Redebeitrag für die Antikriegstagkundgebung am 31. August 2019 in Bremen

 

- Es gilt das gesprochen Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir gedenken der Opfer des Zweiten Weltkrieges, der am 1. September 1939 seinen unheilvollen Anfang nahm.

Wir gedenken der bis zu 80 Millionen Opfer des von Deutschland ausgehenden Weltkrieges. Mehrt als die Hälfte der Opfer waren Zivilisten, Kinder, Frauen und Männer, die durch Mord, Hunger und Terrorangriffe zu Tode gekommen sind.

Und wir mahnen:

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Denn wir als Gewerkschaften haben eine Lehre daraus gezogen, dass fehlender Widerstand gegen nationalistische Politik, gegen Rassismus und Kriegsrhetorik in die Barbarei führt.

Es ist heute selbstverständlich, wenn Gewerkschaften Seit’ an Seit’ mit anderen Friedenskräften gegen die Kriegsursachen kämpfen:

Gegen Hunger, Elend und Ausbeutung, für weltweit gute Arbeits- und Lebensbedingungen.

Gegen Nationalismus und Ausgrenzung, für Gleichberechtigung und Menschenrechte.

Und dieser Kampf muss weiter geführt werden. In unserem Aufruf zum Antikriegstag stellen wir gemeinsam mit dem Bremer Friedensforum, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt und der Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg fest:

Wir leben heute in einer Welt, in der unser gewerkschaftlicher Einsatz für eine starke Friedensbewegung besonders gefordert ist.

Warum?

Der US-Präsident setzt mit bekannter Aggressivität sein Konzept „America first“ um. Die chinesische Führung wirft den USA vor, einen Wirtschaftskrieg gegen China zu führen. Willkürliche Sanktionen ersetzen den diplomatischen Dialog. Auch europäische Staaten unterstützen die Politik des maximalen Drucks gegen den Iran, angeblich um den internationalen Handelsverkehr zu schützen. Die Bundesregierung ziert sich noch. Aber unter europäischer Führung sei man bereit einzugreifen.
Selbst Oppositionsparteien machen bei diesem Wahnsinn mit.

Dabei müssen sie doch erkennen, dass sich die Lage zwischen den USA und Iran zuspitzt. Es besteht die Gefahr, dass es zu einer Eskalation bis hin zu einem Krieg mit unabsehbaren globalen Folgen führen kann. Da braucht es doch dringend Gespräche statt Kriegsdrohungen, um den Konflikt zu lösen.

Das Nuklearabkommen mit Iran muss Bestand haben. Darum fordert die Friedensbewegung die Bundesregierung und alle Abgeordneten des Bundestages auf:

  • Treten Sie aktiv für eine zivile Lösung ein und wenden Sie sich gegen jegliche Eskalation und Aggression im US-Iran-Konflikt.
  • Schließen Sie jede deutsche Unterstützung für einen Krieg gegen Iran und erst recht eine deutsche Beteiligung daran unmissverständlich und grundsätzlich aus. Auch von US-Stützpunkten in Deutschland, wie z.B. von der Airbase Ramstein oder dem EUCOM in Stuttgart, darf kein Krieg ausgehen.

Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik wird auch deutlich durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Die Bundeswehr ist derzeit mit rund 3100 Soldaten, die ständig ausgetauscht werden, im Einsatz. Seit 18 Jahren in Afghanistan, seit 20 Jahren im Kosovo, seit 8 Jahren im Südsudan, seit 11 Jahren im Sudan, seit 13 Jahren im Libanon, seit 6 Jahren in Mali, seit 6 Jahren in der Westsahara, seit 3 Jahren im Mittelmeer, seit 11 Jahren am Horn von Afrika, seit 4 Jahren in Nahost. Jahr um Jahr verlängert von der Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag.

Russland wird erneut als Bedrohung stilisiert. Die NATO provoziert durch Großmanöver und Truppenstationierungen an Russlands Staatsgrenze. Nicht weit von hier in der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Garlstedt baut die Bundeswehr seit Oktober 2017 ein nationales Kompetenzzentrum für multinationale logistische Führung auf. Kernaufgabe: Aufstellung, Ausbildung und Weiterentwicklung von verlegbaren multinationalen Streitkräften mit hoher Reaktions-, Durchsetzungs- und Duchhaltefähigkeit, so die Selbstdarstellung. Ab 2024 soll ein verlegbarer Gefechtsstand mit zugehöriger IT-Ausstattung in Form eines Hauptquartiers zusammengeführt werden.

2016: In Garlstedt wird mit 2000 Nato-Soldaten die strategische Truppenverlegung geprobt. In der Übung hieß das Ziel der Intervention Coastland und lag 5000 Kilometer von Europa entfernt, so das Szenario.

2015: „Die fast ununterbrochene Serie von Manövern mit US-Soldaten in Europa soll unsere Verbündeten beruhigen und die Russen abschrecken“ , so der O-Ton des damaligen Oberbefehlshabers der US-Army in Europa, Frederick Hodges über die Ziele der US-Army in Europa.

Kriegs-Szenarien vor den Toren Bremens, 17Jahre nach dem Abzug der dortigen Panzer-Brigade „Hell on Wheels“.

Und nebenbei wurden dort auch kurdische Kämpfer für den Nord-Irak ausgebildet.

Weltweit wurden im Jahr 2018 28 Kriege registriert.

Es ist schwer, angesichts dieser dramatischen Situation den Mut zum Widerstand nicht zu verlieren. Doch es gelingt. Nicht zuletzt die Zahl von mehr als 200 Veranstaltungen anlässlich des Antikriegstages 2019 macht deutlich: Die Friedensbewegung lässt sich nicht entmutigen.

Wir werden nicht schweigen angesichts von militärischen Drohungen, Kriegsgeheul und obszönen Profiten beim Geschäft mit dem Tod.

Darum sind wir hier. Und wir werden nicht eher gehen, bis wir in einer friedlichen und gerechten Welt leben können!

Wir wissen, unsere Gegner sind mächtig und scheinbar nicht zu überzeugen. Wir müssen realisieren, dass ein neues atomares Wettrüsten droht. Wir werden nicht nur Zeuge, wie ein neuer Aufrüstungswahn um sich greift, sondern sehen uns mit einer neuen nuklearen Bedrohung konfrontiert. In einer Zeit, in der alle Atommächte dabei sind, ihre Nuklearwaffen zu modernisieren, steigen die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus und kündigen das Abkommen über nukleare Mittelstreckensysteme mit Russland. Auch die Bundesregierung ist in der Verantwortung, diesem Irrsinn Einhalt zu gebieten. Sie muss endlich den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnen, so wie es bereits 130 Staaten getan haben.

Was ist weiter zu tun?

Wir wollen verhindern, dass die wahnsinnige Aufrüstung – das so genannte 2-Prozent-Ziel, beschlossen von offenbar nicht weniger wahnsinnigen Militärs und nachvollzogen auch von deutschen Politikern, verhindert wird.

Welche Ausmaße das neuerliche Wettrüsten erreicht hat, zeigt sich doch heute schon. Seit dem Ende der Blockkonfrontation waren die Rüstungsausgaben noch nie so hoch wie heute: Weltweit belaufen sie sich auf mehr als 1,6 Billionen Euro. Und auch die deutsche Bundesregierung kennt kein Halten. Die Militärausgaben steigen von 33 Milliarden Euro vor vier Jahren auf mehr als 43 Milliarden Euro. Wenn die NATO-Vorgabe umgesetzt wird, die Rüstungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des BIP zu steigern, dann läge der Rüstungsetat in fünf Jahren bei 85 Milliarden Euro.

Schluss damit! Widerspruch muss her, Widerstand muss her. Die Gewerkschaften sind dabei.

Schon heute nimmt Deutschland den achten Platz bei den Rüstungsausgaben ein. Und das, obwohl das Geld für öffentliche Investitionen an allen Ecken und Enden fehlt. Bei der Sanierung von Schulen, beim Bau von Kitas und der guten Bezahlung des Personals, für die Gestaltung eines sozialökologischen Umbaus der Wirtschaft. Wer, wenn nicht die Menschen in Bremen, wissen ein Lied davon zu singen.

Wir fordern: Schluss mit dem Wettrüsten. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Milliarden zu investieren für ein gutes Leben in einem sozial gerechten Land. Bildung statt Bomben!

Der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt die Friedensinitiative „Abrüsten statt aufrüsten“. 150.000 Menschen haben den Aufruf bislang unterstützt. Das sind viele. Aber es sind offenbar nicht genug, um die Politik ausreichend unter Druck setzen zu können. Der DGB hat rund 6 Millionen Mitglieder. Lasst uns gemeinsam versuchen, erstmal nur jeden 10. davon zu überzeugen, dass auch sein Leben mit weniger Rüstung sicherer wird. Dass sich auch seine Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern, wenn wir mehr Geld in den Zusammenhalt der Gesellschaft investieren.

Lasst uns die Kolleginnen und Kollegen in den Bremer Rüstungsbetrieben davon überzeugen, dass mit Milliarden-Investitionen für ein umfassendes Rüstungskonversions-Programm anspruchsvolle Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Wir brauchen ihr Wissen und ihre Kreativität in der Forschung und in der Produktion ziviler Güter, um der drohenden Klimakatastrophe etwas entgegen setzen zu können. Die IG Metall hat bereits auf ihrem Kongress 2015 gefordert, eines Fonds für Diversifikation und Konversion einzurichten.

Da ist es gut zu wissen, dass die Zivilklausel, das heißt das Verbot von Rüstungsforschung an Bremer Hochschulen weiterhin Bestand hat. So heißt es in einem Beschluss der Hochschule Bremen: „Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Hochschule auf, derartige Forschungsthemen und -mittel abzulehnen.“ Es ist bedauerlicher, dass die demokratische Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen es nicht verhindern konnte, dass die Zivilklausel aus dem dortigen Hochschulgesetz gestrichen worden ist.

Es ist gut zu wissen, dass die Delegierten meiner Gewerkschaft ver.di auf ihrem Kongress 2015 beschlossen hat, den DGB davon zu überzeugen, sich nicht in die Öffentlichkeitsoffensive der Bundeswehr und des Bundesverteidigungsministeriums einspannen zu lassen. Und der Kongress beschließt die Forderungen:

Schluss mit dem Krieg in Afghanistan, sofortiger Rückzug der deutschen Truppen.

Beendigung der weltweiten Kriegseinsätze der Bundeswehr.

Und den Stopp des Umbaus der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee.

Ich unterstütze den DGB-Vorsitzenden Rainer Hoffmann, wenn er sagt: „Insofern kann die Konversion unserer Wirtschaft auch einen Beitrag für eine zukunftsfähige Klimapolitik im Zeichen des Pazifismus leisten.“ IPB-(International Peace Bureau) Kongress 2016.

Rüstung und Krieg sind die größten Vernichter von Ressourcen. Rüstung und Krieg zerstören die Zukunft von Millionen Menschen. Frieden und Abrüstung ist das Gebot der Stunde. Das ist unsere Lehre aus der Geschichte am 80. Jahrestag des Beginns des größten Weltbrandes der Geschichte.

 

Herbert Behrens ist akiv bei der Gewerkschaft verdi in Bremen.