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Offener Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages
Betrifft: Katastrophenschutz-Ergänzungsgesetz
Statt zivilem Katastrophenschutz plant die Regierung erneut illusionäre Zivilschutzmaßnahmen für den Kriegsfall und setzt Tiefflüge fort
Unter dem Tarnnamen "Katastrophenschutz-Ergänzungsgesetz" wird im Oktober im Bundestag ein Gesetz zur sogenannten Zivil-Verteidigung beraten, das dem "Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren und Schäden, die im Verteidigungsfall drohen", dienen soll (§1).
Längst hat sich herumgesprochen, daß jede "Verteidigung" unseres Landes mit modernen Massenvernichtungsmitteln Selbstmord bedeuten wird. Unsere Heimat würde in eine unbewohnbare Wüste verwandelt. Der ehemalige Verteidigungsminister Wörner hat erklärt: "Jeder Krieg würde unser Land vernichten..."! Demnach ist der Schutz der Zivilbevölkerung im "Ernstfall" unmöglich. Im Frieden ist die "Zivilschutz-Planung" nicht mehr als gefährliche Illusions-Macherei. Sie ist darüber hinaus eine enorme Geldverschwendung! Millionen sollen in den Bau verbunkerter Hilfskrankenhäuser gesteckt werden, die für den Kriegsfall aufgerüstet werden. Und das, während gegenwärtig in Krankenhäusern ganze Stationen geschlossen werden, weil Personal und Geld fehlt.
Mit diesem Gesetz werden die notwendigen Hilfsleistungen ziviler Einrichtungen und Verbände wie das Gesundheitwesen, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk, die Johanniter Unfall-Hilfe, der Arbeiter-Samariter-Bund und andere in militärische Planungen und Übungen einbezogen. Das widerspricht ihrem Auftrag und schadet ihrem Ansehen in der Bevölkerung.
Für viele Kriegsdienstverweigerer, die in diesen Einrichtungen ihren Zivildienst ableisten, wird das vorliegende Gesetz neue Gewissenskonflikte hervorrufen. Die militärische Verplanung widerspricht ihren Absichten und ist verfassungswidrig. Denn nach Artikel 12 Grundgesetz darf der Zivildienst in keinem Zusammenhang mit den Streitkräften stehen.
Es ist vernünftig, wenn die Risiken einer modernen Industriegesellschaft - nicht bloß im fernen Bhopal oder in Tschernobyl - durch die finanzielle Förderung von Hilfsorganisationen im Rettungswesen gemildert werden. Es widerspricht der Vernunft, wenn jetzt Bundesmittel an die bisher stiefmütterlich behandelten Verbände nur unter der Bedingung fließen sollen, wenn sie sich in die "Zivilverteidigung" eingliedern.
Wir wollen, daß ausreichende Mittel für den Schutz vor zivilen Katastrophen bereitgestellt werden. Vor militärischen Katastrophen schützt nur die Beseitigung der Ursachen, das erfordert rasche, weitreichende Abrüstung. Dafür waren die Chancen noch nie so groß!
Ein Gesetz, das den vermeintlichen Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegsfall - unter welchem Decknamen es auch immer erörtert wird - regeln soll, ist eine illusionäre Verharmlosung des modernen Krieges. Die Ankündigung Stoltenbergs, daß Tiefflüge auch im Fall künftiger einschneidender Rüstungskontrollabkommen unabdingbar bleiben, zeigt, wie wenig er willens ist, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Denn mit seinem Tiefflugkonzept sind weitere selbstverursachte militärische Katastrophen vorprogrammiert. Der Bundestag muß die Bevölkerung vor diesem militärischen Irrsinn der Hardthöhe und der Alliierten schützen!
Wir fordern Sie deshalb dringend auf, den vorliegenden Gesetz-Entwurf abzulehnen!
Bonn, den 3. Oktober 1989:
Gerd Greune und Gregor Witt (Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner)
Mitunterzeichner:
Eva Michels und Dietrich Gaede (Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste), Gerd Pflaumer (Gustav Heinemann Initiative), Ingo Ahrend (Bundesvorstand der JungsozialistInnen in der SPD), Martin Böttger (Jungdemokraten), Martin Singe (Pax Christi), SJD Die Falken, Kurt Faller (VVN-Bund der Antifaschisten), Reinhard Hahn (Gewerkschaftssekretär / IG Metall-Jugend), Günter Karen-Jungen (Düsseldorfer gegen Atomraketen), Pastor Konrad Lübbert (Versöhnungsbund), Achim Maske (Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit), Armin Rieser (Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands), Christine Schweitzer (Föderation gewaltfreier Aktionsgruppen), Peter C. Walther (Koordination Betriebliche Friedensinitiativen).