Redebeitrag zur Antikriegstag-Kundgebung am 31. August 2019 in Bremen

 

Aus der Geschichte lernen! Nein zum Krieg!

 

- Es gilt das gesprochen Wort. -

 

Liebe Freudinnen und Freunde,

Am 1. Sept. 1939, vor 80 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Wie die meisten Kriege, auch die aktuellen, begann auch dieser Krieg mit einer Lüge.

Als nach 6 Jahren, im Mai 1945, die Waffen schwiegen, lag nicht nur Deutschland in Trümmern. Weite Teile Europas und auch Regionen außerhalb Europas waren zerstört.

Millionen Menschen waren auf der Flucht.

Der Zweite Weltkrieg hat mehr als 65 Millionen Menschen das Leben gekostet, die meisten davon waren Zivilisten.

Mit 27 Millionen Toten, darunter mehr als die Hälfte Zivilisten, hatte die Sowjetunion die größten Verluste.

Zu den Opfern des 2. Weltkrieges gehören auch die 6 Millionen von den Nazis ermordeten Juden, der Krieg schuf die Bedingungen für den Holocaust.

Hoch waren die Opferzahlen in Polen: 6 Millionen, darunter 5,7 Millionen Zivilisten.  in Griechenland, dort fielen 180 000, darunter 160 000 Zivilisten den Deutschen zum Opfer, in Jugoslawien 1, 7 Millionen, darunter fast 1 Million Zivilisten,

Deutschland zählte etwa 6,3 Millionen Tote, darunter fast 5,2 Millionen Soldaten. Die USA verloren 292 000 Soldaten. 200 000 Japaner, die Bewohner der Städte Hiroshima und Nagasaki, alles Zivilisten, wurden am 6.8.1945 durch die amerikanischen Atombomben getötet.

Das Wissen und Bewusstsein über das Ausmaß des 2. Weltkrieges außerhalb Europas ist relativ gering. Schon vor 1939 hatte Japan den Krieg gegen China begonnen, in dessen Folge über 13 Millionen Chinesen, darunter mehr als 10 Millionen Zivilisten starben,

Millionen Soldaten aus Afrika, Asien und Ozeanien haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft. Sowohl die faschistischen Achsenmächte als auch die Alliierten rekrutierten in ihren Kolonien Hilfstruppen.  100 000de ließen ihr Leben für die Kolonialherren. Weite Teile der Dritten Welt dienten auch als Schlachtfelder und blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück. 

Soweit ein Blick auf die Bilanz. Die Zahlen vergisst man schnell wieder. Auffällig scheint mir aber, dass die BRD sich gerade gegenüber einigen der genannten Ländern mit so furchtbaren Opferzahlen besonders anmaßend oder feindlich verhält. Und noch eins: Während in Europa die Gegenwart für friedlich gehalten wird, wird in vielen Ländern der Dritten Welt die aktuelle Situation als Dritter Weltkrieg bezeichnet.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Für Frieden und Abrüstung! ist der diesjährige Aufruf des DGB überschrieben.

Es ist richtig und wichtig an die Losung der Nachkriegszeit zu erinnern. Aber zufrieden sein und ausruhen dürfen wir uns nicht! Denn „Der Schoß ist fruchtbar noch“, wie Bertolt Brecht mahnte.

Nie wieder Faschismus! Nein! Faschismus herrscht in unserem Land nicht. Allerdings erstarken rings um uns in der hochgelobten „westlichen Wertegemeinschaft“ faschistoide oder faschistische Bewegungen und bringen ihre Führer hervor. Und das nicht nur in Polen, Österreich und Ungarn, sondern auch in Großbritannien und in den USA.

Auch die BRD ist nicht frei von besorgniserregenden Entwicklungen: Rechtsradikale Aufmärsche, Hetze, Überfälle, Morde und  Mordserien. Furchteinflößend ist die unübersehbare Gleichgültigkeit, Duldung bis hin zu Unterstützung von Seiten der Behörden und Gerichte. Im Sommer dieses Jahres lehnten gleich mehrere Staatsanwaltschaften ab, Ermittlungen gegen ein Plakat der Partei „Die Rechte“aufzunehmen , auf dem es hieß: „Israel ist unser Unglück“. Die Parole, die eindeutig Bezug nimmt auf die vom Naziregime propagierte Parole „Die Juden sind unser Unglück“ wurde übereinstimmend als strafrechtlich nicht relevant und von der Meinungsfreiheit gedeckt beurteilt.

Die Asylpolitik der Bundesregierung ist ein weiterer Anlass zu großer Sorge. Die Regierungsparteien geben den Forderungen von AfD und anderen Rechtsradikalen nach, indem sie die Grenzen dicht machen und die Geflüchteten im Mittelmeer ertrinken lassen. Bisher ist nicht die AfD verantwortlich für den tausendfachen Tod im Mittelmeer, sondern die Regierungsparteien sind es. Es ist kein Trost zu wissen, dass es mit der AfD viel schlimmer wäre.

Wir sind solidarisch mit den Geflüchteten!

Rassismus wird aber nur bekämpft werden, wenn endlich Schluss mit Sozialabbau und Kriegen ist. Wir sagen: Sozialabbau, Kriege und Rassismus sind  unteilbar, sie sind Ausdruck ein und derselben Politik.

Nie wieder Krieg? Wir leben längst mitten im Krieg. Die Forderung muss heute heißen: Stoppt den Krieg!

  • 70 Jahre lang, Schritt für Schritt, wurde das „Nie wieder Krieg“ ausgehöhlt, zunichte gemacht, Makulatur:  Die Remilitarisierung in den 50er Jahren, Aufbau der Bundeswehr, Entstehung alter und neuer Rüstungskonzerne,  die BRD  3. größter Rüstungsexporteur der Welt.
  • Schließlich: 1998 Deutschland führt wieder Krieg, 10 Jahre nach dem Ende der DDR und zum 1. Mal nach dem Ende des 2. WK beteiligt sich Deutschland am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien. - Inzwischen ist die Bundeswehr in  Afghanistan, Mali, Irak, Syrien, Sudan, Somalia und weiteren sechs Ländern im Kriegseinsatz. Was ist es sonst, wenn deutsche Aufklärungsflieger die Koordinaten für die Bombardierungen syrischer Ziele an die NATO liefern?
  • Krieg geht von deutschem Boden aus; von der US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz wird der US-Drohnenkrieg gegen die Staaten im Nahen und Mittleren Osten geführt.
  • Planung und Umsetzung einer Europäischen Armee unter deutscher Führung.
  • Deutsche Soldaten an der russischen Grenze.

In Deutschland spüren wir die Kriege nur indirekt. Dass 11 % des Bundeshaushalts für die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf drei Kontinenten und in den Rüstungsetat fließen und für Soziales fehlen, merken wir schon, wenn auch nur indirekt.

Wir fordern daher: Abrüsten statt Sozialabbau!

Indirekt spüren wir den Krieg auch, weil flüchtende und vor Krieg geflohene Menschen bei uns um Schutz, Hilfe und Arbeit nachsuchen. Flüchtlinge kommen zu uns, weil wir ihre Länder zerstören.

Wir zerstören ihre Länder durch direkte Kriege und Handelskriege. Solidarität mit Flüchtlingen. Schluss mit Krieg und Handelskrieg gegen die Länder der Dritten Welt.

Auch  für die Klimaveränderung, die den Geflüchteten in ihren Herkunftsländern die Überlebensmöglichkeit nimmt, sind im wesentlichen die Länder der westlichen Welt verantwortlich.

Militär, Rüstung und Krieg sind der größte Umweltzerstörer weltweit. Die Produktion von Dingen, die nur der Zerstörung dienen, ist der größte Verstoß gegen Nachhaltigkeitsprinzipien. Die  Vorbereitung von Kriegen, das Üben und Trainieren verschlingt Unmengen an Ressourcen. 10 Flugminuten eines B 52 Stratocruisers verbrauchen soviel Kraftstoff wie der Durchschnittsautofahrer im Jahr. Ein Viertel des weltweiten Kerosinverbrauchs entfällt auf Militärmaschinen.

Das größte aller vorstellbaren Umweltverbrechen wäre der erneute Einsatz von Atombomben. Wie kann es sein, dass die Bundesregierung deutschen Soldaten in Büchel, in der Eifel, den Auftrag gibt, den Einsatz von Atomwaffen zu üben?

Wir fordern: Atomwaffen verbieten! Die Bundesregierung muss den Verbotsvertrag unterzeichnen! Atomwaffen raus aus Deutschland!

Ist die Politik der Bundesregierung dem Nie wieder Krieg!  verpflichtet?

Im Gegenteil, sie verstößt mit ihrer Außenpolitik gegen GG und UN-Charta.

Das GG erlaubt den Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung. Der "Verteidigungsfall"  tritt laut GG ein, wenn „das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen" wird oder wenn "ein solcher Angriff unmittelbar droht".

Der Einsatz der Bundeswehr "zur Verteidigung" ist laut UN-Charta ausschließlich als Abwehr gegen einen "militärischen Angriff" erlaubt, jedoch nicht etwa zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer, politischer oder geostrategischer Interessen.

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung, quasi die Aufgabenbeschreibung für die Bundeswehr, nennen als Aufgabe der Bundeswehr die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und von Transportwegen. Damit setzen sich die Bundesregierungen über GG und UN-Charta hinweg.

Wir sagen: Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr!

Und wie ist es mit „humanitären Kriegen“? Gibt es humanitäre Kriege? Nein! Kriege sind immer der größte Verstoß gegen die Humanität. Die Mehrzahl der Kriegsopfer sind immer Zivilisten. Das erste und wichtigste Recht der Menschen ist es zu leben.

Wer Menschenrechte ernst nimmt, muss eine Regierungspolitik zur Rettung von Hungernden und Ertrinkenden machen statt Kriege zu führen. Die heutigen Kriege haben zu 99 % nichts mit der Verteidigung von Menschenrechten zu tun, sondern mit wirtschaftlichen und Machtinteressen. Die Bremer Mahnwachenfrauen tragen ein Schild, auf dem steht „Ginge es um Menschenrechte dürfte es Hunger auf der Welt nicht geben“.

Jedes Jahr sterben 9 Millionen Menschen an Hunger und den Folgen von Hunger. Gleichzeitig könnte der Hunger in der Welt besiegt werden, wenn nur 10 % der weltweiten Ausgaben für Militär und Krieg zur Bekämpfung des Hungers eingesetzt würden.

Auch Sanktionen sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil sie in aller Regel und zuallererst Zivilisten treffen, darunter die Schwächsten, Kinder, Alte, Kranke.

Die ehemalige US-Außenministerin Albright hielt den Tod von 500 000 irakischen Kindern als Folge der US-Sanktionen für akzeptabel. Die vom Westen verhängten Sanktionen gegen Syrien haben inzwischen mehr Menschenleben gefordert als die militärischen Auseinandersetzungen. Die Sanktionen des Westens gegen Venezuela haben allein in diesem Jahr 10 Tausende Kranke umgebracht, weil der Westen verhindert, dass Medikamente und Medizintechnik geliefert werden können.

Schluss mit den völkerrechtswidrigen Sanktionen!

Beim Völkerrecht hat man den Eindruck, dass es nur noch zitiert wird, wenn man es gegen Russland in Stellung bringen kann.

Die Mehrzahl der Deutschen will gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland. Warum ist Freundschaft mit Russland, nach dem, was Deutschland den Menschen dort im 1. und im 2. WK angetan hat, nicht deutsche Staatsräson? 

Wir fordern: Schluss mit den Sanktionen gegen Russland!

Die USA brechen das Völkerrecht tagtäglich und auch die Bundesrepublik verstößt dagegen, z.B. mit der Unterstützung des Krieges gegen Syrien. Immer häufiger wird die UNO ignoriert, das Völkerrecht wird ersetzt durch die Macht des Stärkeren. Die Stärkeren sind die USA, die NATO-Staaten und ihre Verbündeten wie Saudi-Arabien und Israel. Täglich werden Menschen Opfer ihrer Bombenangriffe. Wo bleibt hier da das Völkerrecht? Wir fordern: UNO statt NATO!

Auch die Politik des Westens gegen den Iran verstößt im krassesten Ausmaß gegen das Völkerrecht. Da sind nicht nur die offenen Drohungen mit Krieg. Mit welchem Recht kapern die Briten ein iranisches Schiff? Mit welchem Recht verbieten die USA allen Anrainern des Mittelmeeres, das Schiff vor Anker gehen zu lassen? Es ist das Recht, das sie selbst schreiben mit Waffengewalt. Allein der Militärhaushalt der USA, ohne die übrigen NATO-Staaten, ist zehn mal so groß wie der Russlands

Schluss mit den Provokationen gegen den Iran! Stoppt die NATO- Aggressionen! Keine deutsche Beteiligung am Krieg gegen den Iran!

Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Menschen Parallelen zur Zeit vor dem 1. WK sehen. Es geht um eine Neuaufteilung der Welt. In dem verzweifelten Bemühen, die verschwenderische Lebensweise des Westens gegen den Rest der Welt zu verteidigen, wird ein neuer Weltkrieg vorstellbar und kalkuliert. Die „einzige Weltmacht USA“ ist nicht mehr unangefochten. Mit Zähnen und Klauen, mit Drohungen, mit Vertragskündigungen völkerrechtlicher Verträge, mit Sanktionen und schließlich mit Krieg versuchen die Vereinigten Staaten überall ihren Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen. Die Mehrheit der NATO-Staaten unterstützt diesen Wahnsinn..Bleibt auch

die deutsche Regierung auf diesem Kurs? Oder verschafft sich endlich die Mehrheit der Bevölkerung Gehör und Einfluss, die Mehrheit, die gegen Kriegseinsätze, gegen Aufrüstung und gegen Atomwaffen ist? Wir brauchen einen radikalen, vollständigen Wechsel der Politik! Nicht nur für Deutschland, für die ganze Erde brauchen wir eine Politik des Friedens und der Klimaerhaltung. Beides gehört zusammen. Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten.

Aus der Geschichte lernen! Nein zum Krieg!

Vielen Dank.

 

Barbara Heller ist aktiv beim Bremer Friedensforum.