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Der praktische Antifaschismus - praktisch wozu?
vonI. Es gibt eine sich als antifaschistisch definierende Haltung, die mir zutiefst suspekt ist: (Nur) wir haben die Erfahrungen des Faschismus verarbeitet, (nur) wir wollen, "daß sich das Grauen des Faschismus nicht wiederholt, (nur) wir nehmen das Anwachsen von neofaschistischen Strömungen erst. Wir sind deswegen legitimiert zu bestimmen, welche Gruppierungen faschistisch zu nennen sind und wir erkennen auch auf die Rechtsfolgen, die nur ein Verbot sein können". wird das Verbot nicht ausgesprochen, so erkennen wir daran, daß der Staat lediglich ein taktisches Verhältnis zu Faschisten hat. Werden Versammlungen einer Organisation, die u. E. verboten werden müßte bzw. verboten sind, geschützt, so wird damit die Berechtigung des Satzes: "Polizisten schützen Faschisten!" bewiesen. Diese, hier sicherlich überzeichnete Haltung ist in ihrem Kern undemokratisch.
Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden
Charakteristikum eines demokratisch verfaßten Staatswesens ist, daß das politische Spektrum nicht durch exekutive oder judikative Maßnahmen eingeschränkt wird. Bürger und Bürgerinnen sind frei, die politischen Auffassungen zu haben und zu vertreten, die sie haben und vertreten. Die Verkürzung des politischen Spektrums auf der linken Seite unter Rekurs auf die freiheitliche demokratische Grundordnung und unter Anwendung von Berufsverboten ist ebenso wie die Verkürzung des politischen Spektrums auf der rechten Seite unter Rekurs auf den "antifaschistischen Charakter" des Grundgesetzes eine Verkürzung von Demokratie. Eine Verletzung der Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung läßt sich ebenso wenig wie eine Verletzung des antifaschistischen Charakter des Grundgesetzes mit juristischen Erkenntnismitteln (relativ) zweifelsfrei feststellen.
Beide Tatbestände setzten die Anwendung politischer Maßstäbe voraus. Es sind Instrumente innerstaatlicher Feind-Erklärungen. Verbote und Verbotsforderungen gegenüber politischen Organisationen mißtrauen letztlich Bürgern und Bürgerinnen. In ihnen lebt eine vordemokratische Sichtweise, eine bestimmte Gesinnungsgemeinschaft wisse eben doch besser als das Gros der Bürger und Bürgerinnen, was politisch richtig und was politisch falsch ist. Ein Verbot bzw. ein Verbot zu fordern heißt, sich selbst als Richter des demokratischen Prozesses aufzuschwingen bzw. es zu versuchen.
Keine undemokratischen Mittel
II. Ich halte nichts von dem Satz, daß gegen Faschisten jedes Mittel recht ist und viel von dem Satz, daß auch der Teufel frei ist, solange er sich an die Gesetze hält. Gesetze in diesem Sinne sind solche, die Rechtsfolgen an äußeres Verhalten und nicht an die innere Gesinnung knüpfen. Deswegen halte ich nichts davon, Treffen der Republikaner zu blockieren, zu stören oder zu verhindern; ich empfinde solche Maßnahmen im Kern als undemokratisch.
Die Alternative zu einem um Demokratie verkürzten Antifaschismus liegt in der positiven Konturierung einer "linken", "grünen", "progressiven" Politik. Tragende Elemente des Neofaschismus - Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, autoritäre Vorstellungen - müssen programmatisch und vor allem praktisch denunziert werden. In dem Maße, in dem es uns gelingt, Gleichberechtigung und kulturelle Vielfalt als Bereicherung zu erleben, in dem Maße schwindet die Attraktivität neofaschistischer Ideen. Ich verkenne nicht, daß das große Worte sind, deren Umsetzung in die Praxis ungeheuerer Anstrengung bedarf. Das Anwachsen neofaschistischer Strömungen ist insofern auch ein Indikator für die mangelnde Attraktivität "linker" Politiken; ist ein Indikator für das Fehlen einer politischen Kultur und einer gesellschaftlichen Atmosphäre, in der Argumente überzeugen können.
III. Ich weiß: Meine Haltung ist libertär (und damit nicht links), mein Begriff von Demokratie formal (ich ignoriere damit, daß es in der kapitalistischen Gesellschaft Machtgefälle gibt), akademisch (weil ich auf die Kraft der Vernunft setze). Alles zugegeben. Aber alle Alternativen laufen auf die Verkürzung von Demokratie hinaus.