Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Bremen am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 01.09., Redebeginn: ca. 12 Uhr -

 

Nie wieder Krieg! Abrüsten statt Aufrüsten!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der Volksmund weiß:

„Das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit!“

Mit dem Überfall auf Polen hat Nazideutschland heute vor 79 Jahren den Zweiten Weltkrieg begonnen.

Am Anfang stand die Lüge eines polnischen Überfalls auf den Sender Gleiwitz.

Dieser Krieg hat unermessliches Leid über die Welt gebracht.

60 Millionen Tote waren die Folge der menschenverachtenden Politik eines übersteigerten Nationalismus gepaart mit Militarismus und Rassismus.

Diese ungeheure Zahl übersteigt das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen.

Und je weniger Zeitzeugen es noch gibt, desto größer ist die Gefahr, dass das Grauen dieses Krieges nur noch als abstrakter Superlativ in den Köpfen der Menschen präsent ist.

Umso wichtiger ist es, die Erinnerung, welches menschliche Leid der Krieg verursacht wach zu halten.

Deshalb demonstrieren wir jedes Jahr für den Frieden.

Da ist der Bremer Marktplatz sicherlich eine gute Adresse. Direkt vor dem Rathaus, das diesen letzten großen Krieg so gut überstanden hat.

Ringsum aber brannten die Häuser und mehr als die Hälfte dieser stolzen Hansestadt wurde durch Bomben zerstört.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Anwesende,

„Nie wieder Krieg!“, das ist die zentrale Botschaft des Antikriegstages.

In Deutschland sind wir nach der Befreiung vom Faschismus vom Krieg verschont geblieben.

Aber das gilt nicht einmal für ganz Europa und schon gar nicht für viele andere Länder der Welt.

Unsere Hoffnungen auf eine friedlichere Welt ohne Kriege haben sich leider nicht erfüllt.

Vor über 60 Jahren, am 1. September 1957, rief der DGB zusammen mit 5.000 Jugendlichen erstmals zum Antikriegstag auf.

Die gemeinsame Botschaft lautete:

„Wir wollen ohne Waffen und Atombomben auskommen!“

Diese Botschaft gilt weiterhin, mehr denn je!

Nicht erst seit der Ohne-Mich-Bewegung gegen die Remilitarisierung und gegen die atomare Aufrüstung der 1950er Jahre.

Wir waren dabei, als wir in den 1980er Jahren gegen den Nato-Doppelbeschluss demonstrierten und für eine atomare Abrüstung, die dann nach Ende des kalten Krieges für eine historisch kurze Zeitspanne möglich wurde.

Unter Euch sind viele, die damals dabei gewesen sind und die heute noch kämpfen.

Ich bitte Euch: Lasst in diesem Kampf nicht nach – weder heute noch morgen.

Legendär ist die Zahl von 16.000 Unterschriften, die allein der heute hochbetagte und hochgeschätzte Friedensfreund Ernst Busche unter den Krefelder Appell sammelte.

Bertolt Brecht hat solche Menschen, die ein Leben lang kämpfen, die Unersetzlichen genannt.

Ohne sie gäbe es die Friedensbewegung nicht.

Unser Traum von einer gerechteren Welt in Frieden - unser Ideal - ist und bleibt bestehen.

Aber es erscheint uns heute so fern - angesichts der vielen Kriege und Konflikte in dieser Welt. Angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen.

Angesichts des Hungers und der Entrechtung in vielen Ländern. Verursacht durch die abgründigen Interessen und bodenloser Macht global agierender Konzerne und verantwortungsloser Autokraten.

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,

wir erleben heute eine neue Phase der Aufrüstung:

Der Rüstungshaushalt soll nach dem Willen der NATO auf zwei Prozent des Volkseinkommens erhöht werden.

Das ist unverantwortlich, verschärft die weltweiten Konfliktlagen und führt zu neuem Hunger und Elend.

Aufrüstung und weltweites Wettrüsten, liebe Freundinnen und Freunde, ist keine Lösung!

„Abrüsten statt Aufrüsten“ ist dagegen das Motto eines gemeinsamen Aufrufes der Friedensbewegung, den die meisten von uns sicher kennen, ja selbst unterschrieben haben.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass er von noch viel mehr Menschen unterschrieben wird!

Wir brauchen nicht mehr Geld für Rüstung. Wir brauchen das Geld für Bildung, Infrastruktur und zivile Investitionen. Das können dann gerne auch mehr als zwei Prozent sein, die wir dafür mobilisieren!

Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben!

  • Abrüsten ist das Gebot der Stunde!

Daran wollen wir sie erinnern.

Und: Daran werden wir sie messen!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Welt ist in einem gefährlichen Krisenmodus.

In Afrika sind Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. In Europa und in Deutschland nimmt die soziale Ungleichheit und Armut in einem lange nicht gekannten Ausmaß zu.

Das alles spitzt sich zu, statt die vielen Kriege und Konflikte zu deeskalieren.

Wir wollen nicht, dass das so weitergeht!

Nur ein Bruchteil der 1,7 Billionen Dollar, die weltweit für Rüstung ausgegeben werden, würde ausreichen, die wichtigsten Milleniumsziele der Vereinten Nationen zu erreichen:

  • Armut halbieren,

  • alle Menschen mit sauberem Wasser versorgen, ebenso mit Gesundheitsdiensten und Bildung.

Das wäre machbar!

Zum Beispiel, wenn die deutsche Außenpolitik von dem Leitgedanken Abrüstung, zivile Hilfen und fairer Handel geprägt wäre, nicht von militärischen Machtgehabe und Interventionen.

Aber die Ausgaben fürs Militär steigen und steigen. Jedenfalls im Westen.

  • Auch wenn Russland 2017 nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts seinen Rüstungsetat um 20 Prozent gesenkt hat, wird immer noch deutlich zu viel ins Militär gesteckt.

  • Die deutschen Militärausgaben mit über 43 Milliarden Dollar so hoch wie seit fast 20 Jahren nicht mehr (1999).

  • Die 29 NATO-Staaten geben zusammen 881 Milliarden Dollar für Rüstung aus. Das ist das ungefähr 16-fache dessen, was Russland aufbringt (55 Milliarden).

  • Donald Trump hat gerade erst ein Rekordbudget für Verteidigung in Höhe von 716 Milliarden Dollar bewilligt. Er will den „Krieg der Sterne“ dadurch gewinnen, indem bis 2020 eine „Space Force“ als sechste Teilstreitkraft des US-Militärs aufstellt.

  • Auf dem Nato-Gipfel in Brüssel hat er die aus seiner Sicht zögerlichen Zusagen der deutschen Kanzlerin auf die 2 Prozent noch mit der Forderung nach einer Verdoppelung auf 4 Prozent getoppt!

All das nimmt keine Rücksicht auf die wirklichen Probleme, vor denen wir stehen.

Die Spirale der Aufrüstung erinnert an den Kalten Krieg. Und wir haben mehr „heiße Kriege“ als je zuvor auf unserer Welt.

Diesen Wahnsinn dürfen wir nicht mitmachen!

Im Vordergrund muss das Bemühen stehen, allen Menschen ein Leben ohne Not zu sichern.

Wir wollen eine Politik der Abrüstung und Konfliktprävention, der sozialen Gerechtigkeit und der internationalen Solidarität.

Die muss statt in militärische Aufrüstung in sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitische Aufgaben investieren.

So kommen wir ans Ziel!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

um es drastisch, aber auch in aller Klarheit zu sagen:

Der Tod ist immer noch ein Export-Weltmeister auch aus Deutschland.

Deutschland ist gegenwärtig nach den USA, Russland und China der viertgrößte Waffenexporteur der Welt.

 

Ein erbärmlicher Spitzenplatz, liebe Freundinnen und Freunde!

Die Bundesregierung hat auch im letzten Jahr riesige Mengen an Waffenexporten im Wert von 6,25 Milliarden Euro in alle Welt genehmigt, auch an sogenannte Drittländer, also Staaten außerhalb von NATO und EU:

Viele dieser Staaten liegen in Kriegs- und Krisengebieten, beispielsweise im Nahen Osten und Nordafrika.

Mit die meisten deutschen Rüstungsgüter bekommen Länder wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten.

Diese Länder führen völkerrechtswidrige Kriege und verletzen die Menschenrechte systematisch und massiv.

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir alle wissen: Rüstung tötet! Auch im Frieden!

Dieses Motto der Friedensbewegung, unserer Bewegung, gilt nach wie vor.

Die Exporte von Waffen und ihre unkontrollierte Weitergabe tragen weltweit dazu bei, dass Menschenrechte verletzt werden. Und: Sie halten eine Todesspirale in Gang.

Statt die dunklen Kanäle zu verstopfen, aus denen Terroristen wie der „Islamische Staat“ ihre Waffen beziehen, wird ihr Terror wiederum mit Waffen bekämpft. Dieser Teufelskreis muss endlich durchbrochen werden.

Die deutschen Rüstungsexportgesetze müssen baldigst eine verbindliche Menschenrechtsklausel erhalten. Und das Parlament umgehend bei Entscheidungen über Waffenexporte einbezogen werden.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin überzeugt: Wir können die Probleme, die es auf unserer Erde gibt, nur zivil lösen. Dafür müssen wir das Militärische stoppen, und zwar überall!

Ich weiß, dies ist ein langer und mühsamer Weg.

Und wir – als Gewerkschaften - können diesen Weg nicht alleine gehen.

Wir brauchen dafür eine große, gesellschaftliche Mehrheit.

Erst recht, wenn es noch keine politischen Mehrheiten für unsere Ziele in Berlin gibt!

Seien wir realistisch, verlangen wir das Unmögliche!

Herzlichen Dank!

 

Wolfgang Lemb ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.