Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Esslingen am 1. September 2018

 

– Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Heute am 1. September, dem Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939, gehen wir für eine friedliche Welt auf die Straße. Mehr als 55 Millionen Menschen fielen dem Nazi-Terror, dem Holocaust und dem Vernichtungskrieg zum Opfer.

Die Völker der Vereinten Nationen waren »fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat«. Den guten Absichten zum Trotz:

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind dennoch Millionen von Menschen durch zahlreiche Kriege zu Tode gekommen.

Gegenwärtig herrscht Krieg in der Ukraine, in Syrien, im Irak, im Jemen, in Israel/Palästina und im Süd-Sudan – um nur einige Beispiele zu nennen. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg.

Im Namen geostrategischer Machtinteressen und religiöser Fundamentalismen werden Feindbilder aufgebaut, Menschen getötet, Grenzen geschlossen.

Astronaut Alexander Gerst schrieb dazu folgende Gedanken aus dem Weltraum:

„Aus dem Weltraum kann man keine Grenzen erkennen. Wir sehen bloß einen einzigartigen Planeten mit einer dünnen, zerbrechlichen Atmosphäre, der in der weiten Dunkelheit des Alls schwebt. Von hier oben wird einem klar, dass die Menschheit auf der Erde eins ist und wir dasselbe Schicksal teilen.

(…) ….plötzlich (bemerkte ich) etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte: Lichtstreifen, die sich hin und zurück über die dunkle Erde bewegten, die außerdem manchmal von orangenen Feuerbällen erleuchtet wurde.

Ich nahm meine Kamera und machte einige Fotos, bevor ich schließlich verstand, was ich eigentlich gesehen hatte und worüber wir gerade geflogen waren. Obwohl das Foto selbst keine Explosionen zeigt, konnte ich sie doch mehrmals beobachten.

Als ich die Fotos machte, stellte ich mir die Frage: Sollte uns jemals eine fremde Spezies von irgendwoher aus dem Universum besuchen – wie würden wir ihnen erklären, wenn es das wäre, was sie als erstes von unserem Planeten sehen würden? Wie würden wir ihnen erklären, wie wir Menschen miteinander und mit unserem Planeten umgehen, der einzigen Heimat, die wir haben?

Assad, Erdogan, Putin, der IS und Trump und die sogenannten „Koalitionen der Willigen“ stehen symbolisch und stellvertretend für diejenigen, die das Völkerrecht und internationale Konventionen brechen und verletzen. Mit Bombardements, gewaltsamen Grenzverschiebungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen tragen sie zur Eskalation bestehender Konflikte bei.

Und Deutschland? Statt in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt zu dienen – wie es in der Präambel des Grundgesetzes heißt – wurde die in den Nachkriegsjahren gewachsene Kultur der militärischen Zurückhaltung seit dem Ende des Kalten Krieges aufgegeben.

Heute steht die Bundeswehr in 19 Ländern. Der Ruf nach stärkerem militärischem Einsatz der Bundeswehr wird immer lauter, entgegen aller Erfahrung, dass mit militärischen Mitteln kein Frieden erreichbar ist, wie die militärischen Interventionen im Irak und Afghanistan eindrücklich gezeigt haben.

Politisch legitimiert werden diese Kriegs- und Auslandseinsätze als Frieden schaffende Maßnahmen, als Krieg gegen den Terror, oder als Einsatz für Menschenrechte.

Putinversteher – ist eines dieser Worte mit denen diejenigen bezeichnet werden, die einseitige Sichtweisen und Schuldzuweisungen zurückweisen, und das Säbelrasseln der NATO, der EU, der Bundesregierung gegenüber Russland kritisieren.

Wer versucht Putin zu verstehen, akzeptiert ja weder die völkerrechtswidrigen noch gewalttätigen Handlungsweisen der russischen Regierung auf der Krim oder in der Ostukraine.  Militärische Manöver in Osteuropa und Skandinavien heizen die Eskalation weiter an.

Wir fordern von der Bundesregierung Kooperation mit statt Konfrontation gegen Russland. Alles muss getan werden, die gewaltsamen Konflikte in Syrien und der Ukraine friedlich zu regeln.

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

Mit weltweiten Bundeswehreinsätzen lassen sich weder Terrorismus bekämpfen, Gerechtigkeit herstellen oder gar das Klima schützen. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung eine neue Initiative für eine Friedens- und Entspannungspolitik in Europa und in der Welt startet.

Für eine Politik, die das Recht des Stärkeren ächtet, die Stärke des Rechtes und die Würde jedes einzelnen Menschen achtet.

Die USA und Russland wollen ihre Atomwaffenarsenale modernisieren. Die in der Eifel stationierten US-Atombomben unter dem Deckmantel einer »Lebenszeitverlängerung« zu lenkbaren Präzisionswaffen umgebaut werden.

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich klar und deutlich für den Abzug und die Verschrottung aller Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen und auf internationaler Ebene die Blockade gegen ein Atomwaffenverbot aufzugeben.

Während vor unseren Augen Tausende Zufluchtsuchende im Mittelmeer ertrinken, weitere Tausende mit Unterstützung der Bundesregierung in der Wüste verdursten, finden Kriegswaffen und Rüstungsgüter aus Deutschland weiterhin – über alle Grenzen hinweg – ihren Weg in kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten.

Mit der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ fordern wir die Bundesregierung auf, die Grenzen für Zufluchtsuchende zu öffnen und endlich für den Export von und Rüstungsgütern zu schließen!

Das wäre auch ein kleiner, aber wichtiger Beitrag um Fluchtursachen zu bekämpfen und dem sogenannten Terrorismus den Boden zu entziehen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist beschämend und skandalös: Alle zwanzig Sekunden stirbt weltweit ein Kind an den Folgen von Unterernährung. Über 1 Millionen Dollar werden in der gleichen Zeit weltweit für Rüstung ausgegeben.

Gut 11 Prozent unserer Steuereinnahmen, das sind in diesem Jahr 39 Milliarden Euro für neue Waffen, Soldaten und Krieg verschwendet.

Das sind Monat für Monat ca. 40 Euro  die im Durchschnitt jede Einwohnerin von Baby bis zum Greis in die Kriegskasse einzahlen muss.

Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, soll jeder und jede von uns, vom Baby bis zum Greis im Jahr 2024 statt monatlich 40 Euro sogar 70 Euro in die Kriegskasse einzahlen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!

Eine Bundesregierung die den sozialen Frieden will, muss den Rüstungsetat drastisch kürzen und mehr Geld für Bildung und soziale Leistungen ausgeben.

Eine Bundesregierung die sich für mehr Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzen will muss auf die geplante milliardenschwere Erhöhung der Ausgaben für Kriegseinsätze, Soldaten und neue Waffen in den nächsten Jahren verzichten. -

Eine Bundesregierung, die das Friedensgebot des Grundgesetzes ernst nimmt, zieht keine Minderjährigen zur Bundeswehr ein, sondern wirbt in Schulen und Universitäten junge Menschen für  eine zivile Ausbildung zur Friedensfachkraft.

Niemand, der sich für den Frieden engagiert, hat  einer konfliktfreien Welt vor Augen. Aber ich wende mich gegen eine Politik, die für einige wenige ein waffengeschütztes Paradies bedeutet und für alle anderen die Hölle auf Erden.

Es geht mir um eine Welt, in der Konflikte auf andere als auf tödliche Weise ausgetragen werden.

Darum:

 

Besser schlecht miteinander gesprochen
als gut aufeinander geschossen.

Besser unbeholfen aufeinander zugehen
als gekonnt übereinander herfallen.

Besser langsam mit Geduld
als schnell mit Wut.

Besser nachverhandeln
als nachrüsten.

Besser gemeinsame Punkte suchen
als Unterschiede herausstellen.

Besser heute den ersten Schritt wagen
als morgen den letzten Schritt riskieren.

Friedrich Schorlemmer (*1944) in seiner Rede am 6. November 1983 in Halle

 

Lasst uns gemeinsam global denken und lokal handeln – tatkräftig und lautstark für eine Welt frei von Krieg, Faschismus und Rassismus.

Für einen Planeten, wo die Schwerter zu Pflugscharen und die Speere zu Winzermessern um geschmiedet werden.

Für einen Erdball, wo jede Frau und jeder Mann in Frieden unter ihrem Weinstock und unter dem Feigenbaum sitzt.

 

Paul Russmann ist Mitglied im Beirat der Aktion Ohne Rüstung Leben (ORL) in Stuttgart.