Am Anfang bedenke das Ende

von Margret Feit

Kontrovers:
Es sind sich alle einig, daß etwas "gegen rechts" getan werden muß. Nur was? Der Streit um die richtige Strategie im Umgang mit den Rechtsradikalen oder Neofa­schisten wird mit teilweise großer Heftigkeit und Emotionalität geführt. Verbie­ten, auf der Straße (mit allen Mitteln etwa noch) bekämpfen oder demokrati­scher Umgang mit ihnen? Wir haben zwei AutorInnen gewonnen, die sehr pro­nonciert Stellung zu dieser Frage beziehen. D. Red.

"Antifaschismus als Konfrontation oder als Dialog?" - Was heißt das? "Konfrontation" oder nicht - das ist keine Frage der Konversation. Antifa­schismus der Linken kann nur heißen: größtmögliche Konfrontation zu der Ideologie und den politische Zielen der (Neo-)Faschisten. Antifaschismus als Konfrontation fragt nach den In­teressen des und den Interessenten am Faschismus. Durch die soziale Stoßrichtung der neofaschistischen Ideologie beginnt die Konfrontation schon mit der Verteidigung der Er­rungenschaften der französischen Re­volution. Wer dem ausweicht, entzieht sich selbst den Boden der politischen Handlungsfähigkeit.

In einer Situation, in der auf allen ge­sellschaftlich-politischen Feldern um bürgerliche Freiheits- und Gleichheits­rechte (d.h. um demokratische und soziale Grundrechte) gepokert wird und in der sich die Asse in den Händen der Rechten sammeln, soll nun die Linke einen "dialogischen Antifa­schismus" entwickeln. Sie soll diejeni­gen zum Spiel zulassen, die die Spiel­regeln unumwunden ablehnen und darüberhinaus offen zugeben, daß des erste Spiel, das sie gewinnen werden, zugleich das letzte sein wird.

"Dialog" - das klingt nach Integrations­fähigkeit des Neofaschismus in die bürgerliche Demokratie. Relevant ge­worden ist diese Überlegung durch die jüngsten Wahlergebnisse der neofa­schistischen Parteien. So glauben Teile der Grünen und der SPD, in dem "dialogischen Antifaschismus" eine Strategie gefunden zu haben, mit dem die "fehlgeleiteten Wählerscharen" wieder zurückgewonnen werden kön­nen. Als ließe sich der Neofaschismus reduzieren auf die Summe der "Ver­führten"! Von hier aus gesehen ist es dann schon wieder logisch, daß die REP-, NPD-, DVU- usw. Sympathi­santen, Wähler, Mitglieder nicht poli­tisch "ausgegrenzt" werden dürfen, weil genau dies sie in ihrer "Außenseiter­rolle" bestätigen würde. Neofaschis­mus wird so auf ein Kommunikations­problem zwischen der Gesellschaft und den Individuen "rechter" politischer "Randgruppen" zurechtgestutzt. Diese "Kommunikationsstörung", so wird haarscharf analysiert, sei das eigentlich "unnormale" - und nicht etwa die legale Existenz des organisierten Neofa­schismus.

Leben und Lieben?
Einige (willkürlich herausgegriffene) praktische Beispiele dieser "antifa-Strategie" lassen deutlich werden, wo­hin die Reise des "dialogischen Antifa­schismus" geht.

So soll der neofaschistischen Gefahr zum Beispiel durch LIEBE begegnet werden. Nein - nicht bei den Katholi­ken! "Leben und Lieben, dem Haß keine Chance" war im Januar dieses Jahres das Motto der bundesweiten Aktionskonferenz antifaschistischer Initiativen in Bremen.

Diesem "Liebe Deine Feinde" setzt Bernd Ulrich, Mitarbeiter beim Vor­stand der Bundestagsfraktion der Grünen, in der Taz vom 14. 9. 89 noch eins drauf: "Freiheit für die Feinde der Freiheit" heißt seine politische Wei­terentwicklung des obigen - eher reli­giösen - Ansatzes, mit dem er "die Reps zum Reden zwingen" will. Bei der Gelegenheit kann sich dann auch so mancher Irrtum aufklären, Zum Beispiel der, daß die Reps Neofaschi­sten seien. Oder daß mit ihnen das "Alt-Deutsche" (?) wieder fröhliche Urständ' feiert. Keine Red' davon! - sagt der Neu-Deutsche Ulrich und bricht mit neuem Wissen ins post-neu-deutsche Zeitalter auf, denn "es ist nicht alles dumm, was die Reps sagen". (Wer hat den von "dumm" statt von "falsch" gesprochen?!)

Dagegen sind seine Kollegen Udo Knapp und Winfried Kretschmann auf den ersten Blick geradezu harmlos, denn sie wollen "Die Republikaner rechts liegen lassen" (Kommune (8/89). Das stimmt aber nur in der Überschrift. Im Text haben die Reps den Grünen "den Protest geklaut". Dafür revanchieren sich die Autoren, indem sie den "neuen Rechten" ihrer­seits etwas klauen: die Schimpfe auf die linken ("fundamentalistisch {sic!} verkommenen") Weltverbesserer, die Totalitarismustheorie in ihrer plattesten Form ("Die Republikaner in der Berliner Hasenheide bei ihrem letzten Parteitag auf den Tischen und die Autonomen auf der Straße davor, im Kampf gegen das faschistische Schweinesystem einig im Haß auf de­mokratische Zustände?"). Sie "klauen" die Idee des "Ringens" und die "eigene europäische Kultur" und wollen die "universellen Standards der Men­schenrechte" nicht jedem hergelaufe­nen "schiitischen Fundamentalisten" (sic!) angedeihen lassen. Sie überneh­men die Propaganda von dem angeb­lich natürlichen Bedürfnis nach "Ab­grenzung und Abwehr gegen Unbe­kanntes" und beschimpfen diejenigen, die das Rassismus nennen. Und sie ko­sten von der reaktionären Zivilisati­onskritik der "Rechtsintellektuellen": "Die uns bedrohenden Krisen sind vor allen politische Krisen der Struktur des Geistes und 'der Armut der Herzen'". Der Struktur der Knappschen und Kretschmannschen Herzen und der Armut ihres Geistes entspringt hier wohl der Gedanke: 'klaust du bei mir, klau ich bei Dir' - auch eine Form der Kommunikation.

In einem antifaschistisch gedachten Faltblatt der NRW-SPD geben sich die Sozialdemokraten ihrerseits Mühe, den Anschluß an den "dialogischen Antifaschismus" nicht zu verpassen. Sie versuchen offensichtlich, mit (potenti­ellen) Rep-Anhängern gegen die Rep-Partei zu diskutieren: "In der Aus­siedlerfrage spielen die Reps das falsche Spiel. Sie nehmen in Kauf, daß Aussiedler, Asylanten und Ausländer in einen Topf geworfen werden..." Das Motto dieser Dialog-Variante: man hole die Leute dort ab, wo sie (poli­tisch) stehen. Aber wo führt die SPD sie hin?

Hätten die Autoren den Titel des Falt­blattes - "Am Anfang bedenke das Ende" beachtet, hätten diese und an­dere (mehr als nur peinliche) Blüten, die der "dialogische Antifaschismus" getrieben hat, (vielleicht) verhindert werden können.

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Margret Feit ist Politologin und arbeitet in der VVN und der Bonner Initiative "Gemeinsam gegen Neofaschismus" mit.