Keine neuen Atomwaffen nach Niederkrüchten

Dennoch Atomkolonie bis ins nächste Jahrhundert

von Ulf Terlinden

Am 05.07.1993 veröffentlichte der britische Verteidigungsminister seine Erklärung zum Verteidigungshaushaltsplan (genannt "Weißbuch") für 1993.

 

Darin ist ein deutlicher Hinweis darauf enthalten, daß die Royal Air Force keine neuen nuklearen Abstandswaffen erhält. Diese taktischen Luft-Boden-Raketen (TASM) sollten ursprünglich zur Jahr­tausendwende die veralteten atomaren Freifallbomben vom Typ WE-177 erset­zen, die u.a. bei der Royal Air Force Brüggen in Niederkrüchten für den Ein­satz auf Kampfflugzeugen des Typs "Tornado'' bereitgehalten werden.

 

In Absatz 130 der Erklärung heißt es:

"Es wird derzeit erwartet, daß die WE- 177-Freifallbombe bis weit in das näch­ste Jahrhundert in Dienst bleibt. Wir haben überdacht, wie ein langfristiges sub­strategisches Potential (d.h, taktische Atomwaffen kurzer bis mittlerer Reich­weite) am besten bereitgestellt werden kann; wenn die WE-177 eventuell erst einmal außer Dienst gestellt ist. Diese Arbeit ist nun weit fortgeschritten, eine Bekanntmachung wird zu gegebener Zeit erfolgen."

Im Weißbuch des Jahres 1991 war an dieser Stelle noch auf die Prüfung der Optionen für die luftgestützten Ab­standswaffen (TASM) hingewiesen worden: Daß dies nun das endgültige Ende für das seit langem umstrittene Nachfolgesystem der britischen Freifallbomben bedeutet, orakelte auch schon ein Artikel der britischen Fach­zeitschrift "Jane's Defence Weekly" vom 03.07.1993. Darin wird ein Spre­cher des britischen Verteidigungsmini­steriums zitiert. Er berichtet von ÜberIegungen, den "Trident“-Raketen (Interkontinentalraketen, die auf briti­schen Atom-U-Booten stationiert sind) eine "substrategische Rolle" zukommen zu lassen. "Jane's" spricht von einem geplanten Sparprogramm, in dessen Rahmen die Trident-Raketen die militärischen Aufgaben der luftgestützten Ab­standswaffen übernehmen sollen, damit dieses 3 Milliarden Pfund teure System gar nicht erst gebaut werden.

Zu der späten Entscheidung, die TASM nicht zu bauen, wird neben den finanziellen Problemen der Briten auch die Einsicht geführt haben, daß das neue Atomwaffensystem auch unter militäri­schen Gesichtspunkten nicht mehr in die politische Landschaft gepaßt hätte.

Für die Gemeinde Niederkrüchten, die Anlieger des letzten britischen Atom­waffenstützpunktes in der Bundesrepu­blik ist, sind Vor- und Nachteile mit den neuen Plänen der Briten verbunden. Langfristig wird sie sicherlich aus der nuklearen Geiselnahme befreit werden, doch gleichzeitig soll der Abzug der ca. 50 schrottreifen Freifallbomben nun noch länger hinausgezögert werden.

"Dadurch schwebt weiterhin das Da­moklesschwert einer Atomkatastrophe durch einen Unfall mit den völlig ver­alteten Atomwaffen über der Region Viersen-Mönchengladbach-Heinsberg

und besonders der Gemeinde- Nieder­krüchten. Der Gemeinderat sollte nun endlich in der gebotenen Schärfe auf die Fahrlässigkeit reagieren, mit der die britische Regierung Leib und Leben der Bevölkerung aufs Spiel setzt. Da seine Resolutionen offensichtlich überhört wurden, sind jetzt drastischere Maß­nahmen durch den Rat der Gemeinde notwendig", meint Ulf Terlinden, Spre­cher der Düsseldorfer Greenpeace­ Kontaktgruppe.

 

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Ulf Terlinden ist Mitarbeiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS) und studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin