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Buchbesprechung: Ulrike Eifler zu Gewerkschaften in der Friedensbewegung
Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg
vonWer über ein Jahrhundert zurückblickt, wird damit konfrontiert, dass am 1. Mai 1916 Karl Liebknecht anlässlich einer Friedenskundgebung verhaftet, später vor Gericht gestellt wurde, und dass zu dem ersten Gerichtstermin Arbeiterinnen und Arbeiter der Berliner Rüstungsbetriebe für einen Tag die Arbeit niederlegten. Damit forderten sie eine Friedenspolitik (Brot und Frieden) und ermutigten zu einem politischen Massenstreik. Gegenwärtig verbreitet die Initiative „Gewerkschaften gegen Aufrüstung“ den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit“. Die Rosa Luxemburg Stiftung und die IG Metall Hanau-Fulda organisierten eine Konferenz zur Klärung der Beziehungen zwischen Gewerkschaften und der Friedensbewegung. Die Diskussionsbeiträge werden in dem vorliegenden Buch veröffentlicht.
Heinz Bierbaum, Leiter der Rosa Luxemburg Stiftung und Mitglied der IG Metall, betont in seinem Vorwort, die Friedensfrage sei für Gewerkschaften von existentieller Bedeutung. Eine Politik im Interesse der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen und einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung sei nur im Frieden möglich. Die Frage von Krieg und Frieden sei eine Klassenfrage (S. 11). Bierbaum bekräftigt einen zentralen Gedanken Anne Riegers (bis 2009 Bevollmächtigte der IG Metall Waiblingen), die Friedensfrage sei gerade zu eine Überlebensfrage für die Gewerkschaften. Die Sorge vor dem Atomkrieg gehöre zu ihren und den Aufgaben der Friedensbewegung. Diesen Beitrag leitet ein warnendes Gedicht Bertolt Brechts ein, der Menschheit drohten Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche seien (S. 113-122). Aufrüstung sei nicht zuletzt auch eine Umwelt- und Klimagefahr. Beschäftigten in der Rüstungsindustrie dürften ihre Arbeitsplätze nicht verlieren. Der Umwidmungsprozess von kriegsbegünstigenden in zivile Arbeitsplätze werde Konversion genannt.
Nicht nur Anne Rieger versteht den Frieden als eine soziale Frage, als eine des Überlebens. In seinem Vorwort bezieht sich Bierbaum auf Jeremy Corbyns Aufforderung (S. 165-176), dass der Kampf für den Frieden mit einer „linken Alternative in der Wirtschafts- und Sozialpolitik verbunden werden“ müsse. Mit Corbyn, der vor Jahrzehnten Gewerkschaftssekretär in der National Union of Public Employees war, wird der internationale Horizont der Gewerkschaftsarbeit geöffnet, was auch Valentine Orazzini als hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin bei der italienischen Federazione Impiegati Operai Metallurgici tut (S. 159-163). Andreas Müller zeigt in dem Gespräch mit der Herausgeberin die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die gesellschaftliche Tarifpolitik (S. 132-142). Natürlich deutet sich nicht nur hier die Diskussion über den politischen Streik an. In ihrer trefflichen Einführung hebt Ulrike Eifler hervor, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen sei von den Gewerkschaften immer weiter gefasst worden als die Verhandlung über Löhne und Arbeitsbedingungen. Ihre Arbeit schließe den Kampf für die Stärkung der Demokratie, die Durchsetzung der Frauenrechte, den Kampf gegen Diskriminierungen und das Streiten für ein Leben in Frieden stets mit ein (S. 13).
Die Hanauer friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz vom 23. und 24. Juni 2023, entstanden aus der Kooperation der IG Metall Hanau-Fulda mit der Rosa Luxemburg Stiftung und nach einem Impuls der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gesellschaft, nahm einen Warnstreik der IG Metall Hanau-Fulda auf, der während der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst 2022 gemeinsam mit der Hanauer Friedensinitiative unter dem Motto „Löhne rauf! Waffen runter!“ stattfand und nicht der einzige blieb.
Der große Anspruch dieses Buchs (die anderen Beiträge können aus Platzgründen nicht skizziert werden) wird in den Worten der Herausgeberin (Bundesprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaften und hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall Würzburg) deutlich. Die extreme Rechte versuche, die Arbeiterklasse gegen den Krieg zu mobilisieren, ohne dabei die sozialen Verwerfungen abzuschaffen. Sie tue dies durch Angriffe auf Geflüchtete und andere Minoritäten. Morgen würden sie nach der Unterdrückung der Arbeiterklasse trachten (S. 20). Ich glaube allerdings nicht, dass die extreme Rechte sich gegen den Krieg wendet. Anders als der IG Metall Gewerkschaftstag (so Jürgen Peters – bis 2007 Erster Vorsitzender der IG Metall – S. 109) lehnt die extreme Rechte den Krieg als Mittel der Politik nicht ab; sie führt ihn im Schilde.
Dieses unbedingt zu lesende Buch zeigt die Aufgaben der Gewerkschaften in der Friedensbewegung. Um Kriege zu verhindern und zu beenden, bedarf es der gesellschaftlichen Gegenmächte, der Stärkung internationaler Solidarität.
- Ulrike Eifler (Hrsg.) (2024): Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg. Zur Rolle der Gewerkschaften in der Friedensbewegung, Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 183 S., ISBN 978-3-89691-095-0, 20 €
Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler ist Rechtsanwalt und Diplom-Pädagoge.