Redebeitrag für die Antikriegstag-Veranstaltung am 30. August 2019 in Essen

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Das ist die unumstößliche Lehre, die wir Gewerkschaften aus den Kriegen, dem Morden im 20. Jahrhundert gezogen haben - in Deutschland, in Europa und weltweit. Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Diesen Leitsatz müssen wir immer wieder mit Leben füllen. Gerade in der heutigen Zeit. Und dazu müssen wir als erinnern!

Es ist 80 Jahre her: Am 1. September 1939 überfällt die faschistische deutsche Wehrmacht Polen und beginnt damit den zweiten Weltkrieg.

Was fast sechs Jahre später, am 8. Mai 1945 endet, hat mehr als 80 Millionen Menschen in Europa und der Welt das Leben gekostet. Ausgelöscht auf Schlachtfeldern, in Städten, Dörfern, auf dem Meer, in den Bergen. Gestorben als Mittäter, als Kanonenfutter, als Opfer in den Vernichtungskriegen der Nazis im Osten, vor allem in Polen und der Sowjetunion; ermordet in den Konzentrations- und Vernichtungslagern allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religion, einer Volksgruppe, einer politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung; erst ausgesondert und dann getötet, weil sie als Menschen mit Behinderungen nicht in die Kategorie „wertvolles Mitglied des Volkskörpers“ passten. Gefoltert, ermordet oder in Schauprozessen verurteilt und hingerichtet weil sie Widerstand gegen dieses unmenschliche Regime, gegen Faschismus und Krieg geleistet haben.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!ist leider auch 80 Jahre später eine Herausforderung uns alle uns nicht zu gewöhnen und mehr zu tun um Frieden und Demokratie zu sichern.

Übermorgen, am Sonntag, werden in zwei Bundesländern die Landtage neu gewählt. Zunächst einmal muss gesagt werden: Voraussichtlich 75 Prozent der Wähler*innen auch in Ostdeutschland werden demokratisch wählen. Lasst uns das nicht übersehen! Aber es macht mich fassungslos, wenn diese Partei, die in irreführender Weise das Wort „Alternative“ im Namen trägt droht, zur stärksten parlamentarischen Kraft zu werden. Die führenden Köpfe der AfD zeigen immer wieder, dass sie sich in die Tradition derer stellen, die Deutschland schon einmal in den Untergang getrieben haben. Damit sind sie keine Alternative, sondern brandgefährlich für unsere Demokratie. Und was mich an der Aussicht auf die drohenden Wahlergebnisse verstört: Die Höckes, Weidels und Gaulands offenbaren sich immer klarer. Sie verschieben den politischen Diskurs immer weiter ins Rechtsextreme. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.

Und daran dürfen wir uns nicht gewöhnen!

Auch deshalb erschüttert es mich, dass die NRW Landesregierung in dieser Woche einen Erlass angekündigt hat, dass zukünftig bei jeder Straftat auch die Nationalität des Täters anzugeben ist. Ich fürchte, damit wird erneut Öl auf das Feuer der Demagog*innen und Hetzer geschüttet.Verbrechen haben keine Nationalität, sie haben Täter!

Und noch eins: Ich halte die Bezeichnung von AfD-Wählern als „Protestwähler“ für eine Verharmlosung. Wer es „Denen da Oben“ mal zeigenwill, wer protestieren will, soll in die Gewerkschaft eintreten. Oder sich in demokratischen Initiativen, Organisationen und Parteien engagieren. Niemand kann behaupten, nicht gewusst zu haben, wofür diese Partei steht. Wer AfD wählt, trägt Verantwortung, für Anwachsen von Rassismus, für die dramatische Zunahme von Drohungen und Gewalt gegen Demokratinnen und Demokraten und Menschen, die irgendwie anders sind.

Deshalb bleiben wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschaften an diesem Punkt kompromisslos: Null Toleranz für Rechtextremisten und Rechtspopulisten und auch null Toleranz dafür, denen eine Stimme zu geben!

Die meisten Menschen auf unserem Kontinent haben die vergangenen 74 Jahre ohne Krieg gelebt. Wir dürfen aber deshalb nicht glauben, dass Krieg in Europa nicht mehr möglich ist. Die Europäische Union mag vielen von uns selbstverständlich sein. Sie kann Manchem als weit weg, kompliziert, undurchsichtig erscheinen. Sie ist vor allem aber Eines: Die beste Entscheidung, die die europäischen Staaten nach dem Weltkrieg getroffen haben. Und ein für Deutschland kaum zu fassender Glücksfall. Wer in Deutschland konnte erwarten, dass unsere europäischen Nachbarn wenige Jahre nach der Shoa und den unfassbaren Gräueln, die unser Land in ihren Ländern begangen hat uns– dem Feind – die Hand zum Frieden reichen!

Natürlich: Jenseits der Sonntagsreden ist die europäische Zusammenarbeit oft schwierig. Aber der selbstgewählte Zwang, sich in wichtigen Fragen einigen zu müssen, das ist die „Zauberformel“ für unser friedliches Zusammenleben. Differenzen müssen ohne Waffengewalt gelöst werden.Darauf kommt es an!

Die aktuelle Weltlage ist geprägt durch Unsicherheit und Instabilität.70 Millionen Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht vor Krieg, vor politischer Verfolgung, Naturkatastrophen und Armut.

Wer glaubt, globale Probleme mit nationalen Alleingängen, mit Mauern oder Abschottung zu lösen, der wird verlieren! Damit halten wir Niemanden auf, der in Not ist und Hilfe zum Überleben sucht. Aber wir laden das Problem und vor allem die Flüchtlinge an den Grenzen von Italien, von Griechenland und der Türkei ab. Und die Menschen versuchen dann unter Lebensgefahr, doch nach Europa zu kommen. Diese Politik, die den Flüchtenden keinen Weg mehr nach Europa lässt, fördert Schlepperbanden. Nicht die Seenotrettung.

Deshalb bin ich dankbar für die vielen lokalen Initiativen, Menschen aus ihrer Not zu retten und ihnen einen sicheren Hafen zu geben.

Das entbindet aber unsere Regierungen nicht davon, endlich wieder eine staatlich organisierte Lebensrettung im Mittelmeer zu organisieren und die Geretteten in unseren Staaten in der Europäischen Union aufzunehmen. Wir brauchen endlich eine solidarische Flüchtlingspolitik, die ihren Namen auch verdient.

Frau von der Leyen: Setzen Sie das Thema ganz oben auf ihre Agenda. Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit Mauern und Militär werden wir keine gute Zukunft schaffen. Wir werden aktuell nicht nur Zeuge, wie ein neuer Aufrüstungswahn um sich greift. Auch die nukleare Bedrohung wächst wieder. In einer Zeit in der alle Atommächte dabei sind, ihre Nuklearwaffen zu modernisieren, steigen die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus. Und im Oktober 2018 hat Präsident Trump den Atom-Abrüstungsvertrag INF mit Russland gekündigt. Seit 1987 hat dieser Vertrag für eine deutliche
Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen gesorgt.

Umso wichtiger ist es, dass von Europa und von Deutschland Signale des Friedens ausgehen.

Da waren wir schon mal weiter: Deutschland ist führender Waffenexporteur. Und immer noch wird in Krisen- und Kriegsregionen exportiert. Jetzt macht sich die neue Bundesverteidigungsministerin dafür stark, den Bundeswehreinsatz im Irak zu verlängern.

Es wäre doch ein gutes Ziel, dass Deutschland führende Exportnation für friedlicher Konfliktlösung, für verbale und militärische Abrüstung und Völkerverständigung.

Das ist doch absurd: Erst liefern wir Waffen und bilden Soldat*innen aus, und dann wundern wir uns, wenn sie zum Einsatz kommen. Der Bundeswehreinsatz im Irak muss wie geplant und vom Bundestag beschlossen beendet werden!

Seit 18 Jahren wird in Afghanistan militärisch interveniert und es gibt immer noch kaum Hoffnung auf Beendigung. Wieviel klüger wäre es, wenn wir unsere Fähigkeiten als Friedensmittler ausbauen würden!

Immer noch ist der Krieg als Mittel der Politik nicht geächtet. Wie viele gescheiterte Militärinterventionen braucht es noch, damit wir lernen, dass mit Krieg kein Frieden zu machen ist?

Im Juni 1945 wurde als Lehre aus den beiden Weltkriegen die Charta der Vereinten Nationen gegründet. Ich finde, wir sollten nicht einstimmen in den Chor derer, die die Vereinten Nationen schlecht reden. Die Vereinten Nationen sind besser als ihr Ruf. Und mit den Blauhelmen haben wir die Möglichkeit, Friedensmissionen militärisch abzusichern. Geht es um den Weltfrieden, ist die UNO die beste Institution, die wir haben. In einer komplexen Welt wie dieser gibt es nur eine Konfliktlösung: eine friedliche.

Und deshalb muss Deutschland endlich den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnen. 130 Staaten haben es uns schon vorgemacht.

Wir brauchen auch mehr Forschung für die Beilegung von Konflikten auf friedlichem Wege an Stelle von weiteren Investitionen in neue Waffentechniken.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der NRW-Landesregierung für mich völligunverständlich: Sie haben die Zivilklausel im Hochschulgesetz NRW gestrichen. Das ist fatal. Die rot-grüne Landesregierung hatte die Hochschulen damit verpflichtet. Sie lautete: "Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach.“

Zwei Sätze die jetzt gestrichen wurden:Wissenschaft und Forschung sollen mit ihrer Arbeit dem Allgemeinwohl dienen und einen Beitrag für eine friedliche Welt leisten. Genau darauf kommt es doch jetzt an. Stattdessen dürfen Hochschulen jetzt wieder für Militärzwecke forschen. Vorwärts zurück ins Mittelalter! Dieses fatale Signal muss unbedingt zurück genommen werden. Wir fordern daher die Hochschulen in NRW auf, die Zivilklausel in ihren Satzungen zu belassen und damit ein klares Zeichen zu
setzen: Konflikte müssen friedlich gelöst werden.

Ebenso klar muss bleiben, dass auch über den Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums nicht die NATO, sondern das deutsche Parlament, also der Bundestag entscheidet. Die Forderung von CDU und CSU, dass der Rüstungsetat auf 2 Prozent des BIP aufgestockt werden soll ist grundverkehrt. Es gab und gibt keinen Parlamentsbeschluss in dem ein solches Ziel jemals beschlossen worden wäre. Der DGB lehnt dieses Ziel entschieden ab. Es würde fast eine Verdoppelung des Militäretats bedeuten. Es würde bedeuten, dass weitere 30 Milliarden Euro im zivilen Bereich fehlen würden: Für Investitionen in Bildung, Hochschulen, Schulen und Kitas. Sie würden fehlen für die Verbesserung unserer Verkehrsinfrastruktur, für eine ökologische Energiewende, für bessere Alterssicherung und soziale Sicherheit. Und für eine Entschuldung der Kommunen, die gerade hier im Ruhrgebiet immens wichtig wäre. Der DGB unterstützt deshalb die Initiative „Abrüsten statt aufrüsten“. Den Aufruf gegen das Zwei-Prozent Ziel der Nato haben inzwischen mehr als 150.000 Unterstützer*innen unterzeichnet. Ich bitte auch euch, sofern noch nicht geschehen: Suchmaschine an, „Abrüsten statt Aufrüsten“ eingeben und unterschreiben!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
soziale Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für eine friedliche Politik. Menschen lassen sich besonders gut gegen andere Menschen mobilisieren, wenn ihnen „die Anderen“ als die Verursacher ihrer sozialen, häufig existentiellen Probleme präsentiert werden.Deshalb sind die Rassisten und Nationalisten so brandgefährlich. Wer zum Kompromiss nicht fähig ist, der findet sich auf dem Schlachtfeld wieder.

Für uns Gewerkschaften gilt: Lasst uns dafür eintreten, dass Differenzen friedlich und im Dialoggelöst werden. Gemeinsam machen wir uns stark für eine offene, tolerante und bunte Gesellschaft.

Und wir Gewerkschaften zeigen Flagge – am Antikriegstag und auch das restliche Jahr: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

 

Anja Weber ist Vorsitzende des DGBs in NRW.