„Don't Turn Away" - warum US-Aktivist*innen vor US-Basen demonstrieren, die bewaffnete Drohnen einsetzen

Drohnenbasen in den USA

von Kathy Kelly

Am 9. Januar 2022 erfuhren Mitglieder der Kampagne Ban Killer Drones (BanKillerDrones.org) von der deutschen Friedensaktivistin Elsa Rassbach, dass mehr als 30 deutsche Publikationen auf die bemerkenswerte Berichterstattung der New York Times über Drohnenangriffe aufmerksam geworden waren. Azmat Khans Berichte mit dem Titel „The Civilian Casualties File" spiegeln fünf Jahre Recherche wider, in denen sie ein Muster von US-Drohnenangriffen aufgedeckt hat, die zu zivilen Opfern führen und systematisch vom Pentagon vertuscht werden.
Die Mitglieder unserer Kampagne für ein Verbot von Killerdrohnen können nicht anders, als sich über die anhaltende und lebhafte Debatte in Deutschland über die Anschaffung von bewaffneten Drohnen zu wundern.
Hier in den Vereinigten Staaten werden Drohnenangriffe, die Zivilist*innen in anderen Ländern töten, als Routine behandelt. Die schottische Journalistin Iona Craig sagte, das einzig Ungewöhnliche an dem US-Drohnenangriff vom 29. August 2021 in Kabul, bei dem zehn Mitglieder der Ahmadi-Familie, darunter drei Kleinkinder, getötet wurden, sei, dass die internationalen Medien darüber berichteten.
Trotz der weit verbreiteten Berichterstattung über das Gemetzel an den Ahmadi behauptete das Pentagon kühn, es habe kein Fehlverhalten gegeben. Luftwaffengeneral Sami Saeed bestand darauf, dass der Kontext den Angriff rechtfertige. Er bezog sich dabei auf die Entschlossenheit des Pentagons, eine Wiederholung des Selbstmordattentats vom 23. August zu verhindern, bei dem 13 US-Marines und über 150 Afghan*innen getötet wurden. 
Das Pentagon war bestrebt, die Familie Ahmadi und die grausame Geschichte, wie Zemari Ahmadi fälschlicherweise als ISIS-Kämpfer identifiziert wurde, zu vergessen. Acht Stunden lang hatte ein Team von Drohnenoperatoren und Analytikern Zemari Ahmadi verfolgt und sich zunehmend davon überzeugt, dass er einen neuen Anschlag vorbereitete. An seinem letzten Tag in Kabul hatte Zemari Ahmadis Familie ihre Koffer gepackt und sich auf die Ausreise in die USA vorbereitet. Zemari Ahmadi arbeitete für eine in Kalifornien ansässige Nichtregierungsorganisation (NRO), Nutrition Education International, die ihn und seine unmittelbare Familie für ein Sondervisum für die USA qualifiziert hatte. Die Bewohner*innen von Kabul, die von der Dürre schwer gezeichnet sind, brauchen dringend sauberes Wasser. Zemari legte vorsichtig Kanister mit Wasser in den Kofferraum seines Wagens, um sie an seine Familie und Nachbarn zu verteilen. Er hatte einen Computer im Büro seines Chefs abgeholt und verschiedene Mitarbeiter*innen zu Hause abgesetzt. Diejenigen, die ihn überwachten, waren sich sicher, dass er Sprengstoff in sein Auto geladen, ISIS-Kämpfer transportiert und in einem ISIS-Unterschlupf (dem Büro seines Chefs) Halt gemacht hatte.
In der Familie Ahmadi war es eine fröhliche Tradition, aus dem Haus zu strömen, wenn Zemari Ahmadi in die Einfahrt fuhr, denn er erlaubte immer einem seiner Söhne, das Auto zu parken. Kleine Kinder kicherten und klatschten, während sie zusahen. Auf dem Videomaterial, das die Drohnenoperateure sahen, war zwei Minuten lang ein Kind zu sehen, bevor der Befehl „Impact!" gegeben wurde und eine Militärperson, die eine Reaper-Drohne bediente, eine Hellfire-Rakete auf das Auto abfeuerte. Die Hellfire-Rakete ließ 100 Pfund geschmolzenes Blei auf Zamaris Auto landen, und dann zerhackten rotierende Klingen die restlichen Trümmer und Körper.

Daniel Hale
General Sami Saeed rechtfertigte den Angriff, indem er sich auf den unmittelbaren Kontext berief, aber um den breiteren und äußerst wichtigen Kontext der US-Drohnenangriffe zu verstehen, müssen wir Daniel Hale zuhören, dem Drohnen-Whistleblower, der jetzt eine vierjährige Haftstrafe im US-Bundesgefängnis Marion Penitentiary verbüßt. Daniel war Soldat und arbeitete mit Geheimdienstberichten und Analysen von Drohnenaufnahmen, um Ziele für Drohnenangriffe auszuwählen. Nach seinem Ausscheiden aus der US-Luftwaffe arbeitete er in ähnlicher Weise für einen militärischen Auftragnehmer, bis sein Gewissen es ihm nicht mehr erlaubte, weiterzumachen. Daniel hatte Zugang zu Regierungsdokumenten, die ein Muster von Drohnenangriffen enthüllten, bei denen Zivilist*innen getötet worden waren. Während einer fünfmonatigen Militäroperation in Afghanistan wurden nach Angaben der US-Regierung in 90 % der Fälle unschuldige Menschen getötet. Bei seiner Verurteilung sagte Daniel Hale dem Richter, er habe Papiere gestohlen, weil er nicht länger stehlen könne, wozu er kein Recht habe, nämlich das Leben unschuldiger Menschen.
Da Daniel Hale in einem Hochsicherheitsgefängnis zum Schweigen gebracht worden war und das Pentagon vielleicht zuversichtlich meinte, dass selbst der zutiefst beunruhigende Mord an der Familie Ahmadi bald aus den Nachrichten verschwinden würde, hoffte das Pentagon wohl, „business as usual" fortzusetzen. Es plant weitere „Over the Horizon"-Drohnenangriffe gegen Afghanistan und drängt den US-Kongress dazu, neuere, ausgefeiltere Drohnen zu finanzieren, künstliche Intelligenz zu nutzen und die USA gegenüber China konkurrenzfähig zu halten.
Als Reaktion auf die Weigerung der USA, für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden, rief BanKillerDrones.org zu Demonstrationen an oder in der Nähe von 13 US-Basen auf, die bewaffnete Drohnen einsetzen. Die Kampagne "Don't Look Away" zeigte Bilder der Opfer der Familie Ahmadi, erinnerte an die Botschaft von Daniel Hale und forderte eine Untersuchung der 20-jährigen Geschichte der Drohnenangriffe durch den Kongress. Unser Ziel ist es, alle Opfer des US-Drohnenkriegs zu identifizieren. 
Da wir wissen, wie wichtig internationale Solidarität ist, prüfen wir auch die Einrichtung einer internationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission oder eines Tribunals, um die Kriminalität der Drohnenangriffe aufzudecken.
 

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Kathy Kelly ist die Ko-Koordinatorin von Voices for Creative Nonviolence und Autorin von „Other Lands Have Dreams: From Baghdad to Peking Prison“ (2005). Sie war Teilnehmerin einer Delegation in Städte und Dörfer in Pakistan.