Das UNESCO-Projekt "Kultur des Friedens"

von Deutsche UNESCO-Kommission
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Die UNESCO versteht die Kultur des Friedens als alltägliche Denkweise, Verhaltensweise und Lebensweise des einzelnen und der Gesellschaft. Sie beruht auf der Achtung der Menschenrechte, auf Partizipation, Dialog und Zusammenarbeit. Die Kultur des Friedens schließt Gewalt grundsätzlich als Mittel der Konfliktlösung aus. Die UNESCO-Verfassung enthält ein Sicherheitskonzept, das auf Vertrauensbildung durch Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation setzt - mit anderen Worten: nichtmilitärische Friedenspolitik.

Ziel des Projekts
Das Projekt ist in drei Bereiche gegliedert:
 

  1. Weiterentwicklung der konzeptionellen Grundlagen einer Kultur des Friedens und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit;
  2. Erziehung zu Frieden, Menschenrechten, Demokratie, internationaler Verständigung und Toleranz in Bildung und Unterricht;
  3. "Culture of peace in action" - konkrete Länderprojekte zur Vorbeugung und Nachsorge gewaltsamer Konflikte sowie zur Nothilfe und Interkultureller Dialog.
     

Für das Projekt "Kultur des Friedens" stehen 1998 - 1999 rund 30 Millionen US-Dollar zur Verfügung.

Definition einer "Kultur des Friedens"
"Der Kult des Krieges bedeutet: Konflikte werden mit physischer oder symbolischer Gewalt gelöst. Eine Kultur des Friedens hingegen zielt auf Konfliktlösung durch Dialog und Vermittlung. Sie basiert auf der Anerkennung der gleichen Rechte des anderen vor dem Gesetz und der Achtung seiner Würde. Dies gilt für alle Konflikte, nationale wie internationale, zwischen Regierungen und ihrer Bevölkerung sowie zwischen Frauen und Männern. Eine Kultur des Friedens lässt sich folglich als Gesamtheit aller Werte, Verhaltens- und Lebensweisen definieren, die auf der Achtung vor dem Leben, der menschlichen Würde und den Menschenrechten, auf der Ablehnung von Gewalt - einschließlich jeder Form von Terrorismus - sowie auf der Achtung der Prinzipien der Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Toleranz und Verständigung zwischen Völkern, Bevölkerungsgruppen und Individuen beruhen.
 

Eine Kultur des Friedens ist nicht gleichzusetzen mit abstraktem Pazifismus oder passiver Toleranz. Es geht nicht nur um die Beendigung der Gewalt, sondern auch um die Überwindung von Ungerechtigkeiten oder Unterdrückung. (...) Voraussetzung für eine Kultur des Friedens ist ein Umfeld, das mit der menschlichen Würde vereinbar ist und folglich den Ausgegrenzten soziale Integration ermöglicht. Dazu gehören die Beseitigung der Armut und ihrer Begleiterscheinungen, eine gerechte Verteilung des Wohlstands und ausgewogenere Verbreitung von Wissen sowie Bildung für alle." (Mittelfristige Strategie der UNESCO 1996 - 2001, §§ 60 - 61)

Das Konzept einer Kultur des Friedens
Der Weiterentwicklung der konzeptionellen Grundlagen einer Kultur des Friedens widmete sich das Zweite Internationale Forum über die Kultur des Friedens in Manila (November 1995). Mit dem Seminar "Von partieller zu globaler Sicherheit" in Paris und nachfolgenden regionalen Foren zum Thema "Das Militär und die Kultur des Friedens" (1996) wurde über neue, weit über die militärische Komponente hinausreichende Sicherheitskonzepte nachgedacht.

In den vergangenen Jahren hat die Internationale Gemeinschaft mehrere Grundsatzdokumente verabschiedet, die den Zielen einer Kultur des Friedens entsprechen. Dazu gehören der Weltaktionsplan über Erziehung zu Menschenrechten und Demokratie, die Erklärung und das Aktionsprogramm der Weltmenschenrechtskonferenz (Wien 1993), der Integrierte Aktionsplan über Erziehung zu Frieden, Menschenrechten und Demokratie (1995) und schließlich der Aktionsplan der UNO-Dekade für Menschenrechtserziehung (1995 - 2005).

Zur Rolle der Frauen bei der Schaffung einer Kultur des Friedens hat die Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 Akzente gesetzt. Die UNESCO setzt sich für die uneingeschränkte Partizipation von Frauen in allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens ein.

"Culture of peace in action"
"Culture of peace in action" ist das Motto von Projekten, die auf aktiven Friedensdialog, Konfliktbearbeitung und Konfliktnachsorge zielen. In den vergangenen Jahren hat die UNESCO zum Beispiel in El Salvador und Mozambique Konfliktnachsorge-Projekte gestartet. Weitere für Burundi, Guatemala, Haiti und Ruanda sind in Vorbereitung. Mit diesen Projekten unterstützt die UNESCO nationale Bemühungen um den Wiederaufbau. Die Projektarbeit bezieht Vertreter aller Konfliktparteien in die Planung und Umsetzung ein. Methoden der Konfliktbewältigung werden vermittelt. Menschenrechtsarbeit und Friedenserziehung sind Bestandteil dieser Projekte.
Auch Bildungshilfe (Reparatur zerstörter Schulen, Bereitstellung von Unterrichtsmaterial, Lehrerfortbildung) und der Aufbau unabhängiger Medien (technische Hilfe und Journalisten-Ausbildung) sind in diesen Projektbereich eingeschlossen. Damit leistet die UNESCO aktive Unterstützung für die Entwicklung einer Kultur des Friedens in Krisenregionen.

"Kultur des Friedens" ist auch ein Leitmotiv für Lehrer-Schüler-Treffen in Konfliktregionen. Solche Treffen hat die Deutsche UNESCO Kommission (DUK) unter anderem in Bosnien-Herzegowina und zuletzt im August 1997 in Israel/Palästina durchgeführt. Die Seminare mit Schülern und Lehrern von UNESCO-Projekt-Schulen stellen weniger die theoretische Diskussion über Toleranz und Frieden als vielmehr Vertrauensbildung und praktischen Erfahrungsaustausch in den Mittelpunkt.

Der Bereich "Culture of peace in action" umfasst außerdem eine Reihe von Projekten zur Förderung des Interkulturellen Dialogs.

Interkultureller Dialog
Die UNESCO ermöglicht eine internationale Diskussion über die Rechte von Minderheiten. Derartige Rechte sind Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller Identität.

Zur Bewusstseinsbildung über pluralistische und verbindende Traditionen trägt die UNESCO unter anderem durch das Projekt "Seidenstraßen - Straßen des Dialogs" bei. Weitere Projekt-Beispiele, die interkulturelle Verbindungswege thematisieren, sind die "Wege der Sklaven", die "Al-Andalus-Route" und "Wege des Glaubens".

Ein aktueller Beitrag der DUK zum Themenbereich "interkultureller Dialog" ist das Reiseführerprojekt. Im Auftrag der Deutschen und der Polnischen UNESCO-Kommission untersuchen Wissenschaftler der Universitäten Bochum und Wroclaw (Breslau) deutsch-polnische Reiseführer. Reiseführer gehören zu der am meisten gelesenen Literatur in Deutschland. Das innovative Projekt zeigt, wie Reiseführer einerseits Klischees und Stereotypen verbreiten, andererseits aber auch die Chance bieten, ein breites Lesepublikum zu sensibilisieren. Sie können viel zu friedlichen Begegnungen mit unterschiedlichen Kulturen beitragen. Das Projekt zielt auf einen Leitfaden für Reiseliteratur.

Aus: UNESCO heute Nr. 1/1998

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