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Der Verteidigungshaushalt 1990 - Aufrüsten in Abrüstungszeiten
vonDer Widerspruch zwischen Reden und Handeln der Bundesregierung wird wohl nirgendwo deutlicher als im Entwurf zum Verteidigunghaushalt 1990. Einmal mehr folgen den Worten der Abrüstung nur Taten der Aufrüstung.
Trotz der offensichtlichen Erwartung der Bundesregierung auf ein Verhandlungsergebnis noch Mitte des kommenden Jahres (siehe SZ vom 5.9.1989, auch FR vom 7.9.1989) hat die Bundeswehrplanung keine Alternativen für die reale Möglichkeit von Ergebnissen bei den Verhandlungen über konventionellen Streitkräfte und Waffen in Europa. Während man in Wien über Abrüstung redet, sind in den Bonner und Brüsseler Amtsstuben längst Pläne für eine neue Aufrüstung ausgeheckt.
Rüstungsprojekte werden angeleiert, die den Abrüstungsbeteuerungen der Bundesregierung Hohn sprechen. Der "Jäger 90" ist nur die Spitze des Eisberges, sozusagen das Symbol ungebremster Aufrüstung. Dabei scheinen die Zeiten für Aufrüster eigentlich schlecht. Die Bedrohung nimmt ab, die finanziellen Rahmen werden immer enger und die Bevölkerung steht dem Militärischen zunehmend kritischer gegenüber. Dennoch, abseits dieser Entwicklung, wird ein neuer Haushaltsentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt, der in allen Parametern auf Aufrüstung setzt.
Immer mehr
Der Entwurf des Gesamthaushalts 1990 sieht eine Steigerung um 3,4 Prozent auf etwa 301 Milliarden Mark vor. Die Neuverschuldung wird mit 33,7 Miliarden Mark ausgewiesen. Der Einzelplan 14 steigt gegenüber dem Vorjahressoll um 3,3 Prozent auf insgesamt 54,47 Milliarden Mark. Nach den NATO-Kriterien zahlt die Bundesrepublik Deutschland allerdings 65,27 Milliarden Mark für die Verteidigung. Der Einzelplan 35 "Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte" wird in diesem Jahr 1.86 Milliarden Mark umfassen, während für die Zivilverteidigung (Einzelplan 36) ca. 948 Millionen aufgebracht werden müssen. Darüberhinaus werden noch aus einer Reihe anderer Einzelpläne Ausgaben für die Verteidigung aufgebracht. So sind im Einzelplan 33 "Versorgung" Aufwendungen für die Versorgung der Soldaten (Ruhegehälter, Übergangsgebührnisse und -hilfen) in einer Höhe von 3,18 Milliarden Mark eingstellt. Auch der Haushaltsentwurf für das Auswärtige Amt - Einzelplan 05 - weist verteidigungsrelevante Ausgaben auf. So etwa den "Beitrag zum zivilen Teil des Haushalts der Nordatlantikpakt-Organisation" von 31,84 Millionen Mark, den Beitrag an die WEU über 4,5 Millionen Mark, die NATO-Verteidigungshilfe von 164 Millionen Mark, die Ausstattungshilfe von 60 Millionen und die Rüstungssonderhilfe an Griechenland und Portugal von 83,6 Millionen Mark.
Der Einzelplan 14 zeigt einige bemerkenswerte Entwicklungen auf:
Während die Betriebsausgaben nur geringfügig um 2,4 -2,9 Prozent steigen, erfährt der Bereich "Militärische Anlagen (Bauten einschl. NATO-Infrastruktur) die deutlichste Steigerung und zwar um 16,3 Prozent; fast alle neu eingestellten Beträge werden in die NATO-Infrastruktur investiert (220 Millionen Mark für Kosten in der Bundesrepublik; 700 Millionen für Kosten in den übrigen NATO-Staaten). Im Mittelpunkt der Personalausgaben, die mit 44,02 Prozent den größten Posten im Haushalt darstellen, steht mit 400 Millionen Mark das sogenannte Attraktivitätsprogramm der Bundeswehr, mit dessen Hilfe der Personalbedarf der 90er Jahre gesichert werden soll. So sind etwa für die Intensivierung der Nachwuchswerbung (gedacht wird an Kinowerbung und Geburtstagskarten für Jugendliche) pro Jahr zusätzlich 5 Millionen Mark vorgesehen. Erstmals sind auch Ausgaben in Höhe von 5,7 Millionen Mark für Rüstungskontroll- und Abrüstungsmaßnahmen vorgesehen (Kapitel 1402, Titelgruppe 01, EP 14, Bt.-Drucksache 11/5000, S. 31).
Rüstungsprogramme
Die zweitgrößte Posten im Haushaltsentwurf - immerhin auch noch zweistellig - nimmt der Bereich Forschung, Entwicklung und Erprobung ein; hier ist eine Steigerung von 12,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr vorgesehen. Diese Entwicklung soll - so die Hardthöhe - "der zunehmenden Komplexität technischer Entwicklungen und weit vorausschauender Planungsalternativen" (Verteidigungshaushalt 1990: Stabile Grundlage der Sicherheitspolitik, in: Mitteilung an die Presse, Pressereferat des Bundesminister der Verteidigung vom 6. Juli 1989) Rechnung tragen. Ausgehend von der militärischen Lagebeurteilung in Folge der strategischen Vorgaben durch die flexible response und durch die konzeptionelle Neuorientierung des Bündnisses (FOFA) plant die Bundesregierung u.a folgende rüstungstechnische Entwicklungen:
- Ausbau der Luft-Boden-Angriffsfähigkeit durch die Entwicklung luftgestützter Abstandswaffen, hier: Familie der modularen Abstandwaffen.
- Ausbau der Fähigkeit zur Abwehr ballistischer Flugkörper (ATM/ATBM) im Rahmen der sogenannten erweiterten Luftverteidigung.
- Optimierung der Luftangriffsfähigkeit durch die Entwicklung des Jagdflugzeuges Jäger 90.
- Optimierung der Aufklärungsfähigkeit und Steigerung des Durchsetzungsvermögens der Luftangriffsflotte durch die Beschaffung von 35 ECR-Tornados.
- Einstieg in das dreidimensionale Gefechtsfeld durch den Aufbau einer Luftkavallerie des Heeres (PAH II) und Kampfdrohne.
- Stärkung der Angriffsfähigkeit durch zusätzliche neue Kampfpanzer Leopard II und die geplante Entwicklung einer neuer gepanzerter Fahrzeuge.
- Optimierung der Fähigkeit Kampf in die Tiefe durch Entwicklung von Aufklärungs- und Kampfdrohnen, MRLS/MARS und zusätzliche Beschaffung von Tornados.
- Optimierung maritimer Kriegsführungsfähigkeit durch den Bau von 4 Fregatten 123, die Kamfwertsteigerung der U-Boote Typ 206, Entwicklung der NATO-Fregatte 90 und Entwicklung der U-Boote 212.
Mit einem Arrangement aus rüstungstechnischer Entwicklung, aus verstärktem Ausbau der NATO-Infrastruktur und verschiedenen Strategien zur Sicherung des personellen Bedarfs stellt die Bundesregierung die Weichen für die nähere Zukunft. Das Motto lautet: konsequent gerüstet in die 90er Jahre.