 – ohne die Zwei-Prozent-Planung – 42,4 Mrd. Euro für die der Bundeswehr vorgesehen.

Und auf der anderen Seite:

Der Politik der Schwarzen Null vom Finanzminister steht ein massiver Investitionsstau gegenüber. In die Bereiche Verkehr, Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau müsste jedes Jahr ein mittlerer zweistelliger Milliardenbeitrag investiert werden. Die Folgen der Nichtinvestition sind: mangel an bezahlbarem Wohnraum – fast 2 Millionen bezahlte Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten, marode Straße und langsames Internet.

Die scheinbare Perversität, wie mit unseren Steuergeldern umgegangen wird, zeigt sich an zwei Zahlen: Während der Militäretat auf 37 Mrd. Euro, also um 5 Prozent erhöht wurde, wurde der Regelsatz für Hartz IV Empfänger von 409 auf 416 Euro erhöht, also um nur 1,7 Prozent.

Tatsächlich ist die Perversität nur scheinbar. Es gibt ein rationales Interesse an dieser massiven Erhöhung der Steuergelder für die Bundeswehr. Von wem? Ganz unmittelbar ziehen die Aktionäre der Rüstungsindustrie enorme Profite daraus. Aber sie sind es nicht allein. Zur Ausweitung und Sicherung ihrer Profite sind die Aktionäre von Banken und Großkonzernen an einem starken militärtechnisch auf höchster Ebene stehenden Staat interessiert. Denn im globalisierten Kapitalismus findet ein brutaler Konkurrenzkampf um wirtschaftliche und politische Einflusssphären, um Vorherrschaft, zwischen den kapitalistischen Banken und Großkonzernen statt. Auf staatlicher Ebene realisieren ihn die regierenden Eliten. Es geht um Absatzmärkte, Ressourcen, Rohstoffe, Transportwege, Stützpunkte und billige Arbeitskräfte.

Abrüsten statt Aufrüsten ist der Sand, den wir ins Getriebe der zunehmenden Kriegsgefahr werfen müssen. Gelingt es, die zweiprozentige Aufrüstung zu stoppen, sogar Abrüstungsschritte zu erzwingen, würde nicht nur die Kriegsgefahr gestoppt werden, sondern für den zivilen Bereich würden Gelder frei für Schulen und Kinderpädagogische Einrichtungen, sozialen Wohnungsbau, öffentliche Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie Nah- und Fernverkehr, Kommunale Infrastruktur, eine Sicherung für ein Altern in Würde, ökologischen Umbau, Klimagerechtigkeit und internationaler Hilfe zur Selbsthilfe. Für eine entsprechend große Anzahl von zusätzlichen qualifizierten Beschäftigten, die mit kurzer Vollzeit und tariflich guten Einkommen entlohnt würden, wäre ebenfalls Geld da. Die Einkommen würden als zusätzliche Kaufkraft in den Binnenmarkt fließen und nicht wie geplant, in die Hände der Profiteure der Rüstungsindustrie und Rüstungspolitik.

Dabei wissen doch alle genauso gut wie jeder deutsche Soldat, der im Blauhelmeinsatz war: Nur mit Waffen und mit Militär lässt sich keine Sicherheit und keine Stabilität erreichen! Nur nachhaltige Entwicklung, der Kampf gegen Hunger, Elend und korrupte Regierungen und bessere Chancen für die Menschen schaffen nachhaltigen Frieden. Deshalb gilt es in Frieden zu investieren, statt in Krieg.

Wenn nur etwas mehr als zehn Prozent der weltweiten Militärausgaben dazu verwendet würden, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen wie inklusive Bildung für alle und die Beseitigung von extremer Armut und Hunger zu finanzieren, könnten diese Ziele erreicht werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich umzudenken und mit ihren EU Partnern eine gemeinsame europäische Strategie der friedenssichernden Konflikt- und Kriesenprävention zu erarbeiten. Statt die Verteidigungsausgaben massiv aufzustocken.

Wir brauchen:

Gute Kitas und Schulen mit ausreichendem Personal. Wir brauchen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ebenfalls mit genügend ausgebildetem Personal. Wir brauchen Löhne und Renten die ein Leben in Würde ermöglichen. Investitionen in Soziales könnten helfen Populisten das Feuer auszumachen.

So bleibt festzuhalten:

Die Welt wird nicht friedlicher, indem die Rüstungsspirale immer weiter nach oben geschraubt wird.

Die Welt wird friedlicher durch vertrauensbildende Maßnahmen und durch wirtschafts- und entwicklungspolitische Initiativen, die dazu beitragen, allen Menschen ein Leben in Anstand und Würde zu ermöglichen.

 

Markus Westermann ist ver.di Bezirksgeschäftsführer Bremen-Nordniedersachsen.